Sonntag, 31. März 2013

acht wochen gehen schnell rum


mittwoch 20. märz

Abermals kann der morgen gerne übersprungen werden. Mit der ganzen Zeit, wollte ich einmal meiner mittlerweile zu langen Mähne zu Leibe rücken. Ob wohl ich mittags Zeit hatte, musste ich erstmal warten, bis der mir empfohlene Haarschneider um halb vier seine Mittagspause beendet hatte. Im ganzen Stadtteil machte ein plötzlicher Stromausfall wieder einmal klar, wie abhängig man doch mittlerweile von der Elektrizität ist. Da ich das schöne Wetter nutzen wollte, das hier im Gegensatz zu Deutschland herrscht [ich erzähle jetzt lieber nicht, wie es ist, um keine Eifersucht hervorzurufen], dachte ich mir, ich könnte den Weg zum Friseur auch zu Fuß gehen. Dort angekommen hieß es dann erstmal abwarten bis ich endlich an der Reihe war. Das dauerte. Damen wollten noch ihre Finger gemacht bekommen, ihre  Kinder sollten auch hübsch aussehen und zwei Jungs wollten unbedingt die komplizierte Frisur ihres Vorbildes. All das wurde von einem einzigen Beautyspezialisten erledigt, während eine Angestellte für das Haare waschen und eine andere für das Kassieren angestellt zu sein schien. Dann war auch ich dran, um mal wieder etwas Wolle los zu werden. Nach 4 Stunden außer Haus und 3€ weniger, es war ein teurerer Friseur, war ich dann sogar wieder zuhause. Strom gab es immer noch keinen. Es wurde kurz mit Gästen geplauscht und Bemerkungen über meine Frisur gemacht, Militär war glaube ich die beliebteste Bezeichnung. Um zehn wollte ich dann auch mal zu Abend essen. Wie aus heiteren Himmel fiel meiner Mutter ein, die den ganzen Mittag nichts zu tun hatte, dass man doch noch 5kg Mais für den morgigen Nachtisch durch den Fleischwolf drehen müsste. Dabei wurde so langsam gedreht, dass wir eineinhalb Stunden mit der Arbeit beschäftigt waren. So standen wir also zu viert um den Fleischwolf und schauten dem Mais beim zerpresst werden zu. Unglaublich wie viel Flüssigkeit aus einem Maiskorn heraus kommen kann, wahrlich spannend. Eigentlich wollte ich mal wieder früher schlafen gehen, aber wie so oft... Währenddessen wurde mir in ihren Gesprächen, wieder das widersprüchliche Denken meiner Familie klar, Beispiele habe ich schon verdrängt. Um elf wurde dann sogar noch gegessen. Und der Tag an dem ich bestimmt am meisten gewartet hatte war vorbei.

donnerstag, 21. märz

Heute ging es ausnahmsweise morgens nicht ins Büro, sondern in die Hauptstelle von AFS Bolivien. Seit dem Spanischkurs war ich das erste Mal hier und mir wurde wieder einmal bewusst, wie schnell die Zeit vergeht und dass ich mittlerweile schon 4 Wochen in meinem Projekt mehr oder weniger arbeite. AFS wollte von uns wissen wie es uns so [er]geht und hatten dazu extra eine Psychologin eingeladen, die anhand von bestimmten Aufgaben heraus finden wollte, wie wir ticken und ob wir irgendwelche Probleme mit uns herum tragen. Wir saßen also wieder auf den weißen Plastikstühlen des Versammlungsraums und sollten zu allererst die guten und schlechten Seiten Boliviens und unseres Projekts aufschreiben. Die nächsten Aufgaben forderte da schon etwas mehr heraus. Zeichne eine Person, und zeichne dein Weltbild. Irgendetwas wollte sie aus diesen Zeichnungen heraus lesen. Sollten sich irgendwelche Fragen ergeben, würde sie sich bei uns melden. Obwohl meine Zeichnungen relativ gruselig und seltsam aussahen, hatte ich anscheinend bis jetzt Glück und wurde von einem Anruf verschont. Bin wohl doch noch normal. Nach 2 Stunden hatte der Spaß sein Ende und wir Freiwilligen gingen noch gemeinsam etwas essen um über uns über unsere ersten Wochen auszutauschen. In einem gemütlichen Restaurant aßen wir für ca. 2€ ein leckeres dreigängiges Menü und schmiedeten Pläne für die Zeit ab Mai, ab wann wir endlich alleine Reisen dürfen.
Nach dem Mittagessen traf ich mit der AFS-weltwärts-Koordinatorin um mich über Projektwechselmöglichkeiten oder konkrete Vorgehensweisen zu mehr Arbeit zu erkunden. Das Gespräch verlief sehr konstruktiv. Ich solle mich noch einmal genau über die Zukunftsmöglichkeiten des Projekts erkunden, etwas Ursachenforschung betreiben und gerne offensiv Vorschläge zur Verbesserung der Lage machen. Vor allem solle ich initiieren genaue Pläne des Projekts zu erstellen, damit man absehen könne, welche Aktivitäten wann und wie häufig stattfinden, da ich der Meinung bin, dass es vor allem an Organisation und Struktur in diesem Laden fehlt. Bis jetzt war ich mir unsicher, ob ich solche Schritte selber angehen dürfte, ohne jemanden der Angestellten zu kränken. In diplomatischen Ton und mit Geduld sollte ich versuchen, das Abgesprochene anzubringen. Außerdem handelten wir eine dreiwöchige Frist aus, bei der wir über weitere Schritte nachedenken wollten, wie z.B. der Wechsel des Projekts, sollte keine Verbesserung eintreten.
Zufrieden, mit neuer Hoffnung und topmotiviert ging ich anschließend ins Büro und grübelte über konkrete Pläne nach. Leider war der „Chef“ nicht anwesend, weswegen ich mir meine Fragen bis morgen aufheben musste. Zur Abrundung des Tages ging es dann noch zum Fußballspielen. Wieder im Park der Stadt, diesmal allerdings nicht auf dem geliebten Beton, sondern auf Kunstrasen, was sich auch gleich am Geldbeutel bemerkbar machte. So kostet eine Stunde Beton 1 Boliviano pro Person, also ca. 10cent, während eine Stunde Kunstrasen mit 10 Bolivianos, also 1€ zu Buche steht. 200 Bolivianos pro Stunde, für ein nicht mehr ganz taufrisches Fußballfeld ohne Umkleide und Dusche, finde ich im Vergleich zu sonstigen Preisen hier recht hoch. Ein weiterer Punkt an dem einen die Ungleichheit Boliviens auffällt. Weiterhin leben 27% der Bevölkerung in extremer Armut. Vom gleichen Geld, mit dem ich Fußballspielen ging, müssen andere ihre Familie am Tag durchbringen. Für Statistikfans der aktuelle Armutsbericht Boliviens.
Natürlich besitzt man diese Zahlen im Hinterkopf und es ist mir fast unangenehm für „soviel“ Geld Fußballspielen zu gehen. Dennoch hat es heute Spaß gemacht. Ein produktiver und zufrieden stellender Tag ging so zu Ende und ich hoffe, dass die nächsten Tage so weiter geht. Planen kann man das leider nie und hier schon gar nicht.

