Samstag, 22. Juni 2013

zwanzigste woche

mittwoch, 12. juni

Um acht Uhr morgens traf ich mich mit einem anderen Freiwilligen, der mich mit zu seinem Projekt nahm. Meiner neuen Arbeitsstelle. Ich war so wild darauf wieder zu arbeiten, dass ich unabsichtlich eine halbe Stunde zu früh am Treffpunkt war. Als das Warten vorbei war, fuhren wir im Minibus vorbei an den großen Häusern der Zona Sur, vorbei an bald belagerten Bauplätzen am Golfplatz, vorbei an der teuersten Privatuni Boliviens, Richtung Achocalla. Mein neuer Arbeitsort liegt zwischen La Paz und El Alto, im Teil mit der wohl geringsten Bevölkerungsdichte. 20min entfernt der Luxusvillen der Zona Sur beginnt das karge Landleben Achocallas. Wenn man Straßen, Häuser, und die unzähligen Nutztierkleinherden betrachtet kann man nicht glauben, dass man sich nur wenige Kilometer entfernt der wachsenden, ständig hektischen Großstädte befindet.
Winzige Bauernhöfe, mit Feldern nicht größer als ein Fußballplatz reihen sich in die Landschaft voll seltsamer Felsformationen ein. Die Ortbilder bestehen aus ebendiesen Höfen, kleinen Handwerksbetrieben, Tante Emma Läden und staubigen Nebenstraßen, an deren Rändern Schafe, Kühe und was sonst noch zum Grasen angebunden sind. Als ich diesen Kontrast das erste Mal sah, konnte ich meinen Augen kaum glauben.
Mitten im ruhigen Dorfleben befindet sich die kleine aber feine Anlage meiner neuen Arbeit. Auf einer kleinen Anhöhe befindet sich ein idyllisches Areal mit fünf weißen Bungalows, einem über allen thronenden schiefen Turm, einem Spielplatz, kleinem Sportfeld, zwei geräumigen Gewächshäusern, 6 Lamas, 5 Hennen und unzähligen Inzuchtkaninchen und -meerschweinchen. Das Projekt Suma Qamaña [aymara für: Gutes Leben/Lebe Gut] bemüht sich Kinder, die mit ihren Eltern im Gefängnis leben, eine Auszeit dieses tristen Ortes anzubieten. Mit spielerischen und anschaulichen Lernen wird versucht den Kindern nützliche Lehren mit auf den Weg des Lebens zu geben. Dies ist auch dringend notwendig, da die Regierung es versäumt den Kindern, die unverschuldet im Gefängnis leben eine Perspektive zu bieten.
Ihre Eltern sitzen wegen aller möglichen Delikte im Gefängnis und es ist ihnen erlaubt, ihre Kinder in dieses unwirkliche Ambiente mitzunehmen. Obwohl bolivianische Gefängnisse weit lockerer gehandhabt werden, sind sie noch lange kein angemessener Ort für Kinder. Im größten Gefängnis La Paz im San Pedro, welches großzügig für 400 Insassen ausgelegt wurde, leben momentan über 2000 Personen, darunter etwa 400 Kinder. Man kann sich die Platzverhältnisse und Umgangsweise der dort Wohnenden kaum vorstellen. Viele der Inhaftierten kehren nach Freilassung direkt hinter Gitter zurück und gehen nicht über Los. Sie werden auf die ständige wechselnde Welt außerhalb kaum vorbereitet, sind total überfordert und werden häufig nur Wochen später bei ähnlicher Straftat geschnappt. Mit ihnen kehren auch deren Kinder zurück in Gefangenschaft. Ein für uns normales Leben ist ihnen nicht bekannt. Insofern braucht man sich nicht wundern, welchen Weg die Sprösslinge häufig einschlagen. Meist bleibt ihnen auch kein anderer Weg, als der Gang in die Kriminalität.
Zurzeit kommen einige Kinder des Frauengefängnisses zweimal die Woche zu uns, wo wir uns mit ihnen beschäftigen. Es wird angestrebt, die Frequenz und Anzahl der bei uns zu betreuenden Kinder zu erhöhen um sie auf ein ähnliches Niveau, wie noch vor Jahren zu bringen als sie fast täglich vorbei schauten.
Suma Qamaña besteht bereits seit acht Jahren und beruht auf der Idee und Initiative einer argentinischen Pädagogin und Schriftstellerin, der Gründerin und Präsidentin Suma Qamañas.
An meinem ersten Tag lernte ich zuerst das Gelände und seine Mitarbeiter kennen, da die Kinder momentan nur dienstags und donnerstags morgens zu Besuch sind. Zu meinen Kollegen gehören die Direktorin, die Köchin und der Mann für alles, mit dem ich wohl die meiste Zeit verbringen werde. Ein solches Anwesen muss gepflegt werden und es wird bei erstem Anblick wohl ständig etwas zu reparieren geben. Der hier arbeitende Freiwillige wird leider schon in einer Woche nach Deutschland zurückkehren, genug Zeit mich in die gröbsten Kniffe einzuweisen.
Nach der Kennenlernrunde verabschiedete ich mich für heute von den sehr netten, zukünftigen Kollegen und begab mich nachhause um den Verabschiedungskuchen für die netten Exkollegen fertigzubacken. Mit der hoffentlich, leckeren Falschen Schwarzwälder kam ich zum Überraschungsbesuch im Büro an. Es war gut noch einmal tschüss gesagt zu haben und auch die Torte kam gut an. Als alle gegangen waren unterhielt ich mich noch eine Weile mit meinem Lieblingskollegen. Das Thema Fundare war nun endgültig abgeschlossen. Sicherlich hatte ich auf der einen Seite einige schöne Momente, die ich mitnehmen werde, aber auf der anderen Seite mehr Leerlauf als in allen Rushhourstaus zusammen. Gepaart mit anderen unfeinen Tatsachen ist es das Beste Lebewohl zusagen und einzusehen, dass manchen nicht gerne geholfen wird. Um die netten Kollegen tut es mir Leid, aber mit ihnen kann ich mich noch immer privat treffen, sollte ich das Verlangen spüren.
Zum wahrscheinlich letzten Mal verließ ich das anonyme Hochhausinnenleben des Büros im Herzen La Paz. Welch Unterschied zu meinem neuen Arbeitsplatz in der Natur, bei dem ich wohl vor allem an der frischen Luft in Freiheit arbeiten werde.
Ich betrachtete das abendliche Treiben im Zentrum und schaute den Universiätstänzern beim Üben für ihre Parade zu. Als die Wartezeit überbrückt war ging ich zum Fußballtraining eines Kumpels, den ich beim nächtlichen Ausgehen kennen gelernt hatte. Offenheit öffnet viele Türen. Dieses Motto habe ich nun noch mehr verinnerlicht. Gegen Mitternacht traf ich nach einem ereignisreichen Tag an meinem Bett an. Alles wird, dachte ich mir und flüchtete in die Traumwelt, in der ich zusätzlich eine besser passende Gastfamilie fand.

