Samstag, 21. Dezember 2013

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mittwoch, 14. august

Heute war ich wieder mit Locherrammen beschäftigt. Geht bei hartem Boden und erforderten Tiefen von 70cm ganz schön in die Arme und den Hunger. Leider sind die Portionen im Projekt doch eher zu klein weswegen ich abends, zuhause angekommen mir erst einmal den Bauch voll schlage.

donnerstag, 15. august

Wie jeden Donnerstag waren heute wieder die Kinder dran. Die deutschen Kinderlieder krakelten sie mittlerweile recht textsicher. Sie waren so beschäftigt zu singen, dass sie sogar vergaßen sich während der Fahrt zu prügeln. Einer unserer Besucher aus Peru war heute mitgekommen um sich meine Arbeit einmal genauer anzuschauen. In seinem Projekt in Peru arbeitet er auch mit Kindern und stand mir die erste Stunde auch tatkräftig zu Seite. Irgendwann gab er auf, die Kinder ständig zu ermahnen, sie wieder einzufangen und auf ihren Platz zu setzen, und ihre Raufereien zu schlichten. Es war einfach unmöglich sie ruhig zu stellen. Später teilte er mir mit, dass er dachte seine Projektkinder seien frech und etwas ungezogen. Dass aber selbst die Kleinsten schon machten was sie wollen und Autoritäten für sie nur zum Verpetzen der Anderen da sind, war ihm neu. Willkommen bei Suma Qamaña dachte ich mir. Zu Mittagszeit ging er nachhause und ich beschäftigte mich als die Kinder gegangen waren mit der Verbesserung des Hühnerstalls.

freitag, 16. august

Wie es gestern aufgehört hatte, so ging es heute weiter. Zickezacke Hühnerkacke. Ich wagte mich in das kleine Hühnerhaus und begann den gesamten Boden heraus zu hacken. Kein leichtes Unterfangen wenn man schon kniend am Dachfirst anstößt. Die ausgefallenen Federn stoben, der Staub des Hühnerstalls und ein unangenehmer Geruch drangen mir in die Nase. Nach 3 Stunden war der gesamte Schmodder endlich draußen, die unterste Schicht hatte ja immerhin schon 4 Jahre darauf warten müssen, wieder an die frische Luft zu gelangen. Es war schon kurz vor Feierabend als ich mich wieder aus dem Häuschen wagte. Schnell ging es ans Bodenzementieren, so dass der Belag übers Wochenende trocknen konnte. Wie die gesamten letzten Arbeitswochen machte ich Überstunden. Als ich zuhause ankam war ich vom Arbeitstag geschafft und schlief gleich ein. Unser Besuch samt meinem Mitbewohner hatte sich nach Cusco aufgemacht. Endlich ein paar Tage Ruhe, wie ich mir dachte.

samstag, 17. august

Ich hatte weder getrunken noch sonst etwas zu mir genommen. Dennoch hatte ich nicht mal Kraft die Bettdecke zurück zu schlagen. Ich war so geschwächt, dass ich den gesamten Tag durchschlief. Ich fühlte mich fiebrig und hatte komische Träume. Wenn ich mal wach war, war ich zu absolut überhaupt nichts zu gebrauchen. Abends schaute meine Gastcousine, die Ärztin ist für kurze Zeit vorbei. Sie überprüfte mich und meinte mit Sicht auf die Symptome, ob ich mit Hühnern zu tun habe. Es könnte wahrscheinlich eine Hühnergrippe sein. Ich hätte die letzten Tage wohl lieber mit Mundschutz arbeiten sollen, dachte ich mir. Dann war ich schon wieder zu geschwächt, und schlief weiter.

sonntag, 18. august

Ich befand mich seit mehr als 30h im Bett und konnte mich noch immer kaum bewegen. Irgendetwas hatte mich übel erwischt. Das ganze Liegen tat mittlerweile schon weh, ich hatte mich buchstäblich wund gelegen. Mittags versuchte ich mit der Familie zum Essen zu gehen, was für kurze Zeit auch gut ging. Kaum zuhause angekommen, hatte ich keine andere Möglichkeit als mich erneut hinzulegen. Körperlich und geistig war totale Sense.

montag, 19. august

Mir ging es nach dem Aufwachen schon erheblich besser als die Tage zuvor. Die Medikamente hatten ihre Wirkung gezeigt. Dennoch fühlte ich mich noch lange nicht fit um zur Arbeit zu gehen. Die Kraftlosigkeit des Wochenendes war in eine große Lustlosigkeit umgeschlagen. So verbrachte ich einen weiteren Tag im Bett.

dienstag, 20. august

Die Lust- und Antriebslosigkeit hielt an. Hunger hatte ich auch keinen, was auch ganz gut war, da mir wieder eine „dieta blanca“ verschrieben worden war: trockener Reis und Kartoffeln, möglicherweise eine ungewürzte, fade Suppe, dazu Trockengebäck. Kein Essen, dass einen wieder zu Kräften bringen würde.
Ich war mittlerweile wieder einigermaßen bei Kräften und konnte wieder hin und her laufen. Die Hühnergrippe hatte ich mit gewaltigem Gewichtsverlust einigermaßen überstanden, dabei dachte ich, die wäre schon längst aus der Mode. Aber in Bolivien sind wohl sogar die Krankheiten hinterher. Anderseits hatten die Viren wahrscheinlich in den mumifizierten Hühnerhäufchen überlebt.