freitag, 22. märz

Im Büro bekam ich auf Anfrage, eine Menge Infomaterial über das Projekt. Präsentationen, Zahlen der letzten Jahre und Erfolgsberichte, die ich gleich begann durchzulesen. Aufgrund der Fülle der Materialien nahm ich mir fürs Wochenende vor, alles durchzulesen oder auszudrucken und in der nächsten Woche während der Arbeitszeit zu bearbeiten. Da außer Lesen nichts anstand, was ich auch zuhause erledigen konnte, war ich mal wieder mittags zuhause. Die WM-Quali stand an und als großer Fan kam ich sogar in den Genuss, Deutschland - Kasachstan live im Fernsehen zu verfolgen. Direkt im Anschluss war es ein Pflichttermin, mit meinem Gastbruder und seinen Freunden Boliviens 0:5 Abschlachtung gegen Kolumbien im Fernsehen zu schauen. So schlecht hatte ich sie ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Die Chance, dass es bei der nächstjährigen WM ein Spiel mit bolivianischer Beteiligung geben wird, ist ungefähr so groß, wie das Coca in Deutschland legal wird.
Die Sonne, die trockene Luft, das Nachdenken und die beiden Fußballspiele hatten mich müde gemacht, weswegen ich schon um !sieben! im Bettchen träumte.

samstag, 23. märz

Ausgeschlafen und voller Tatendrang ging es ins Wochenende. Eigentlich wollte ich um 10 im Schwimmbad sein, wo ich mich mit einer anderen Freiwilligen verabredet hatte. Am Schwimmbad angekommen, musste ich mir um Schwimmen zu dürfen erst einmal eine Badekappe kaufen, die auf meinem Kopf doch etwas ulkig aussah. Das Schwimmbad, das aus einem Becken besteht war gut gechlort und gut gefüllt. Kinder planschten und gröhlten im 30cm Nichtsschwimmerbereich, auf einer Bahn übte ein Schwimmclub und auch die übrigen Gäste schwommen kreuz und quer durchs Becken, weswegen flüssiges Bahnenschwimmen schwierig fiel. Aber auch die Luft, die Höhe und das monatelange Nichtschwimmen machten mir ganz schon zu schaffen. Japsend saß oder hing ich häufiger am Beckenrand. Bei einer schnellen Kraulrunde, schlug ich einer Frau, die quer durchs Becken geschwommen war und ich nicht registriert hatte, so stark auf den Kopf, dass ich Angst hatte, sie müsste gleich untergehen. Aber alles halb so wild. Es hatte ihr anscheinend nicht einmal wehgetan, was ich bezweifelte, weswegen ich mich bei jedem Vorbeischwimmen bei ihr entschuldigte.
Als wir unseren Soll erfüllt hatten, gingen wir noch gemeinsam frühstücken und waren beide erstaunt, dass man zwei Fruchtshakes und vier große Gebäckstücke für 2,50€ in einem Café bekommen konnte. Nachdem wir uns ausgetauscht hatten ging ich wieder nachhause, wo wieder Küche putzen auf dem Programm stand. Dann fuhr ich zum Haus des anderen Austauschschülers, was, obwohl es in der gleichen Stadt liegt, 2 Stunden dauern kann. Dort angekommen half ich seiner Mutter bei der Küchenarbeit und unterhielt mich mit ihr. In unserem Gespräch fiel mir wieder ihre völlig andere Wahrnehmung im Vergleich zu meiner Gastmutter auf. Während wir uns hier über Armut, deren Ursachen und mögliche Bekämpfung unterhielten, wäre das zuhause nahezu unmöglich gewesen und wäre schnell auf ein Gespräch über die Familie umgeschlagen. Wir aßen zu Abend, dann trafen sich der andere Freiwillige und ich, mit anderen weltwärtslern, die schon seit einem halben Jahr in La Paz im Einsatz waren. Wir tauschten uns über Erlebnisse und Reisen aus und gingen anschließend noch tanzen. Kaum auf der Tanzfläche wurde uns Gringos direkt ein Kilo Gras angeboten, was wir, obwohl des günstigen Preises von 40€, ablehnten. Ein sehr netter Abend und ein netter Tag gingen zu Ende. Nach einer seltsamen Taxifahrt war ich wieder zuhause und ging zufrieden ins Bett.