donnerstag, 13. juni

Am ersten vollen Arbeitstag durfte ich dann direkt die Kinder kennen lernen. Um 0830 trafen wir uns vor dem Frauengefängnis im Stadtteil Obrajes. Exakt dasselbe Gefängnis in dem ich vor ein paar Wochen noch leere Plastikflaschen eingesammelt hatte. Diesmal ging ich aber nicht hinein, sondern musste an der Türe warten bis uns die Kleinen raus geschickt wurden. Alle Altersklassen von 4-10 waren anwesend und der andere Freiwillige war schon routiniert genug, die zu kleinen abzuweisen. Sobald der Altersunterschied in der Gruppe zu groß ist, ist es noch schwieriger mit den Kindern zu arbeiten. Außerdem fehlt es den zu jungen Kindern an Eigenständigkeit, weswegen sie besondere Aufmerksamkeit benötigen, die wir ihnen nicht schenken können. Zu alte Kinder hingegen sind zu eigenständig, und rebellieren in teilweise nicht zu kontrollierenden Maß.
Als alle 22 in einen normalen Minibus [Größe VW-Bus] eingestiegen und der Streit um Sitze beigelegt worden war, fuhren wir Richtung Suma Qamaña. Auf dem Weg wurde noch Brot fürs Frühstück und Fleisch für das Mittagessen eingekauft. Während der Fahrt mussten die Kinder immer wieder zum Richtigsitzen und nicht Herumklettern im vollbesetzten Auto hingewiesen werden. Außerdem gab es bereits die ersten kleinen Prügeleien zu schlichten.
Angekommen begann der Tag mit gemeinsamem Fahnenhissen. Hierzu mussten die Kinder unter viel Aufwand in ihre jeweilige Altersklassereihe eingereiht werden. Dann begannen wir gemeinsam eine moderne, südamerikabejahende Hymne zu singen, die von Pantomimen begleitet wurde. Direkt im Anschluss begrüßten wir uns mit einem typischen „Guten Morgen liebe Kinder“ – „Guten Morgen Lehrer Bla, guten Morgen Lehrer Blö“-Chor begrüßt. Statt einem waldimäßigen „Guten Morgen liebe Bäume, guten morgen liebe Sonne“ werden in Suma Qamaña die Berge Illimani, Mururata und Wayna Potosi begrüßt. Die imposanten schneebedeckten 6000er umrahmen und beschützen das Tal Achocalla. 
Ich sollte gleich die Gruppe mit den Kleinen übernehmen. Und schon beim Frühstück hatte ich so meine Probleme mit den 4-6jährigen. Allein das Plätze verteilen war mühseliger als „normale“ Kinder überreden ins Bett zu gehen. Schon aus Prinzip wurde jeder Vorschlag abgelehnt. Als dann der Becher warme Milch mit Brot kam ging es weiter. „Ich möchte aber keinen blauen Becher, da ist mehr drin, ich mag kein rundes sondern ein eckiges Brot,…“ Beim Rückenzudrehen wurde sich geschubst, Brot geklaut oder Milch ausgeleert. Einige Kinder mussten immer wieder ermutigt werden, doch noch einen Schluck Milch zu nehmen, während andere aufstanden und nach Spielbaren im Raum suchten. Hatte man diese wieder eingesammelt oder überredet sich an ihren Platz zu setzten, war das nächste Kind bereits dabei jemand anderen den Andersfarbigen Plastikstuhl zu entwenden.
Tatsächlich hatten es nach einiger Weile alle geschafft ihre winzige Mahlzeit zu beenden, oder auf dem Boden zu verteilen. Es konnte also weiter gehen. Sie selber Puzzles aus dem Spieleschrank holen zu lassen, war keine gute Idee. Denn ein Puzzle, das selbst mit Fäusten bearbeitet nicht zusammen passen will, wird schnell langweilig. Anstatt es aufzuräumen kann man es ja auf den Boden lagern und mit Bauklötzen, Dominos und anderen Puzzleteilen mischen. Ohne Erfahrung mit einer Kindergruppe wurde ich etwas angespannt und ließ sie einfach weiter machen. Zusammenarbeit funktionierte auch nicht, da jeder seine Teile für sich behalten wollte. Sobald man ein Pärchen überreden wollte, begann hinter dem Rücken schon der nächste kleine Streit. Eine der Kleinen hatte schon einen sehr ausgeprägten Charakter für eine Vierjährige. Sie kommandierte die anderen herum und begann als erste die Grenzen des neuen Lehrers auszuloten. Zwischenzeitlich hatten einige Kinder die Tür geöffnet und vergnügten sich im Freien. Es schien unmöglich diese Bande im Griff zu halten. Mit netten Fragen und Bitten kam man nicht weiter. Man bekam zwar das Versprechen sich jetzt besser zu verhalten, doch sobald man das Kind losgelassen hatte, war es schon wieder entwischt.
Da alles keinen Sinn hatte, schickte ich sie direkt alle auf den Spielplatz.
Doch auch dort konnte genug angestellt werden. Steine wurden geworfen, andere stibitzen Bälle aus dem Bällebad und verteilten sie auf dem Gelände. Wieder andere wollten gerne vom Lehrer gefangen werden und entfernten sich aus dem Spielgelände.
Man hatte mir zwar gesagt, dass die Süßen frech seien, aber eine solche Rasselbande hatte ich nicht erwartet. Am Ende war ich froh, das keiner sich verletzt hatte oder verloren gegangen war.
Beim Mittagessen kam es zu weiteren Essensschlachten und vielen Knüffen auf Hinterkopf, Rücken und Rippen. Als endlich alle wieder im Bus saßen atmete ich erst einmal tief durch und widmete mich meinem Teller, da ich zuvor nicht dazu gekommen war.
Nachmittags kamen 6 Kinder aus dem Ort vorbei, mit denen es eine Leichtigkeit war etwas zu unternehmen. Zwar konnte ich auch ihre Namen nicht, aber wenn man ihnen etwas sagte so wurde es auch gemacht. Keiner stand auf um den anderen vom Stuhl zu werfen oder durchs Klassenzimmer zu hüpfen. Kurz gesagt, es war ein Weltenunterschied und die Arbeit fühlte sich nicht wie Arbeit an, sondern machte richtig Spaß.
Interessant wie unterschiedlich Kinder seien können, und wie viel das Umfeld in dem sie aufwachsen damit zu hat. Ich hatte es mit Kindern aus der gleichen Stadt, im gleichen Alter zu tun. Beide leben nicht in Saus und Braus, denn auch auf dem Land in Achocalla geht es eher rustikal und karg zu. Dennoch war das Verhalten der beiden Gruppen so unterschiedlich, dass einem die Umstände im Gefängnis schon beim ersten indirekten Blick bewusst wurden. Letztlich sind die Kinder ein Spiegel ihres Umfelds und reflektieren ihre Erfahrungen durch ihr Verhalten. Und ein solches Verhalten in einer ganzen Gruppe dieser Altersklasse, war mir noch nie unter die Augen gekommen. Man sollte diese also nicht verschließen und sehen, dass es an vielen Orten der Erde genau solche Zustände geben kann und Hilfsprojekte sinnvoll sind. Die Kinder, die mit ihren Eltern im Gefängnis leben müssen, trifft selbst keine Schuld für ihren Wohnort. Doch durch all diese Erlebnisse und Einflüsse wird es nicht leicht für sie im „normalen“ Leben Fuß zu fassen. Es macht einem hilflos mit anzusehen, wie ein Leben ohne Selbstverschulden möglicherweise in eine Sackgasse führt, bevor es richtig beginnt.
Das sind harte Worte, doch genau so fühlte ich mich auf der Busfahrt nachhause und vor dem Einschlafen, als ich die Erlebnisse des Tages verarbeitete.