Donnerstag, 19. Dezember 2013

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mittwoch, 7. august

In der Arbeit waren wir beschäftigt den frisch gelieferten Hafer an seinem neuen Aufbewahrungsort zu verstauen. Die letzten Tage war ich stets körperlich gefragt, weswegen ich abends meist müde nachhause kam. Kurz bevor die andere Freiwillige und ich Suma verlassen wollten, begann ein Sturm aufzuziehen. Der Himmel verdunkelte sich und eine rote Sandwolke fegte aus Richtung El Alto über das gesamte Tal. Als sie uns erreichte, saßen wir schon im Minibus. So hatte ich mir immer einen Wüstensturm vorgestellt, doch La Paz ist noch ein weniger entfernt von einer solchen. Der wüste Sturm hatte irgendwo roten Staub aufgetrieben und färbte alles rot. Die Weitsicht betrug höchstens 10m, der Rest lag hinter dem seltsamen Naturschauspiel versteckt. Der Busfahrer meinte, dass dies für August normal sei. Die Winde zögen vom Titikakasee über das trockene Altiplano und bließen dabei ein wenig der staubigen Erde mit. Es war noch immer Trockenzeit, weswegen sich die Erde am Tag stark aufheizt und bei Dämmerung die Luftströmungen in Küstennähe starke Winde verursachen. Die Wolke begleitete mich bis zur Fahrt ins Zentrum. In den Nachrichten gab es am Abend Bilder der verschluckten Stadt zu sehen. So normal schien diese Laune der Natur doch nicht gewesen zu sein. Viele Signale waren gestört und das Fernseh-, so wie Handynetz zeitweise lahm gelegt worden. Abends unternahm ich mit meinem Mitbewohner und unseren Freunden aus Peru, die noch immer in der Stadt weilten, etwas.

donnerstag, 8. august

Der Sturm hatte sein Werk getan und so waren etliche Bäume und anderer Müll auf die Straßen geweht worden. Ein Spezialsägetrupp sägte gerade die Straße zum Gefängnis frei, wo wir auf die Kinder warteten. Und wir hatten viel Zeit zu warten. In letzter Zeit dauerte es vom ersten Türe klopfen und fragen, ob die Kinder kommen könnten bis zum Einsteigen in den Bus eine dreiviertel Stunde. Eindeutig zu lang. In der Wartezeit redeten der Chaffeur und ich häufig mir dem kleinen dicken Polizisten, der die deutsche Botschaft bewachte. Sie liegt Mauer an Mauer mit dem Frauengefängnis, ein interessanter Ort für eine Botschaft. Der Polizist erzählt gerne aus dem inneren der Botschaft und wie nett der Botschafter, seine Frau und seine Kinder doch seien, die im alten Herrenhaus hinter den Mauern wohnen. Noch in diesem Monat würde jedoch ein neuer Botschafter einziehen. Die Vorbereitungen für den Umzug liefen bereits.
Mit den Kindern war heute kaum etwas anzufangen. Das Ziel des Jahres war es, den Kindern das Lesen und Schreiben mit Spaß näher zu bringen, da lesen bekanntlich bildet und Bildung Türen öffnet. Doch sobald man nur ein Buch in die Hand nimmt, wird gestreikt. Buch wird mit Schule, Schule Zwang und Langeweile assoziiert. Ein Buch bedeutet also immer Langeweile und.
Die Mädchen mit denen ich arbeitete sollte, wollten partout nicht lesen. Um etwas nicht zu tun, entwickeln sie immer eine besondere Kreativität. Sie seien krank und könnten deswegen nichts unternehmen. Statt zu lesen spielte ich also mit. Ich erklärte ihnen, dass Kranke sich leider ausruhen müssten und auch kein Spielen möglich war. Sie waren so lange krank, bis ihnen langweilig wurde. Ich beharrte allerdings darauf, dass sie sich erst auskurieren mussten. Sie versuchten mich auszutricksen, aufzustehen und sich Puppen zum Spielen zu stibitzen. Ich nervte sie weiter, liegen bleiben zu müssen, bis sie plötzlich freiwillig begannen die Bücher, die ich neben sie gelegt hatte, zu lesen. Es machte ihnen sogar Spaß und sie begannen sich über ihre kleinen Geschichten auszutauschen. Sie merkten plötzlich spielerisch wie viel Spaß lesen eigentlich machen konnte.
Eines der Mädchen, das bereits die vierte Klasse besucht, weigert sich strikt lesen zu lernen. Da sie es auch so durch jede Klasse schafft, verschärft ihre Sturheit. Sie ist sehr begabt im Manipulieren und schafft es sogar die ältern Kinder für ihre Zwecke einzuspannen. Es gibt also immer jemanden der ihre Hausaufgaben erledigt, sie verteidigt oder ihr hilft jemanden anderen fertig zu machen. Da weder die Mutter noch die Lehrer in der Schule sich ihr widersetzen nimmt sie es für selbstverständlich hin, ihren Willen Gehorsam zu leisten. Sollte jemand nicht ihrer Meinung sein, beginnt sie zu streiken. Wie immer weigerte sie sich zu Beginn etwas zu tun was ihr aufgetragen wurde. Sie könne doch überhaupt nicht lesen und brauche es auch nicht lernen. Für was denn überhaupt. Mit einer Portion extra Aufmerksamkeit schaffte ich es mühsam, sie Buchstabe für Buchstabe lesen zu lassen und zu Wörtern zusammen zu setzen. Mit Ermutigungen und Lob merkte sie, dass sie fast lesen konnte. Sie müsste nur üben, dann würde es schon klappen. Sie las also stolz weiter ohne dass ich sie zu jeden Buchstaben anstacheln musste.
Es kostet jedes Mal viel Kraft, Geduld und Zeit die Kinder zu etwas zu animieren, was wohl den größten Teil meiner Arbeit ausmacht.