sonntag, 24. märz

Heute hieß es früh aufstehen um rechtzeitig zu einem Schulevent meines Bruders zu kommen. Spätestens 0730 Abfahrt. Sonst kommen wir zu spät. Logischerweise war ich als einziger zu diesem Zeitpunkt abfahrtsbereit. Alles zögerte sich heraus, und gerade als ich mir ein Müsli gemacht hatte, wurde plötzlich wild gehupt und „Niklas wo bleibst du denn wieder“ gerufen. Herrlich. Um 0825 fuhren wir dann tatsächlich los. Da in 5min das Event losging, musste der vorherige Zeitverlust natürlich mit Rasen ausgeglichen werden. Selbst mit Geländewagen ist das kein Spaß bei hießigen Straßenverhältnissen. Angekommen konnte jeder an den Spuren auf meinen T-Shirt ablesen, dass ich während der Fahrt Müsli gegessen hatte.
Bei dem Event handelte es sich um eine Sportveranstaltung der Schule, die mit lauten Getöse einer olympischen Einlauf nachempfunden war. Auch ich hatte, vor lauter Scham über alle Eltern die ihre süßesten mit ihren iPads filmten, fast einen Einlauf. Es ging größtenteils um sehen und gesehen werden und alle hatten sich dementsprechend in Schale geworfen. Ich musste wieder an das gestrige Gespräch über Bildung und Chancengleichheit mit der Gastmutter des anderen Freiwilligen denken und konnte mich bei diesem Anblick nicht wohlfühlen. Eine Schule, die pro Kind monatlich 200€ kostet, mehr als manchen Familien monatlich zu Verfügung steht, kann ich nicht verstehen. Selbst der gerne genannte Vorzug, mit Kindern der Minister oder bekannter Großunternehmer in einer Klasse zu sein, lässt mich diese Summe nicht akzeptieren. Dieses Anbiedern und zeigen was ich habe, habe ich nicht als Ziel meines Auslandeinsatzes gesehen. Aber dies ist nur meine Meinung und jeder kann gerne eine andere vertreten. Das Einlaufen der ganzen Klassen dauerte ewig und das Maschieren und Schreien der Zeremonie erinnerte mich eher an eine Millitärparade. Der anschließende Tanz ließ mich an American Highschoolkitsch denken. Um die Schüler erst Recht zu motivieren hielt, der Kapitän der legendären Fußballauswahl, die sich als einzige Boliviens 94 für die Weltmeisterschaft qualifiziert hatte, eine Rede. Als sich der Applaus gelegt hatte konnte er mit seiner sehr patriotischen und „Kinder-ihr-dürft-nicht-aufgeben“-Rede beginnen. Dann konnte Olympia losgehen. Die Olympiade bestand aus drei Sportarten: Fußball, Futsal und Basketball – den klassischen Sportarten schlechthin - die schon bei den Alten Griechen die Massen begeisterten.
Weil bekanntlich nur eine begrenzte Anzahl an Spielern auf dem Feld sein darf, musste mein Bruder leider zuschauen. Anscheinend war er beleidigt. Denn anstatt dem Spektakel weiter beizuwohnen, gingen wir kurz nach der Eröffnungsfeier zurück Richtung Auto. Vielleicht hatten auch einfach alle Hunger. Mein T-Shirt hatte diesen Morgen ja mehr zu sich genommen als der Rest der Familie. Anstatt etwas Essbares zu finden, fuhren wir wieder Richtung Heimat. Wir machten Halt an einer Kirche, vor deren Türen tummelten sic Gläubige, bettelende Leute und Damen, die komisch geflochtenes Grünzeug anboten. Die Kirche war so voll, dass man gar nicht hinein sehen konnte, weil bis nach draußen angestanden wurde. Ärmlichst aussehende Damen hielten mir ihre offenen Hände hin, ich hatte allerdings nichts zum Geben dabei. Außerdem handelt es sich bei diesen Señoras um alte Frauen aus einer bolivianischen Provinz, die von ihren Familien mit alten Klamotten und kleinen Kindern, manchmal sogar Babys, ausgestattet werden, um in den großen Städten, an den belaufendsten Straßen zu betteln.
Um mich herum hielten alle diese seltsamen Pflanzengebilde in der Hand, da erkannte ich, dass es sich um geflochtene Palmblätter handelte. Natürlich es war Palmsonntag. „La semana santa“ – die heilige Wochen wurde eingeleitet. Man konnte kaum etwas verstehen und auf einmal verließen die Leute die Kirche. Der Gottesdienst war zu Ende, ich hatte mir meinen ersten bolivianischen Gottesdienst ein wenig anders vorgestellt.
Es ging weiter. Mit dem Auto begann eine Odysee durch die Stadt, wir waren auf der Suche nach einem Restaurant. Da sich nicht entschieden werden konnte, wo es hingehen sollte, und teilweise laut diskutiert wurde, waren wir ca. eineinhalb Stunden mit dem Auto unterwegs, nur um letztendlich doch am Standardlokal anzukommen. Jetzt hatte auch ich wieder Hunger und die Erdnusssuppe wird definitiv in mein bolivianisches Kochbuch mit aufgenommen, ebenso wie das Rezept für Ochsenzunge. Eine bolivianische Mahlzeit besteht traditionell aus einem kleinen Salat, gefolgt von einer Suppe, einem Hauptgang und einem kleinen Nachtisch.
Nachdem wir gegessen, ging es wieder nachhause. Um die schöne Sonne zu genießen und eine bessere Aussicht zu haben, fuhr ich die 30-minütige Strecke stehend auf der Ladefläche durch La Paz. Es ist ein wahres Freiheitsgefühl, auch wenn man von allen Seiten seltsam beäugt wird.
Nachmittags ging’s zum kicken. Natürlich hatte der Organisator keinen Platz reserviert, weswegen wir wieder mit Beton und Maschendrahttoren Vorlieb nehmen mussten. Wäre auch spaßig gewesen, hätten wir einen Ball gehabt, aber den hatte natürlich auch niemand dabei. Eine halbe Stunde später hatte jemand einen besorgt. Etwas austoben machte Spaß.
Wie immer fuhren wir danach zu zehnt in einem Fünfsitzer zum Supermarkt, kühle Getränke trinken. Zudem saß ein paarungswilliger Hund mit im Auto, der Bild im Auto umher hüpfte und versuchte möglichst jedes Bein, oder was sich sonst so bewegte zu begatten. Irgendwann roch es im Auto nach faulen Eiern und wir 10 Jungs kamen typischerweise nicht mehr aus einem Lachkrampf heraus. Mit diesem befreienden Erlebnis war für mich die Woche beendet.