Abends stand außerdem die lange erwartete Strafverhandlung mit AFS an. Noch immer war ich mit sechs Monaten Reiseverbot belegt. Entgegen aller Versprechungen hatte es nämlich kein Mitglied AFS es geschafft, während der 5 Tage Seminar mit uns zu reden und zu verhandeln. Wir kamen also abends ins Büro, wo uns ein Komiteemitglied erwartete. Wir hatten ihn zuvor nie gesehen, wirkte jedoch sehr freundlich und entspannt. Er verstünde unsere Lage, da er selbst einmal zum Austausch im Ausland lebte. Er wolle, dass wir uns für alle Seiten positiv einigten. Das Gespräch war schnell erledigt, nach wiederholten Entschuldigungen unsererseits, wurden wir noch einmal gefragt was unserer Meinung nach eine sinnvolle Strafe sei. Wir plädierten dafür, dass wir vor allem aus der Strafe lernen wollten, was bei nicht reisen wohl nicht möglich sei. Uns wurde mitgeteilt, dass man sich -darauf verständigt hatte uns wieder reisen zu lassen unter der Bedingung, dies eine Woche vorher anzukündigen, was dem allgemeinen Konsens entsprach. Sollte noch einmal etwas vor fallen, säßen wir direkt im Flieger nach Deutschland. Das war uns Warnung genug. Glücklich glimpflich davon gekommen zu sein, verarbeitete ich die positiven Erlebenisse der letzten 2 Tage.

freitag, 14. juni

Der zweite richtige Arbeitstag seit Wochen war ein bewölkter und regnerischer. Die gestrigen Erkenntnisse waren soweit verarbeitet und so ging es heute darum, bei Ausbesserungsarbeiten zu helfen. Vormittags backten wir Brot. Der Hefeteig ging auf, woraus wir Bollen formten, die im Gasofen backten. Nach 2 Stunden waren die 200 „Sarnitas“ [flache Brötchen] fertig, die tausendmal leckerer schmeckten als die sonst Üblichen. Anschließend trugen wir die Brotkörbe zu den örtlichen Läden und verkauften das Stück für 2.5 €-cent. Gewinn machten wir logischerweise keinen.
Nachmittags sollte der Eingang zum Nähraum mit einer Ex-Bücherladenmarkise überdacht werden. Das schwere Eisengestell, welches mit einer Plane überzogen war, sollte von uns zwei großen Freiwilligen angehoben werden, während der Hausmeister Markierungen für die Bohrungen setzte.
Als Leiter diente ein wackliger Stuhl, der auf einem wackligen Tisch platziert wurde. Eine alte Bohrmaschine, deren zu kurzes Kabel am Ende, nicht aus Stecker sondern zwei Drahtenden bestand, musste in eine Steckdose ohne Büchse gesteckt werden. Mit den zwei Enden wurde also so lange in der Steckdose herum gefummelt, bis die Bohrer sich zu drehen begann. Da die Maschine bewegt werden musste, fielen die Kabel immer wieder aus der Steckdose und es durfte von neuem gefummelt und heißer Draht gespielt werden. In der weichen Gipswand rutschte der Bohrer immer wieder ab, und auch das nicht sehr stabile Untergestell half nicht den Bohrer gerade in die Wand einzuführen. Die Bohrlöcher waren also krumm und schief. Als ein Dübel zur Probe eingesteckt wurde, auch noch zu groß. Da es keinen anderen Bohraufsatz gab, wurde lustig, wacklig weitergebohrt. Nach einer Weile wurde noch einmal die Ausrichtung getestet, wozu wir das schwere Eisengestell wieder anheben mussten. Die Bohrlöcher des Gestänges stimmten nicht ganz mit ihren Cousins in der Wand überein, aber das ging schon klar. Die Schrauben wurden dann eben schief eingestzt und hielten nicht ganz. Auch die Dübel fühlten sich in der Wand wohl nicht wohl und wollten diese wieder verlassen.
Nachdem das mehrstündige Lehrstück bolivianischer Improvisationskunst abgeschlossen war, blieb das schwere Gestell zu meiner Verwunderung einigermaßen sicher an der Wand hängen. Ich schwor mir dennoch, mich in den nächsten Monaten so wenig wie möglich unter diesem Dach aufzuhalten und nur im letzen Notfall Regenschutz zu suchen.
Die untersten Streben hingen außerdem zu tief, sodass sie mir die nächsten Tage zweimal unsanft den Kopf streichelten.

samstag, 15. juni, sonntag, 16. juni

Ein normales langweiliges Wochenende mit der Familie ging vorbei, wir versuchten gut miteinander auszukommen, was jedoch einigermaßen gut funktionierte.

montag, 17. juni

Der erste Montag im Projekt bestand aus sinnloser Tätigkeit. Die Chefin war nicht anwesend und der Hausmeister wollte uns nicht früher gehen lassen. So sollten wir die Steine, die überall die Wege markieren, weiß anmalen. Mir einem Eimer Kalk und einem Pinsel bewaffnet, pinselte ich also drei Stunden Steine. Besser als wie zuvor nichts zu tun.

dienstag, 18. juni

Mit der Empleada des Hauses verstehe ich mich nun immer besser, so dass sie mir sogar einen Zettel mit Worten auf Aymara mitbrachte. Da sie selber nicht schreiben kann,, musste ihr Sohn, dies für sie erledigen. Außerdem lud sie mich zu sich nachhause ein, um mir zu zeigen wie sie wohnt. Mal schauen, wann ich das die nächsten Wochen unterbringe.
Nach kleinen Plausch musste ich zur Arbeit und die Kinder abholen. Schon im Bus wurden aus Langeweile die Fäuste herausgeholt. Für die nächsten Wochen muss ich mir eine Beschäftigung für die Busfahrt ausdenken. Im Projekt angekommen lief es wie das letzte Mal ab. Einzig beim Puzzeln und auf dem Spielplatz spielen war einigermaßen Ruhe im Karton.
Die Kinder machten mir wieder ganz schön zu schaffen. Keiner hörte, sie büxten aus und ständig begannen Schlägereien. Ein Kind musste sich nur dumm angeguckt fühlen, da ging es schon auf den anderen los. Heute musste ich das erste Mal richtig schlichten. Woher ein vierjähriges Kind wohl gelernt hatte, die Fäuste zum Schutz vors Gesicht zu heben, ein wenig zu tänzeln, mit einem Tritt den anderen zu überraschen um ihn dann mit geballter Faust direkt ins Gesicht zu schlagen?


Abends traf ich mit zwei Freundinnen, die untypisch bolivianisch in einer WG wohnten. 