Dazu trägt auch eine allgemeine Einstellung der Kinder bei. Generell haben nahezu alle Kinder, die zu Suma Qamaña kommen, ein Problem Grenzen zu akzeptieren. Die Mütter erlauben ihren Kindern nahezu alles und versuchen ihnen alle Wünsche zu erfüllen. Bei ihren „hijitos“ [den Söhnen oder kleinen Prinzen] ist dies noch ausgeprägter. Die Lehrer haben Mitleid mit den armen „Gefängniskindern“ und wollen ihnen durch Strafen oder Ermahnungen das Leben nicht noch schwerer machen. Von außerhalb werden sie vor allem zu Weihnachten mit Geschenken und Mitleid überhäuft. Sie leben ihre „Opferrolle“ als „Gefängniskind“, die ihnen viel Aufmerksamkeit einbringt. Ihre Mütter trichtern ihnen geradezu ein, dass ihnen geholfen und geschenkt werden muss. Es ist also der Normalzustand, dass ihnen geholfen werden muss. Aufgrund dieser Haltung ist es im Allgemeinen schwierig mit den Kindern konstruktiv zu arbeiten und immer haufenweise Überzeugsarbeit notwendig. Tanzt man nicht nach ihrer Pfeife ist man der Böse und es wird versucht jemand Anderen zu finden, der ihre Wünsche erfüllt. Zum Beispiel die Chefin. Es passiert nicht selten, dass ein Kinder zur Direktorin rennt und ihr erzählt, dass „Profe Niklas“ erlaubt hat auf den Spielplatz zu gehen. Zurück bei mir wird dann behauptet, dass die Direktorin aufgetragen hat, man solle jetzt auf den Spielplatz gehen.
Da die eigene Opferrolle einem Vorteile bringt, möchten viele Frauen, das Gefängnis auch nicht verlassen. In der Freiheit hätten sie und ihrer Kinder nämlich gar nichts. Es ist ein gefährlicher Teufelskreis. Die Kinder erfahren zwar Zuwendung, die meistens jedoch nur geheuchelt ist. Bei wahren Problemen wird ihnen kaum geholfen und eine Erziehung die Grenzen aufzeigt, erfahren sie überhaupt nicht. Das Leben im Gefängnis ist nach wie vor kein Zuckerschlecken und definitiv kein Ort in dem Kinder aufwachsen sollten. Es herrscht ein rauer Umgangston und das Leben ist von Egoismus geprägt. Man lebt in seinem Mirokosmos, aus dem man aufgrund mangelnder Anreize nicht entfliehen möchte. Wenn denn Müttern wie Kindern keine Optionen aufgezeigt werden, werden sie es später in der Freiheit schwer haben in der „normalen“ Gesellschaft zu Recht zu kommen. Es ist schwierig Lösungsansätze für diese Lage zu finden, und der Regierung ist dieser kleine Rand der Gesellschaft nahezu egal. Mich hingegen beschäftigt das Schicksal der Kinder, die in diesen Zustand hineingeboren worden, sehr. Es ist interessant und hilfreich sich über die Verhaltenshintergründe der Kinder Gedanken zu machen. Dennoch wünsche ich mir manchmal Hilfe von einem Profi oder einer Person, die mich in diesen Fragen leitet oder unterstützt. Gespräche mit den Gasteltern die beide Pädagogen sind, helfen mir zwar weiter. Aber nicht jeder Freiwillige hat das Glück im unmittelbaren Umfeld auf solches Wissen zurückgreifen zu können. Eine bessere Koordination der Organisation oder des Projekts wären für einen erfolgreichen Arbeitseinsatz mehr als hilfreich.