montag, 25. märz

Wie jeden Montag ging es zum einsammeln in die Urbanisation „Las Retamas“. Heute musste ich alleine ran. Das hieß, Karren schieben, hupen und gleichzeitig mit dem Megafon Ansagen machen. Die Woche war wieder fleißig gesammelt worden, weswegen ich ganz schön zu schieben hatte. Es ist auffallend, dass nicht alle Nachbarn teilnehmen, sehr wohl aber aus dem Fenster gucken. Aber sobald man selber hoch schaut, sich die Gardinen schließen. Wir besitzen mittlerweile so etwas wie Stammkunden, die sich auf die Sticker für ihre erbrachten Materialien freuen und voller Tatendrang auf uns zu stürmen.
Nach getaner Arbeit und einem Saft, aus Wasser und Weizenkörnern im Haus der Organisatorin ging es ins Büro. Ich hatte mir über das Wochenende weitere Gedanken über das Projekt gemacht und wollte diese heute besprechen. Der Chef war allerdings nicht da oder höchstens für einige Minuten anwesend. Ich wartete. Zusammen mit den Kollegen schauten ich Internetvideos an, keine sehr soziale Tätigkeit. Den ganzen Nachmittag tat sich nichts und so begab ich mich gegen sieben auf die schwierige Suche nach einem Minibus nachhause.
Zu den Stoßzeiten, das heißt Beginn, Mittagspausenanfang und –ende und Ende, die in jedem Büro zur fast der gleichen Zeit liegen ist es immer schwierig einen freien Platz zu finden. Man muss auch mal eine halbe Stunde warten oder die Straße so lange hinauf gehen, bis die Busse noch leerer sind. Speziell rund um das Zentrum, wo ich arbeite ist es besonders schwierig.