Freitag, 21. Juni 2013

neunzehnte woche

mittwoch, 5. juni

Den ganzen Morgen hatte ich aus mehreren Gründen lustlos zuhause verbracht. Meine andauernde Arbeitslosigkeit, der Stress mit der Familie und die Ungewissheit der zu erwartenden Strafe nagten an meinem Verlangen in Bolivien zu bleiben. Alles was mein Leben hier ausmachte, war momentan das Gegenteil von dem, wie es sein sollte. Mein Verlangen mit Arbeit helfen zu wollen, konnte bei weitem nicht gestillt werden und mündete in Frustration. Zusammen mit Geschichten, die andere Freiwillige mir erzählten, bildet sich in mir ein Bild der Uneffektivität dieses Dienstes und lassen mich ernsthaft an dessen Sinn zweifeln. Mein Rückzugsort, die Familie, war wenig zufrieden stellend. Teilweise hatte ich schon gar keine Lust mehr, nachhause zu kommen und eines der Gesichter zu erblicken, die meine Freunde hätten sein sollen. Es ging soweit, dass ich meistens erst um 10-11Uhr abends zuhause ankam, da ich sicher sein konnte, dass um diese Zeit, meine geliebte Familie sich hinter geschlossenen Türen im Bettchen befand. Morgens stand ich extra früh auf, um beim Frühstück niemand über den Weg zu laufen. Auf meinem Zimmer wartete ich dann die Zeit bis zum Hausverlassen ab. Denn in meinem Zimmer konnte ich vor Besuchen sicher sein. Natürlich war ich mir bewusst, dass mein Ausweichen der Kommunikation ebenso wenig zur Problembewältigung beitrug. Ich hatte mittlerweile einfach die Lust verloren, mich weiterhin aufzuraffen und zu versuchen gemeinsam etwas zu unternehmen. Denn jedes Mal war ich an Unlust oder gar Ablehnung geprallt. Wozu sollte ich mich weiter überwinden Vorschläge zu machen wenn nichts zurückkam. Ich werfe es ihnen auch nicht als mir gezeigter Bösartigkeit vor, viel mehr als Gemütlichkeit. Sie sind gemütlicher als ich und genießen diese Art zu leben, woran man auch nichts Falsches erkennen kann. Menschen sind eben anders und ich habe mittlerweile bemerkt, dass es keinen Sinn hat zu versuchen eine Beziehung aufzubauen, bei der es am Grundstock mangelt. Der Verbindung. Wir sind einfach zu unterschiedlich. Der Grund liegt hier auch nicht im Gegensatz Bolivien und Deutschland, Menschen in allen Ländern sind verschieden. Mit Einigen versteht man sich besser mit Anderen weniger.
Alle Chancen die ich unsere Beziehung gegeben hatte waren verloschen, ohne dass sich etwas verändert hatte. Klärende, offene Gespräche waren verpufft. Mir wurde bewusst wie unglücklich ich doch bin. Dazu die weiterhin andauernde Lügengeschichte, die seit dem Wochenende zwischen uns besteht. Über den Rand des Fasses triefen schon die ersten Tropfen. Dennoch bin ich bereit noch einmal von vorne zu beginnen, gerade weil es die letzten Wochen vor dem Vorfall recht gut zwischen uns lief. Andererseits lies mich das auch zweifeln. Obwohl zwischen uns alles ruhig verlaufen war, war es zu diesem Zwischenfall gekommen. Wie oft würden sie ihre Meinung noch ändern? Hatten sie mir das nur vorgespielt? Auch ich hatte meine waren Gefühle aus diplomatischen Gründen nicht öffentlich zur Schau gestellt. Wie kann man jemanden einschätzen, bei der jede Handlung von der gewohnten Linie um 180° abweichen konnte? Gab es überhaupt eine Linie?
Mit meinem Kopf voller Gedanken kam ich aufgrund des unglaublichen Verkehrs, etwas zu spät im AFS-Büro an. Die Verhandlungen waren bereits fortgeschritten. Dennoch durfte ich meinen Standpunkt noch erläutern. Aber das änderte nichts, die Strafe stand bereits. Wir hatten die Wahl: Direkt zurück nach Deutschland oder 6 Monate, also bis Ende des Jahres, kein weiteres Reisen. Eines der beiden Dokumente mussten wir unterschreiben, sofort.
In meinem Kopf ratterte es. Die einzige schöne Zeit, die ich zurzeit hatte, war das Reisen. Wenn mir auch das genommen werden würde, welchen Sinn hatte es noch hier zu bleiben.
Mit dem Bergaufstieg hätten wir etwas sehr Gefährliches unternommen, bei dem wir hätten sterben können. Schlimmer noch, ohne Erlaubnis des Büros. Das wir auch die Woche vorher ohne Erlaubnis La Paz verlassen hatten, war als absichtliche Bloßstellung des Büros verstanden worden. Sie waren in ihrem Stolz verletzt, was sie uns natürlich sagen wollten, man jedoch deutlich spürte. Gut, dass sie nichts von unserem Urwaldausflug wussten. Dies hätte unser Todesurteil bedeutet. Die Unverhältnismäßigkeit der Strafe ließ es zusätzlich in mir kochen. Nachhause zurück zu kehren stand für mich zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Dennoch war ich innerlich mächtig aufgewühlt. Keine Arbeit, unwohle Familienverhältnisse und nun auch noch Ärger mit der Organisation, bei der alle Fäden zusammen liefen. Zuerst war ich die gesamte Verhandlung ruhig geblieben und hatte mich reu- und demütig gezeigt. Aber gerade änderte sich meine Strategie. Wenn sie mich mit dieser Strenge behandelten, konnte auch ich energischer Auftreten. Zuerst wollte ich ein von mir unterschriebenes Dokument sehen, das mir explizit den Aufstieg auf einen Berg verbat. Es gab keines, obwohl man uns das weismachen wollte. Außerdem lehnte ich ab eine der beiden Optionen zu unterschreiben. Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, werde ich es auch nicht unterschreiben und man könne mir nichts anhaben, so mein Gedankengang. Und tatsächlich begann die Diskussion weiter zu gehen. So wurde eine weitere Mitarbeiterin zur Hilfe gebeten. Von ihr mussten wir ein weiteres Donnerwetter über uns ergehen lassen. Wir beharrten jedoch darauf, nichts zu unterschreiben. Nach langer, teilweise lauter Diskussion und abermaligen reumütigen Einlenken unsererseits, hatten wir zumindest ein Treffen mit dem Präsidenten von AFS-Bolivien erwirkt. Eine neue Chance die Strafe zu minimieren. Dennoch wurde uns mitgeteilt, dass dies wohl nicht ändern würde. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ziemlich geknickt verließen wir das Büro. Zur Ablenkung und Beruhigung gönnten wir uns ein Bier. Eigentlich hätte ich meine Familie heute zur Rede stellen wollen, doch in diesem aufgewühlten und aggressiven Zustand wäre das keine gute Idee gewesen. Um länger in der Stadt zu bleiben, verabredeten wir uns mit unseren Freundinnen.
Spät abends war ich zuhause, wo ich zu meinem Glück niemanden zu Gesicht bekam.