freitag, 9. august

Heute musste ich lange arbeiten und war über die Ablenkung recht glücklich. Abends gingen wir mit den anderen Freiwilligen feiern, über was ich noch glücklicher war. Endlich mal wieder abschalten. Heute hätte meine Freundin kommen sollen, war aber bekanntermaßen verhindert. Es war ein schöner Abend und meine Gedanken konnten sich ein wenig erholen.

samstag, 10. august

Der Tag plätscherte vorbei und abends ging es wieder ins Nachtleben mit unserem Besuch. Besuch kann anstrengend sein. Wegen eines Missverständnisses war ich auf einmal alleine in der Bar. Ihr Handy war auch nicht zu erreichen und so blieb mir nichts anderes übrig als auf ein Zeichen ihrerseits zu warten. Der Abend war also ein gebrauchter und als ich nachhause aufbrechen wollte, war meine Jacke aus der Garderobe entwendet worden. Zum Glück waren die Taschen nahezu leer. Doch die praktische Lederjacke, mit der ich mich immer mehr angefreundet hatte war nicht mehr aufzutreiben. Wenigstens bedeutete das weniger Gewicht für den Rückflug in einigen Monaten.

sonntag, 11. august

Nachmittags machten wir uns auf, den Classico Bolivens zu sehen. Das Fußballderby aus La Paz zwischen Bolivar und The Strongest zieht jedes Mal die Massen an. Auch unser Besuch wollte einmal bei diesem Spektakel dabei sein, dass sich als langweiligstes und schlechtestes Fußballspiel entpuppte, für das sich je Eintritt gezahlt hatte. Wir saßen in der prallen Sonne und wären wohl vor Langeweile, Müdigkeit und Hitze fast eingedöst, hätten wir nicht versucht, den Stadionbesuch auf irgendeine Weise spannend zu machen. Deprimiert für einen solchen Grottenkick überhaupt Zeit verschwendet zu haben, machten wir uns auf der Einladung eines Freundes nachzukommen. Er hatte uns alle zu den besten Spagetti in ganz La Paz zu sich nachhause eingeladen. Voller Erwartung und Hunger fuhren wir durch die gesamte Stadt. Als wir um 1900 ankamen, war der Gastgeber noch beim Einkauf, den wir als er ankam gleich bezahlen durften. Für ein paar Nudeln und andere Zutaten zahlten wir mehr als in jedem Restaurant La Paz für drei Gänge. Dann hieß es 2einhalb Stunden warten bis ein kleiner Teller verkochter Nudeln mit mäßiger Soße vor uns stand. Wegen des Hungers, des Preises und des ewigen Wartens waren wir alle ein wenig gereizt und vielleicht ein wenig undankbar. Wir hatten uns wohl mehr von den groß angekündigten, besten Spagettis erhofft. Dass man in Bolivien nach dem man Eingeladen wird zur Kasse gebeten wird, ist übrigens vor allem in der jüngeren Generation Gang und Gebe. Der Sonntag wurde trotzdem mit einem unzufriedenen Gefühl abgeschlossen. Durch all die Deutschen um einen herum hatte ich wohl ein wenig meiner bolivianischen Lockerheit abgelegt.

montag, 12. august

Es hieß wieder schuften. Bis September musste jedes Gehege erneuert und ein weiteres errichtet werden. Ich war also damit beschäftigt mit einer Eisenstange Löcher für Pfosten in den Boden zu rammen. Müde kam ich zuhause an.

dienstag, 13. august

Ein erneuter Busfahrerstreik machte es unmöglich zur Arbeit zu kommen. Mit unserem Besuch ging es also auf Touritour. Eine bolivianische Premiere für mich. Zum ersten Mal ging es durch Touriviertel samt Alpakapullover, Mützen uns sonstige Souvenirläden.

Aufgrund der letzten Tage fühlte ich mich sowieso erstmals wie ein Tourist und hatte einen ganz anderen Blick auf die Stadt, wie ich sie normalerweise gewohnt war. Mir wurde wieder bewusst auf wie viel Seiten man La Paz kennen lernen konnte. Die Stadt ist ein Rätsel.