dienstag, 26. märz

Seit ich angekommen bin warte ich auf diesen Tag. Das Fußball-Qualifiaktionspiel Bolivien gegen Argentinien in La Paz. Schon früh habe ich gefragt, wo und wann man denn Karten kaufen könne. Immer wurde mir gesagt, dies sei nur am Tag des Spiels möglich, wie eben üblich. Nun hatte der Verkauf doch schon freitags begonnen und alle Karten waren weg. Mein Gastvater warf mir vor, ich sei schlafmützig gewesen, weil ich mich nicht früher drum gekümmert hätte. Dabei hatte ich mindestens 3mal die Woche nachgefragt, wie ich am besten Karten kaufen könnte. Am Tag des Spiels erzählte er mir, dass man für Nationalmannschaftsspiele ständig Karten kaufen könnte. Na toll. Ich kam mir etwas verarscht vor, Entschuldigung für die Ausdrucksweise, aber ich hatte ein Problem, nämlich keine Karte. Er würde mir welche besorgen. Treffpunkte wurden ausgemacht. Sehr kompliziert. Viele Leute kaufen mehrere Karten um diese dann am Spieltag zu höheren Preisen vor dem Stadion zu verhökern, einem dieser Verkäufer würde er welche abkaufen.
Ich ging ins Büro, wo ich endlich über Änderungen sprechen wollte. Vorsichtig fragte ich nach und wurde mit neuem fertigen Infomaterial abgespeist, welches ich mir durchlesen solle. Es kommt mir mittlerweile etwas komisch vor. Keine persönlichen Infos des Chefs, höchstens weitere vorformulierte Broschüren, wobei auch er nichts Ernsthaftes zu hat. Bei der Studie dieser Unterlagen fiel mir auf, wie viel weniger im Projekt seit 2 Jahren geschieht, was ich aber schon mündlich erfahren hatte. Die Zahlen suggerieren aber auch, dass wir mit mehren  Partnern als vor zwei Jahren zusammenarbeiten, komisch, dass ich diese nie zu Gesicht bekomme und meine Mitarbeiter wohl auch nicht, da sich selten Leute ins Büro verirren.
Viele Partner hätten uns verlassen, wurde mir mündlich mitgeteilt und auch ich war schon auf einigen Auflösungen dabei. Aus der Statistik werden sie wahrscheinlich nicht gestrichen, damit es weiter nach guten Zahlen aussieht.
Zwei Präsentationen, die für Halbjahrestreffen mit Sponsoren gefertigt wurden sind ebenso fast denkungsgleich. Eine von Ende 2009 und die andere von 2012. Selber Bilder, selbe Reihenfolge, andere Jahreszahlen. Ob die überarbeiten Statistiken stimmen? Irgendwie kommt mir das ganze komisch vor. Ich weis nur eins, dass ich fast nichts zu tun habe und man diese Entwicklung schon seit 2 Jahren in rapide zurückgehenden Einsammlungszahlen erkennen kann. Jetzt muss ich nur noch die Gründe hierfür rausfinden und dann mit den Anderen versuchen eine neue Strategie auszuarbeiten, was bestimmt Spaß machen wird und dem sinnvollen Projekt neue Flügel verleihen könnte. Ich bin motiviert.
Dennoch fragte ich direkt, wie es denn mit Plänen aussehe und wann es wieder mehr Arbeit geben würde. In einigen Monaten, nach der Regenzeit, war die sehr präzise Antwort meines Chefs. Mal sehen.
Zur Mittagspause traf ich mit zwei anderen Freiwilligen, die auch das Spiel sehen wollten und extra dafür nach La Paz angereist waren. Wir tauschten uns über unsere Erfahrungen und Erlebnisse aus.
Dann ging es los zum Stadion. Ein riesiger Bereich um das Stadion war abgesperrt. Es kam mir vor, als ob sich alle Händler der Stadt um das Stadion versammelt hätten um von Gemüse bis Fanhüten alles zu verkaufen. Man sah ungewöhnlich viele Gringos auf einmal. Keiner wollte sich also dieses Spiel entgehen lassen. Ich fragte die Verkäufer nach den Preisen für die Tickets. Ein Kurventicket hätte am Schalter 70 Bolivianos gekostet, sehr viel für Bolivien. Zu dieser Stunde wurden sie zu 75-80 angeboten, mehr als in Ordnung. Ich ärgerte mich gerade, dass ich nicht selber die Tickets gekauft hatte, sondern meinen Vater beauftragt hatte, für den Geld bei solchen Beträgen keine große Rolle spielt. Ich wartete meine Gastschwester und meinen –bruder, sie hatten die Tickets. 40min Stillstand, dann kamen sie an. Wir gingen ins Stadion. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn war noch nicht viel los, typisch bolivianisch. Aber immerhin gab es heute nummerierte Sitzplätze. Da war er. Einige Tage nach Ronaldinho konnte ich Messi sehen. Und mit ihm die anderen argentinischen Stars. Die Argentinier hatten Respekt vor dieser Partie, vor allem vor der unangenehmen Höhe. 2009 hatte man gegen Bolivien mit 6:0 verloren, eine Schmach, die möglichst vermieden werden sollte.
Während des Spiels merkte man den Weltstars die Probleme mit der Höhe deutlich an. Messi schlich über den Rasen, konnte sich zwar einige Male gekonnt gegen 4 Gegenspieler durchsetzten, verlor dann aber die Puste. Auf den Rängen war es für 45 000 furchtbar ruhig. Irgendwie erscheinen mir die Bolivianer oder zumindest die Paceños [die Lapazanesen] als weniger feurig als man sich im Allgemeinen Südamerikaner vorstellt. Selbst kurz vor Schluss kam kaum Stimmung auf, als man die Chane hätte 2:1 zu gewinnen und in der Qualigruppe Boden gut zu machen. Das Spiel endete 1:1, es war schön anzusehen. Allerdings hatte ich mir vor allem von der Stimmung mehr erhofft. Messi bekam nach dem Spiel und Kotzanfall Besuch des bol. Präsidenten Evo Morales, der ihm einen roten Poncho als Gastgeschenk übergab. So viel zum Starstatus von Fußballern.
Gegen späten Nachmittag war die Partie beendet. Wir kämpften uns durch den Dschungel an Verkaufständen vorbei, Richtung Hauptstraße. Ein weites Stück, noch dazu im gemächlichen Bummeltempo, in dem fast alle Paceños täglich die Straßen lang schlendern. Mein Gastbruder wollte außerdem an vielen Orten anhalten und etwas kaufen. Milchshake mit Früchten und 6 Esslöffeln Zucker pro Glas, Pfirsiche und… Nach mehr als einer Stunde hatten wir die Straße der Busse erreicht. Weil jetzt Feierabend war und alle Stadiongänger auch einen Bus suchten, dauerte die Warterei weiter an.
Endlich zuhause ging die Suche nach Abendessen wieder los. Welcher Imbiss sollte es sein. Selbst das Rumgeblödel unter Geschwistern konnte die lange Stillephase nicht überbrücken. Warten. Um kurz vor halb elf waren wir zuhause und aßen das Mitgebrachte.
Ein wartungsreicher, dennoch schöner Tag, voller Eindrücke ging zu Ende, ebenso die Woche. Mein Gastvater hatte die Karten übrigens für 110 gekauft, mehr als 50% Aufschlag, ich hatte es mir fast gedacht. Aber das war jetzt auch egal.