donnerstag, 6. juni

Um AFS Bolivien bei meinem Projektwechsel Dampf zu machen, schickte ich eine E-Mail zu AFS Deutschland. Dies war normalerweise nicht vorgesehen. Wenn ich jedoch seltsam behandelt werde und man es in 3 Monaten nicht schaffte einen Anruf bei einer anderen Stelle zu tätigen, konnte auch ich meinem heiß geliebten Büro in La Paz unangenehm werden.
Den Rest des Tages vertrödelte ich. Ich hatte einfach keine Lust auf irgendetwas.
Am Abend begann ich ein unverbindliches Gespräch mit meiner Gastmutter. Es ging über Belanglosigkeiten bis ich direkt fragte, warum ich seit Tagen angelogen werde. Ich erzählte von der Strafe und das ich wusste, warum AFS Bescheid wusste. Meine Gastmutter wich mir ständig aus und fing immer wieder an von ihrer Tochter in Deutschland zu erzählen. Auf diese Hinhaltetaktik hatte ich keine Lust mehr und wurde energischer. Als mir eine Antwort weiterhin verwährt blieb, und Ahnungslosigkeit gespielt worden war, die ich mit einigen Nachfragen als Flunkereien enttarnt hatte, wurde es mir zu viel. Das Gespräch verlief in die falsche Richtung. Ich wurde direkt und zog ein delikates Ass aus dem Ärmel. Es ging um ihre Tochter in Deutschland. Sie fühlte sich direkt angegriffen. Ich erklärte meine Situation und das sie verstehen müsse, warum ich ein wenig erbost war. Das Brodeln in mir hatte tatsächlich abgenommen, da ich merkte, dass ich am Gewinnen war. Auf einmal lief es total aus dem Ruder, meine Gastmutter geriet in Wallungen und konnte sich kaum beherrschen. Obwohl sie mich wenige Minuten vorher noch vorher angewiesen hatte, meine Emotionen wie ein Erwachsener besser im Griff zu behalten, war nun sie es, mit der es durchbrannte. Sie verließ zuerst das Thema, und dann wutschnaubend den Raum. Nicht um mir vorher noch etwas an den Kopf zu werfen. Das Tischtuch war wohl endgültig zerschnitten, wie man so schön sagte. Noch immer ruhig auf meinem Platz sitzend, konnte ich es mir nicht verkneifen eine gute Nacht zu wünschen. So schnell hatte ich sie noch die Treppe hinaufsteigen sehen. Wahrscheinlich war ich etwas gemein gewesen, andererseits war ich auch nicht gerade zu meiner Zufriedenstellung behandelt worden. Ich trank genüsslich meinen Tee aus und begab mich dann in mein Zimmer. Mittlerweile war auch meine Aufwühlung wieder in meinem Kopf angekommen. Was hatte ich gesagt, was hatte meine Gastmutter gesagt? War ich zu mies gewesen? Ein Stockwerk weiter unten ging die Diskussion ebenfalls weiter. Bis unter meine Decke drangen die teils erregten Wortfetzen. Zumindest für ein wenig Aufregung und Nachdenken hatte ich gesorgt, ob dies zielführend war, war eine andere Frage.

freitag, 7. juni – montag, 10. juni

Nach dem Aufstehen packte ich meine Sachen für das bevorstehende, verlängerte Wochenende mit den anderen Freiwilligen. Bis Montag würden wir zusammen in einem Haus leben, über unsere Erfahrungen und Eindrücke austauschen und unsere Wünsche für den Rest des Jahres vortragen.
Plötzlich wurde ich von meinem Gastvater zum Reden an den Küchentisch gerufen. Mein abendliches Gespräch hatte wohl Wellen geschlagen, die das harmonische Gastfamilienschiff ins Schwanken gebracht hatten. Ich hatte gehofft, dass mir nun endlich die Gründe für das Verraten erklärt wurden und ich hatte Glück. Erst einmal ging es jedoch über das Ansehen ihrer Familie und das ich keine Lügen über sie und ihre Tochter verbreiten sollte. Die Informationen, die ich hatte waren allesamt falsch und von mir ausgedacht. Meine Gastmutter merkte an, dass sie mir nicht länger gegenübersitzen könnte und es für mich besser wäre eine neue Familie zu suchen. Nicht undelikat der Vorschlag. Außerdem solle ich meine Emotionen besser im Griff haben und nicht sofort unüberlegt reagieren. Ein Beweis wie gut sie mich mittlerweile schon kennen gelernt hatten, aber ich akzeptierte ihre Aussagen. Sie sahen auch ein, dass es nicht die feinste Art war über meine Familie und Deutschland herzuziehen. Mein Gastvater spielte unaufgeregt den Moderator und ich war beeindruckt wie souverän er diese Rolle spielte, er betrachtete beide Seiten und ermahnte seine Frau sich nicht so aufzuführen. Er war es, der AFS direkt nach meinem Verlassen angerufen hatte. Er hatte Angst, dass mir bei meinem lebensgefährlichen Ausflug etwas passieren würde und er für mich haften müsste. Er hätte mir klar verboten nicht gehen zu dürfen. Warum man mich vor einer Woche nicht direkt aufgehalten hatte, wurde nicht erwähnt. Das seine Frau mir vorher die Erlaubnis erteilt hatte den Berg zu steigen wusste er nicht. Ebenso wenig wie seine Frau über seinen Anruf Bescheid wusste. Meine Strafe und schlechte Laune war also aus einem Kommunikationsproblem der Eheleute entstanden. Sie spielten so überzeugend, dass ich davon ausgehe, dass sie die Wahrheit sprachen. Die Fronten waren also geklärt und wir versicherten uns gegenseitig in Zukunft mehr miteinander zu unternehmen und zu kommunizieren. Weil bolivianische Versprechen jedoch so viel Wert haben, wie der Preis eines verfilzten Straßenhundes, machte ich mir nicht allzu viel Hoffnung. Mit der Zeit und einigen Enttäuschungen hatte ich hier gelernt, dass Worte häufig nur zum Füllen von sinnleeren Sätzen gesprochen werden, ähnlich nicht weniger deutscher Politiker.
Dann ging es los. Erst einmal fünf Tage außer Haus, die uns beiden wohl ganz gut taten. Trotz klärenden Gesprächs schwebte der große Krach zusammen mit der saftigen Strafe noch über meinem Kopf als ich am Treffpunkt ankam. Dementsprechend niedergeschlagen sah ich wohl auch aus. Freudig strahlend, als wäre nichts gewesen begrüßte uns, die Organisatorin. Zwei Tage zuvor hatte sie uns noch aufs Böseste zusammengestampft. Diese Wandelbarkeit der Menschen kann einem teilweise fast Angst einjagen. Dennoch gab es eine freudige Nachricht für mich. Nächsten Mittwoch würde ich mein neues Projekt beginnen. Was eine kleine Nachricht nach Deutschland so alles auslösen kann.
Man hatte uns mitgeteilt, dass unser Besprechungswochenende in La Paz stattfinden würde. Mit den Freiwilligen der anderen Städte hatten wir uns darauf gefreut, die Vorzüge der Stadt auskosten zu dürfen. Als wir allerdings nach eineinhalb Stunden Fahrt ankamen waren wir von dieser Seite La Pazes weiter entfernt, als meine Gastfamilie und ich von einer innigen Freundschaft. Alle waren etwas enttäuscht, denn das Einzige, was es hier zu geben schien war ein Dorfplatz mit kaputten Wippen. Wir waren in einem Vorort La Pazes untergekommen, der zwar eine schöne Herberge versprach, aber weitere Versprechen auf sich warten ließ.
Für mich war es wahrscheinlich der perfekte Ort um Abstand zu gewinnen und in Ruhe überlegen zu können. Nach dem leckeren aber überschaubaren Mittagessen widmeten wir uns kleinen Aufgaben und Gesprächsrunden und genossen die warme Sonne. Einen Vorteil hatte der Ort. Er war tiefer als das Zentrum gelegen, was man direkt an der Wärme, die einen umgab, spüren konnte. Wir unterhielten uns nett und hatten ausgiebig Zeit unsere Erlebnisse zu vergleichen. Zwischendurch wurden Teepausen eingelegt, kleine Aktionen erledigt, gegessen, Spaziergänge unternommen und sich wohl gefühlt. Außerdem war es das erste Mal seit langem in purer deutscher Umgebung, weswegen das Spanische teilweise zu kurz kam. Es waren sehr angenehme und entspannte Tage. Da alles mehr oder weniger gleich ablief, werde ich die nächsten Tage nicht genauer beschreiben. Für die, die Lust haben einen guten Eindruck über La Paz zu gewinnen, und die Möglichkeit besitzen einen Film zu erwerben empfehle ich „Cementerio de los Elefantes“, der uns am zweiten Abend die Tränen in die Augen trieb.
Das Gespräch mit dem Präsidenten blieb leider aus und wurde auf unter die Woche verlegt. Wir waren also immer noch hart bestraft.

dienstag, 11. juni


Gut erholt und emotional wieder in normalen Gewässern wurde gepackt und sich auf die Abreise vorbereitet. An dieser Stelle vielen Dank an unsere liebevollen Gastgeberinnen, die uns jeden Tag freundlich und gut gelaunt versorgten und dabei alle Köstlichkeiten Boliviens aufs Leckerste servierten. Nach den Abschlussfotos ging es wieder nachhause. Als ich ankam war niemand da und sollte ich ein wenig meinen verpassten Schlaf der letzen Tage nach. Dann begann ich einen Kuchen für meine Kollegen von Fundare zu backen, von denen ich mich noch nicht verabschiedet hatte. Abends gab es dann noch die Möglichkeit für ein wenig Smalltalk mit meiner Gastfamilie, bei dem man noch immer ein kleines Knistern zwischen uns spüren konnte. 