sieben wochen in den anden


mittwoch, 13.März

Fast schon natürlich gab es auch mittwochmorgens nichts anderes zu tun als für drei Stunden im Büro aufzukreuzen um sich dort erfolgreich die Zeit zu vertreiben, natürlich ohne großen Effekt auf soziales Engagement. Ernüchtert ging es nachhause, immerhin gab es heute wieder ein Champions League Spiel sehen und zu allem Überfluss trat kurz vor Spielbeginn auch noch der neue Papst in Rom auf den Balkon und grüßte huldvoll die jubelnden Mengen. FRANZISKUS I, also der erste südamerikanische Papst. „Wir sind Papst“, so ähnlich wurde das hier auch skandiert, nun war ich es also schon zum zweiten Mal, was nicht viele von sich behaupten können. Man hatte zwar eher mit einem Brasilianer gerechnet, aber auch durch diese Wahl fühlte man sich hier, endlich für all sein Glauben belohnt, obwohl die „Gauchos“ in Bolivien und im Rest Südamerikas nicht das beliebteste Volk sind. Radiosender und Fernsehstationen berichteten wie wild vom „Papa Americano“. http://www.youtube.com/watch?v=89hScBgBXds
Meine Gastmutter berichtete mir ganz stolz, dass Franziskus ebenso Jesuit sei, wie der Gründer der San Ignacio Schule, auf die meine Geschwister gehen. Nach 2 Tagen spätestens hatte sich der Trubel eigentlich schon wieder gelegt.

donnerstag, 14. März

Donnerstagmorgens war es in der Arbeit erneut sehr ruhig, um das ganze vorsichtig auszudrücken. Da nichts tun bekanntlich müde macht, wurde nachdem ich mittags zuhause war erst einmal eine kleine Siesta betrieben um abends für die Copa Libertadores Partie der Tigres aus La Paz fit zu sein. Es ging gegen keinen geringeren als den brasilianischen Verein Atletico Miniero, den aktuellen Verein des ehemaligen Weltfußballers. Einer meiner Arbeitskollegen, der fanatischer THE STRONGEST Fan ist [wie die Tigres eigentlich heißen] hatte mich eingeladen, doch mit ihm und seinen Freunden, die Mannschaft beim Sieg zu unterstützen. Wir trafen uns also vor dem Eingang zur Curva Sur, der Südkurve und Fanblock der STONGISTAS. Wir waren für bolivianische Verhältnisse sehr früh vor Ort und so blieb noch genügend Zeit für Vorbereitungen, wie Luftballons aufblasen und Papierschnipsel reißen. Dann war es soweit. Der große Ronaldinho betrat den Platz. Die Tage zuvor hatte er die Ehrenbürgerschaft La Paz erhalten und mit ihr, Geschenke aller traditionellen, bolivianischen Gegenstände. Sogar die gegnerischen Spieler zollten ihrem großen Idol Respekt und keiner wollte auf eine Umarmung und ein kleines Gespräch beim Händeschütteln vor Spielbeginn verzichten. Selbst als die Partie begonnen hatte, konnte man sich nur wundern, warum keiner sich traute einen Zweikampf mit dem mittlerweile etwas rundlicheren Ex-Weltfußballer zu bestreiten. Es ging sogar soweit, dass ein Tigresspieler den Ball statt zu klären ins eigene Tor schoss. Es wirkte fast so, als sollte dies ein Geschenk an den göttlichen Brasilianer mit Pferdeschwanz sein, der hinter dem Eigentorschützen einschussbereit auf den Ball wartete. Den Brasilianern war die Höhe deutlich anzumerken, doch auch ohne Bewegung war es ein Leichtes die unkreativen Tigres vom Tor fernzuhalten. Verglichen mit einer europäischen CL-Partie, wie am Vortag im Fernsehen, liegen Welten. Alles geschieht langsamer, gemächlicher und weniger durchdachten, taktischen Feinheiten. Das Spiel wurde leider 2:1 verloren. So genug von meiner Spielbetrachtung, ein Stenogram samt taktischer Analyse kann ich den Interessierten gerne persönlich schicken. Nach Partieende war es ein Chaos ein Transportmittel zu finden, da es leider viel zu wenige gab und zudem keines in meine Richtung. Nach 40min Wartezeit hatte ich dann einen Taxifahrer überreden können, mich für einen angemessenen Preis nachhause zu fahren. Er war sehr gesprächig, erzählte mir von seinem Land, seinem Leben, seinem Beruf und von den schönsten Frauen der Welt, den Cholitas. Er bot mir an, ob ich nicht auch eine kennen lernen wollte, ich bezeugte ihn in seinem Denken von den schönsten und freundlichsten Frauen, lehnte aber dankend ab. Von allen Fahrten bis jetzt und das waren einige, war dies bestimmt die witzigste. Glücklich, dass aus dem Tag doch noch etwas geworden war ging ich Bett.