Dienstag, 18. Juni 2013

18. woche

mittwoch, 29.mai

Ich kann mich ans richtig faul sein gewöhnen.

donnerstag, 30. mai

Der Feiertag Corpus Christi bescherte mir keinen zusätzlichen freien Tag, da ich sowieso frei hatte. Mein Gastvater deutete mein zuhause bleiben der letzten Tage als Krankheit und warf mir vor, von jeder Reise infiziert zurück zu kommen. Ich solle vor der nächsten Reise einen Arzt aufsuchen, der mich durchchecken soll und nur mit dessen Einverständniserklärung dürfte ich reisen. Ich erklärte, dass ich bereits morgen wieder aufbrechen wolle, am Feiertag kein Arzt geöffnet hat, ich mich fit fühle, diese Woche nicht arbeiten müsse. Ob das in Ordnung sei fragte ich, sobald ich am Montag wieder in La Paz sein würde, würde ich mich durchchecken lassen. Kein Problem meinte er.
Anschließend begannen wir den Garten und die Küche auf ein Grillfest vorzubereiten.
Gegen 4 trudelten meine Gastoma und einige ihrer Freunde und Innen ein. Gegen sieben war das Mittagessen soweit. Ich unterhielt mich noch kurz mit den Gästen, half als es kälter wurde, Stühle und Tische in den sonst unbenutzten Keller zu tragen und ging dann auf mein Zimmer. Im Keller legten die mit Drinks nicht unterversorgten Herrschaften nun richtig los. Es wurde getanzt und laut gejauchzt. Schön wenn man die ältere Generation fideler als so manche jungen Paceñas sieht. Pünktlich um neun waren dann jedoch die letzten Reserven aufgebraucht und es ging für alle nachhause. Ich hatte derweil mein Zeug gepackt, denn morgen ging es los, meinen ersten 6000er zu besteigen.

freitag, 31. mai

Ich frühstückte, machte mich fertig, sagte am Schlafzimmer meiner Gasteltern tschüss und ging um kurz vor acht aus dem Haus. Aufgestanden war noch keiner, da im Winter, aufgrund zu kalter Klassenräume und Erfrierungsgefahr auf dem Schulweg, die Schule erst eine Stunde später begann. Was hier als Kälte empfunden wird, ist aber auch abenteuerlich. Zu keiner Zeit, nicht einmal nachts, gab es bisher Temperaturen unter 5°C. Nach einigen Wochen Vorfreude auf dieses Ereignis war ich total motiviert, zumal ich an jedem Wochentag der letzten Wochen an Langeweile und Nutzlosigkeit gelitten hatte.
Das der Ausflug nicht ganz legal war, da wir AFS nicht Bescheid gegeben hatten war zusätzlicher Nervenkitzel.
Im Büro des Reiseveranstalters angekommen, wurden Equipments ausgegeben und ausprobiert. Ich hatte Glück etwas in meiner Größe zu ergattern. Jacken, Hosen, Schuhe und Steigeisen machten zwar einen brauchbaren Eindruck schienen aber noch aus der Anfangszeit Reinhold Messners zu stammen.
Als alles in den Minibus geladen war, ging es los. Verpflegung würden wir noch billig unterwegs kaufen können, wurde uns mitgeteilt. An besagtem Laden angekommen, wurde schnell deutlich, dass wohl eine Kooperation zwischen Reiseveranstalter und Ladeninhaberin bestehen musste. Jedes Produkt war mindestens 10% teurer als in sonstigen Läden. Egal, Hauptsache es ging bald los.
Wir fuhren vorbei an der Berg- und Minenlandschaft, deren ausgeflossenen Mineralien die anliegenden Lagunen in alle möglichen Farben gefärbt hatten. Am ersten Basiscamp [auf ca. 5000m] stiegen wir aus. Vier AFS-Leute und ein Kanadierin, die momentan auf Weltreise war, hatten das Ziel am Sonntagmorgen zum Sonnenaufgang den 6088m hohen Huyna Potosi zu beklommen zu haben.
Das Haus war trotz seiner sehr bodenständigen Einrichtung, samt Matratzenlager, welches man wohl aus einem Kindergarten zusammen geklaut hatte, sehr gemütlich.
Nach einem kleinen Mittagessen, zogen wir los um in Ausrüstung zu trainieren. Nach einem kleinen Marsch kamen wir ans Gletscherfeld. Zuerst kraxelten wir mit Steigeisen auf dem Gletscher herum. Wenig später durften wir mit Eispickel bewaffnet unsere Künste als Eiskletterer beweisen. Dann war unser Schnupperstündchen auch schon vorbei. Wie ich mich aus einer Gletscherspalte befreien könnte oder bei anzunehmender Gefahr zu verhalten hatte, wurde wohl nicht als lehrwürdig erachtet. Ohnehin bezweifelte unser Guide, dass wir mehr als „amigos, vamos a la playa“ verstanden. Diese fünf Worte hatte er schon so oft wiederholt, dass wir schon darüber nachdachten, ihn bei abermaligem Erwähnen den Mund mit Coca zu stopfen. Wir verwarfen den Gedanken jedoch wieder, weil man nie wissen konnte, wie viel des Wunderblatts gegen die Höhenkrankheit wir selber benötigen würden.
Als wir an der playa, in diesem Fall Haus, angekommen waren, tranken wir erst Tee und aßen anschließend zu Abend. Dann versuchten wir auf unseren Winzlingsmatratzen mit Disneymotiven einzuschlafen, was aus zwei Gründen jedoch schwer fiel. Erstens rumorte es in unseren Bäuchen, dass sogar der ums Haus pfeifende Wind übertönt wurde. Und zweitens war es einfach nur kalt. Die professionellen, minustemperaturentauglichen Schlafsäcke, die man uns geliehen hatte, waren wohl dünner als das Fell eines geschorenen Lamas. Mit allen Kleiderschichten eingepackt, war es auszuhalten.
Nachdem erst ein anderer AFS-Freiwilliger und dann ich unseren Mageninhalt Pachamama serviert hatten, fanden wir letztlich unseren Schlaf.