freitag, 15. märz

Die nicht vorhandene Arbeit brauche ich gar nicht zu erwähnen und so springe ich zur Heimfahrt, bei der ich von meiner Gastmutter auf halber Strecke eingesammelt wurde. Da ihre Tochter, die für ein Jahr in Deutschland zur Schule geht, Probleme mit ihrer Gastfamilie hat, sollte ich als Dolmetscher fungieren und heraus bekommen, was an den Geschichten ihrer Tochter dran sei. Außerdem sollte ich bestimmte Nachrichten, die sie mir aufgeschrieben hatte vermitteln. Ich saß also zwischen den Fronten und einige Sachen, die ich aufgeschrieben bekommen hatte, waren so naiv formuliert, das sie bestimmt nicht zur Deeskalation der Sache beigetragen hätten, weshalb ich sie einfach gar nicht übersetzte. Da fragte ich mich wie viele Sachen z.B. in Regierungsgesprächen eigentlich nicht richtig, wissentlich falsch oder gar nicht übersetzt werden und musste innerlich grinsen. So weltoffen meine Gastfamilie auch tut, so glaubt sie auch, dass alle Sachen im Grunde ähnlich laufen wie hier vor Ort. Das man einer Familie mit Schwimmbad im Haus, Geld für das bisherige Beherbergen der Tochter anbietet, scheint ihnen z.B. selbstverständlich, auch das durch Geld oder Geschenke die gestörte Beziehung zwischen deutscher Gastfamilie und bolivianischer Tochter verbessert werden kann, erscheint ihnen schlüssig. Dass man hierzu in Deutschland anders steht, habe ich versucht zu erklären, aber akzeptiert wurde es glaube ich nicht so ganz. So saß ich also zwischen den Fronten. Nachdem ich mir die deutsche Familie angehört hatte, konnte ich auch ihre Probleme verstehen. Und wie so oft lagen diese einfach in der [fehlenden] Kommunikation und auch im falschen Verständnis anderer Kultur und deren Einstellungen.
Danach wurde wieder mit Kollegen meines Gastvaters gekickt, aber anscheinend scheint hier Fritz-Walter nicht so beliebt zu sein, weswegen wir nur wenige waren die im Regen dem Ball hinterher rannten. Abends hatte ich keine Lust mehr irgendetwas zu machen, um mein erstes freies Wochenende, d.h. ohne Verpflichtungen, früh zu starten.

samstag, 16. märz

Natürlich kam es dann doch anders. Keine Verpflichtungen waren wohl ein Wunschdenken gewesen. Ich hatte vor gehabt endlich einmal einzukaufen und sonstige Dinge zu erledigen, die ich mir seit Wochen aufgespart hatte. Nunja. Da am nächsten der Geburtstag meines Gastvaters war und heute noch eine Fete stattfinden sollte, musste natürlich das Haus auf Vordermann gebracht werden. Ich war dann also 3h mit Putzen der Küche beschäftigt, wahrscheinlich war ich wohl zu gründlich, wenn man die alten Fettflecken und sonstigen festgesetzten Schmutz betrachtet, der sich bestimmt nicht erst seit einer Woche dort die Zeit vertrieb. Danach wurde alles für das Grillen vorbereitet. Fleisch, Reis mit Käse, Blatt-, Zwiebel-, Tomatensalat, Kartoffeln und Yuka, das Wurzelstück einer Palme in Afrika auch Maniok. Dann wurde auf die Gäste gewartet, die sich typisch bolivianisch Zeit ließen. Um fünf sollte es losgehen, ein armer Tropf hatte es sogar pünktlich geschafft, ich frage mich warum. Um acht kam dann so langsam der Rest. Endlich gab es dann was zu Essen, während mein Vater die Wartezeit mit Trinken verbracht hatte, dementsprechend gut war er drauf und auch dem Fleisch merkte man die Wartezeit oder die mangelnde Konzentration des Grillmeisters – traditionell der Gastgeber des Hauses – an. Zäh. Ich redete ein wenig mit den Gästen, die ich ja vom Kollegenfußball kannte. Die Kinder gingen Fernsehschauen und um zwölf sollte noch ein Ständchen gesungen werden. Die meisten Gäste waren da schon wieder weg. Was dem Geburtstagskind wahrscheinlich sowieso nicht mehr auffiel, weitere drei Stunden  und etliches Anstoßen waren deutlich bemerkbar. Fröhlichkeit konnte man auch bei den noch dageblieben Gästen erkennen, wenn auch im gemäßigteren Rahmen als Veranstalter. In Bolivien wird generell gern getrunken. Und nicht nur die leichten Sachen. Komischerweise unter der Woche gar nicht, dafür wird bei Feiern das Verpasste nachgeholt, wie mir eine gesagt wurde. So war der Tag rum, ohne zu irgendetwas gekommen zu sein. Da auch das Internet mal wieder ausgefallen war, konnte ich die Lehrlauf Zeit nicht mal zum Nachrichten lesen verwenden.