samstag, 1. juni

Das aus einem eingefrorenen Fluss bestehende Bad vertrieb beim Hände- und Gesichtwaschen die letzte Müdigkeit aus den Gliedern und nach einem mehr oder weniger stärkenden Frühstück ging es zum Aufstieg zum nächsten Basispunkt. Auf dem Weg nach oben fühlten wir uns wie in den Alpen. Der Schwall an europäischen Sprachen, Menschen und Moden, der uns entgegen rauschte, machte es schwer zu glauben, dass wir uns etwas weiter südwestlich befanden. Andererseits würde man nicht so vielen wandernden Hipstern auf dem Weg zur Schrösenalm, oder anderer Alpenhütte begegnen.
Uns wurden zwei Schicksale mitgeteilt. Da gab es zum einen die, die vor Stolz platzen, den Riesen gemeistert zu haben und die anderen, die teils erst kurz vor dem Gipfel kotzend und höhenkrank umdrehen mussten. Unsere nächtliche Gabe an Pachamama lies uns jedoch zuversichtlich, den Berg schon genug überlassen zu haben, so dass er uns nun ohne weiteres passieren lassen würde.
Die Sonne strahlte wie verrückt und mit dem Gepäck auf dem Rücken waren wir froh, endlich verschwitzt an einem winzigen Häuschen angekommen zu sein. Wir studierten die zahlreichen Wandbeschriftungen im Innenraum des Hauses, die von vorherigen Besuchern angefertigt worden waren. Die in allen Farben, Größen und Sprachen verfassten lyrischen Werke erzählten ehrfurchtsvoll von der Kraft des Bergers oder deren Bezwingern, vom Meistern und Scheitern oder von heftig wütenden Darmwinden.
Nachdem wir unser Nachtlager mit noch gewöhnungsbedürftigerem Schlafmaterial als in der Vornacht hergerichtet hatten, aßen wir um 4 zu Abend. Es war recht wenig, da es wohl einen Organisationsfehler gegeben hatte. Mit fast leerem Magen legten wir uns in Mitten anderer Aufstiegswilliger schlafen. Da der Aufstieg heute Nacht um halb 2 beginnen sollte, lagen wir schon um fünf im Bett und das einschlafen fiel heute um einiges leichter. 

sonntag, 2. juni

Um 12 wurde gefrühstückt, und um eins ging es los. Als der Gletscher begann, wurde im Dunklen mit kalten Fingern die Ausrüstung angelegt. Amigos, vamos a la playa. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf und in zwei Seilschaften ging es den Berg hinauf. Es war völlig dunkel und nur die Kopflampen waren einen kleinen Lichtschein auf den eingetrampelten Schneeweg. Wir kamen nur langsam voran, da meine AFS-Mitwanderin nicht an die Höhenluft gewohnt war und so ständig Atemluftprobleme bekam. Wir hielten an warteten kurz und gingen dann weiter. Unsere Mitstreiter waren schneller unterwegs und schon bald sahen wir noch das Licht ihrer Höhlenlampen im Schnee reflektieren. Andere Gruppen, die später aufgebrochen waren, hatten uns schon überholt. Überhaupt war zu dieser frühen Stunde viel los auf dem Berg. Die ganzen Lichtkegel erinnerten an Glühwürmchen oder Pistenraupen, die sich in der Stille ihren Weg nach oben bahnten. Es eiskalt und nur das rhythmische Knirschen der Steigeisen durchdrang die Stille des ewigen Weiß. Als wir eine gewisse Höhe erreicht hatten, konnte man zwischen den Bergen die Lichter El Altos durchschimmern sehen. Auch die Sterne waren einen Anblick wert. Nachdem unsere Vorläufergruppe einige Male auf uns hatte warten müssen und wir wegen all der Pausen im Zeitplan weit zurück gefallen waren, keimten schon erste Aufgabegedanken in unserer Zweiergruppe auf. Ihre Kraft und Ausdauer würde, je weiter oben wir uns befänden, es noch schwieriger machen vorwärts zu kommen. Wir motivierten uns und sie kämpfte tapfer weiter. Als wir nach 3 Stunden hochstapfen, ewigen überholt werden, ihrem steigenden Kopfweh und ständigen Anhalten an ein Steilstück kamen, traf sie die Entscheidung, die getroffen werden musste. Es ging nicht weiter und wir mussten umkehren. Ich hatte Angst nicht zu meinem Gipfelerlebnis zu kommen, auf das ich mich so gefreut hatte. Ich spürte im Gegensatz zu ihr noch keine Höhenerscheinungen, was wahrscheinlich dem vielen Sport, den ich in La Paz und El Alto trieb, geschuldet war.
Zum Glück setzte gerade eine weitere Gruppe zum überholen an, die nach kurzen diskutieren bereit waren, mich bis zu den Vorreitern meiner Gruppe mitzunehmen. Ihr Guide kam mir viel professioneller vor und erklärte auch immer was wir zu tun hatten. Vor allem am ersten Steilstück, der einzigen kleineren Schwierigkeitsprüfung war das mehr als hilfreich. Noch immer war es dunkel und die kältesten Stunden begannen gerade zu wirken. Im Vergleich zum vorherigen Tempo sprinteten wir nun den Berg hoch, weshalb wir nach wenigen Minuten in Sichtweite mit den anderen kamen. Wir riefen, sie warteten und dann hatten wir sie eingeholt. Erneut wechselte ich die Seilschaft und war endlich mit den anderen AFSlern und der Kanadierin unterwegs. Wir waren mittlerweile so weit oben, dass wir die umliegenden Bergspitzen überblicken konnten. Hinter den sieben Bergen begannen die Nebel- und Regenwälder, auch La Paz und El Alto konnte man jetzt fast gänzlich sehen. Beeindruckend.
Es dämmerte, viel weiter unten stieg Nebel auf, hier oben war es wolkenlos und der Sternenhimmel verlor mit der Helligkeit seinen Glanz. Dieses nicht enden wollende Trotten erinnerte an das tranceähnliche Laufen im Dschungel, nur das dort die Luft eine angenehmere Temperatur besessen hatte.
Nach 5einhalb Stunden standen wir am letzten Kamm. Nun ging es noch einmal steil hoch und breit war der Weg auch nicht mehr. Erstmals kam der Eispickel gewinnbringend zum Einsatz. Beim Runterschauen könnte einem mulmig werden. Von der Höhe spürte ich zu meiner Verwunderung noch immer kein Bisschen, mein Kopf war voll einsatzfähig und auch die Lungen spielten noch voll mit.
Man konnte nun auch auf die andere Seite des Berges blicken. Der Titikakasee schien gar nicht weit weg und die Fernsicht war beeindruckend. Wir waren nach 6h eintönigem Laufen, endlich angekommen. Zum Jubeln war fast keine Kraft vorhanden, und ausgelassene Freudensprünge sollte man auf dem kleinen Plateau lieber unterlassen.
Wir schossen Fotos, stärkten uns mit unserem Siegerschokoriegel, bibberten in der Kälte und genossen die Rundumsicht, die mehr als beeindruckend war. Da die aufgehende Sonne sich unter der Bergspitze befand, warf der Berg einen unglaublich langen Schatten. Bis nach Peru erstreckte sich ein schwarzes Schattendreieck auf dem hinter dem Berg verlaufenden flachen Boden. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Wir waren die letzten auf dem Berg und machten uns, nachdem wir uns satt gesehen hatten zufrieden an den Abstieg. Durch die Sonnenstrahlung wurden Eis und Schnee immer weicher und wir wussten jetzt warum man den Aufstieg nachts wagen musste. Es ging zügig bergab. Nur kleine Pausen verzögerten die Ankunft an unserer Berghütte.  
6 Stunden Aufstieg standen am Ende zwei Stunden Abstieg gegenüber. Glücklich angekommen zu sein, entledigten wir uns unserer Spezialkleidung und packten unsere Sachen zusammen. Nach einem spärlichen Mittagessen sollte es dann losgehen.
Allerdings verzögerte meine Sonnenbrille die Aufbruchzeit. Ich hatte mich noch einmal auf der Plumpsklohütte eingefunden, die so zerbrechlich wirkte, dass man froh sein konnte, dass die oben erwähnten, häufigen Blähungen sie noch nicht in den Abgrund gepustet hatten. Als ich die Aussicht auf dem Höhenörtchen festhalten wollte, machte sich meine Sonnenbrille selbstständig und stürzte sich kopfüber in den gefrorenen Berg Touristenscheiße unter mir. Mist. Ich musste sie irgendwie retten, da sie nicht gerade billig gewesen war und ich sie nicht auf einem Plumpsklo in 5200m Höhe verloren wissen wollte. Kopfüber in der Schüssel konnte ich sie nicht mal sehen. Als ich darüber nachdachte über was sich mein Kopf gerade befand, musste ich mich fast übergeben. Ich riss mich aber zusammen um meine Brille nicht weiterem gekautem Material auszusetzen. Draußen erzählte ich von meinem Missgeschick und wurde prompt ausgelacht. Auch ich konnte nicht anders, trotz meiner Not war die Situation einfach zu seltsam.
Selbst mit Hilfe des Herbergsvaters schien die sonderbare Art von Bergrettung zuerst aussichtslos. Es gab keinen Ein- oder Ausgang der Jauchegrube. Ich wollte aber nicht aufgeben. Nach etwa 5min entdeckte ich eine Spitzhacke. Mit ihr hebelten wir drei Bodendielen aus und die Schatzsuche nahm wieder Fahrt auf. Im untersten Eck des Lochs hatte es sich meine Sonnenbrille bequem gemacht. Noch nie war der Begriff Reichweite so passend gewesen. Ich legte mich auf den Boden, beugte mich so weit es ging in braun-grünen Untergrund und fischte mit meinen Fingern das noch braunere Gestell aus seiner Umgebung. Die Rettung. Es konnte weiter gehen. Zum weiteren Abstieg verzichtete ich jedoch mein geliebtes Accessoire aufzusetzen.
Ich raste förmlich den Berg herunter, da ich so schnell wie möglich zuhause sein wollte. An der unteren Hütte angekommen gönnten wir uns erst einmal ein Siegerbier.
Nun hieß es Abschied nehmen vom Wayna Potosi und seiner Umgebung. Im kleinen Bus holperten wir über kleine Straßen in Richtung La Paz und ließen die Erlebnisse noch einmal durch den Kopf gehen. Im Zentrum angekommen musste ich eine weitere Stunde Fahrt auf mich nehmen um endlich zuhause anzukommen.
Ich hatte alles ausgepackt, mich geduscht und wollte mich gerade hinlegen um den verpassten Schlaf aufzuholen als jemand draußen meinen Namen brüllte. Vor der Mauer stand mein AFS-Freund und winkte aufgeregt. Er war normalerweise nie hier, weil er meine Gastfamilie hasste und das Haus vom Zentrum ewig weit entfernt war. Ich war mehr als verwundert. Es musste also etwas Ernstes sein, zumal wir uns erst vor wenigen Stunden noch gesehen hatten. Ich öffnete die Tür. Niklas, Mann, wir sind aufgeflogen! Wie? Was? Aufgeflogen? Stand er noch unter Einfluss der Höhe. AFS hatte mitbekommen, dass wir ohne deren Erlaubnis dieses Wochenende nicht zuhause verbracht hatten. Dies bedeutete Ärger.
Jemand hatte uns verraten und es war auch schnell klar wer. Irgendjemand aus meiner Gastfamilie hatte AFS Bescheid gesagt und verraten, dass ich nicht alleine unterwegs war. Am Telefon hatte unsere Betreuerin wohl sehr sauer geklungen und uns für Mittwoch ins Büro geladen. All die schönen Eindrücke des Wochenendes waren auf einmal dahin. Ich blieb zwar ruhig, da sich alles zum Guten entwickeln könnte, dennoch war ich von meiner Gastfamilie sehr enttäuscht. Leider konnten wir sie nicht direkt zur Rede stellen, da sie die Zeit schlafend im Bett verbrachten.
So fuhren wir in die Stadt, wo wir uns mit unseren Mitbesteigern auf ein Bier verabredet hatten. Außerdem wollten wir die Zeit nutzen, um unsere Ausreden mit den anderen Freiwilligen abzustimmen. Zumindest das Abstimmen klappte, wohingegen das Biertrinken ausfiel, da Sonntagabends wohl keine Bar geöffnet haben wollte. Frustriert und ungewiss ging ich nach Hause.
Am Küchentisch saß meine Gastmutter und wir unterhielten uns über das Wochenende. Auf die Frage, ob etwas Besonderes vorgefallen war, antwortete sie mit nein. Ach AFS hatte angerufen, am Mittwoch sollte ich zu einer Vorbesprechung zum anstehenden Halbjahrestreffen teilnehmen. Das am Mittwoch keine normale Besprechung anstand war uns beiden klar, aber ich war bereit das Spiel mitzuspielen. Wann würden sie mir mitteilen, dass sie angerufen hatten und aus welchem Grund.

montag, 3. juni

Noch immer hatte ich keine neue Arbeitsstelle und so konnte ich mich ganz darauf konzentrieren, wie das anstehende Gespräch wohl ablaufen würde. So langsam wurde mir bewusst, wie sehr mich das Verhalten meiner Gastfamilie doch annervte. Vor allem meine Gastmutter prieß ständig die Vorzüge einer bolivianischen Familie an: Loyalität, helfen bei Problemen, Zusammenhalt, direkte Kommunikation. Was sie im Gegensatz zu deutschen Familien zu sagen hatte, die sie aller höchstens aus Nebensätzen ihrer Tochter, die sich in Deutschland befand, heraus zu hören glaubte, möchte ich gar nicht wiederholen. Dennoch verpasste meine Gastfamilie auch heute, mich über ihren Anruf und etwaige Probleme, die sie wohl mit mir hatten, aufzuklären. Stattdessen zog meine Gastmutter über die Unzuverlässigkeit der Deutschen, deren Ungastfreundlichkeit und menschliche Kälte her, als hätte sie ihr halbes Leben dort verbracht. Es ging um kleine Organisationsprobleme mit denen sich ihre beiden Töchter, die eine gemeinsame Europareise geplant hatten, zurzeit herumschlugen. Selbst meine Eltern, die ihre Hilfe bei Visumsangelegenheiten angeboten hatten, bekamen ein ungenügendes Zeugnis ausgestellt. Vor zwei Wochen hatte sie sie noch in den Himmel gelobt. Mit Deutschen habe sie abgeschlossen und wolle mit ihnen nichts mehr zu tun haben, mit mir habe sie allerdings keine Probleme. Ich konnte ihr Gemotze nur schwer verstehen und war wohl an meinem ersten kleinen Kulturunterschied angekommen. Ob ihre Antipathie gegenüber Deutschen Anlass war, mich und meinen Kumpel zu verpfeifen? Da man sowieso nicht direkt mit ihr reden konnte, blieb dies nur ein Bauchgefühl. Nachdem ich mir weitere verwirrende Gedankengänge angehört und mich weiterhin zurück gehalten war endlich Bettzeit.

dienstag, 4. juni

Der Dienstag verlief wie der Montag, nur dass ich nachmittags etwas unternahm. Um aus der bedrückenden Stimmung des Hauses herauszukommen half ich einer Freundin bei der Appartementsuche.