sonntag, 17. märz

Der Tag begann wie der letzte. Warten bis alle aufgestanden waren, vorbereiten und einkaufen für den richtigen Geburtstag. Für meinen Gastvater begann der Tag dagegen, wie er aufgehört hatte. Als wir vom einkaufen zurück kamen, saß er mit seinem Cousin am Gartentisch mit einigen leeren Flaschen Bier, die, als wir vor eineinhalb Stunden gegangen waren, noch nicht dort standen. So langsam wurde es sogar meiner Gastmutter unheimlich und sie sagte mir, dass ich den Kuchen, den ich als Geburtstagsgeschenk backen wollte, heute nicht mehr fertig stellen bräuchte. Er wird das sowieso nicht merken, womit sie wahrscheinlich Recht hatte. Die falsche Schwarzwälder wollte ich trotzdem beginnen, wofür als erster Schritt Nüsse gemahlen werden mussten. Ohne Gerät im Haus, das zum Nüsse mahlen fähig wäre, mahlte ich das erste Mal in meinem Leben Nüsse mit einem Stein, was natürlich erheblich länger dauerte, als mit elektrischer Hilfe. Wie man in der Steinzeit wohl Kuchen gebacken hatte? Dann kam die Erlösung. Es ging zum Fußballspielen mit Freunden. Nahe dem Zentrum befindet sich ein kleiner Park, in dessen unterem Teil Fußballplätze gebaut sind. Aus Beton, der mittlerweile schon sehr abgewetzt ist. Es wird viel getrickst und jeder denkt er wäre ein Weltstar. Durch die relativ harten Zweikämpfe landet man auch gerne mal auf dem Betonboden, was auch mal wehtun kann. Kleine Felder und ein besonderer [Futsal-]Ball, der nicht hüpft, machen das Spiel sehr schnell und man kommt noch schneller aus der Puste. Es macht aber einen Riesenspaß. Nach Spielende geht man generell zusammen was trinken. Cola, Fanta, oder mein Favorit dunkles Malzbier und redet noch einmal über die besten Szenen. Dann ist es auch schon neun Uhr und man hat Glück, wenn man um diese Zeit noch ein Transportmittel Richtung anderes Ende der Stadt, in dem ich wohne, bekommen kann. Zuhause angekommen, hörte ich direkt, dass mein Gastvater seinen Ehrentag nun ausreichend genutzt hatte. Zugedeckt schnarchte er auf dem Sofa, dass eigentlich mehr zur Zierde im Eingangsbereich steht. Meine Gastmutter und -bruder waren bei der Gastoma, während meine Gastschwester zuhause geblieben war um ein Auge auf ihren Vater werfen zu können. Glücklich, weil die letzten Stunden, die Gedanken an den langweiligen Vortrag verdrängt hatten, ging es dann schlafen.

montag, 18. märz

Wie ab jetzt jeden Montag, geht’s morgens erstmal zum Arbeiten in die Urbanisation. Eigentlich ein gutes Zeichen, da es mich hoffen lässt, dass diese Woche möglicherweise mehr zu tun sei. Nach eineinhalb Stunden Tröte hupen, Megafon rufen, einsammeln, Sticker verteilen und sich bei den Hausangestellten bedanken, die uns ihren wieder verwertbaren Müll anvertrauen, geht es ins Haus der gastfreundlichen Koordinatorin dieser Nachbarschaft. Dort gibt es als Dank für die Hilfe einen frischgemachten Saft und Gebäck, was wirklich unglaublich freundlich ist und einen immer wieder strahlen lässt. Nach der Verpflegung geht es Richtung Büro, wo bei man Glück haben muss, dass noch nicht alle Mittag machen und die Türen verschlossen sind. Im Büro angekommen übermannte mich auf einmal ein furchtbares Kopfweh. Es kam so plötzlich und so stark, dass ich mir nicht vorstellen konnte was das sein könnte. Da es kein Sinn hatte mit diesen Schädel weitere Zeit im Büro abzusitzen ging ich nachhhause, wo ich mich erst einmal hinlegen musste. Nach einiger Zeit ging es wieder besser und ich bereitete den Rest des Kuchens vor, der nun für den morgigen Vatertag, statt für den Geburtstag sein sollte. Man muss eben flexibel sein. Innerlich graute es mir schon vor dem Vatertag, wenn ich an die deutschen Bräuche zum Tag des Erzeugers und das gerade vergangene Wochenende denken musste. Da mein Kopf immer noch mächtig brummte, konnte ich gar nicht viel denken und ging einfach schlafen.

dienstag, 19. märz

Das Kopfweh hatte sich eher verschlimmert als nachgelassen und so verbrachte ich den ganzen Morgen im Bett. Zum Vatertag – dia del padre – wurde fein gekocht und die Großmutter und der Onkel eingeladen. Hier einige Bilder. Nach dem Hauptgang hatte ich mich noch mit dem Aufschlagen, der schon festen, bräunlichen Sahne aus der Dose herumgekämpft, die einfach nicht steif werden wollte und in meinen Augen auch nicht wie Sahne aussah. Nach einiger Zeit glückte das Experiment mit dem bräunlichen Chemiegemisch und wenn ich mich nicht täusche war die Schlagsahne sogar fast weiß. Beim Nachtisch kam es letztendlich also doch noch zum großen Auftritt der falschen Schwarzwälder. Alle waren zum Glück begeistert, selbst mein Gastvater und der Onkel, die beide Süßspeisen nicht leiden können. Und ich kann sie durchaus verstehen, wenn ich schmecke wie viel Zucker in den hiesigen Süßspeisen verbraten wird. Dann gab es noch Geschenke an die beiden Väter – nein nicht an mich – sondern an den Onkel. Verwunderlich, dass um den Vatertag genauso viel Aufhebens wie um einen Geburtstag gemacht wird. Am Muttertag muss ich mir wahrscheinlich auch irgendetwas einfallen lassen. Dann wurde kurz geplauscht und die Gastoma und der Onkel gaben mir eine kleine Nachhilfestunde in Boliviens Geschichte und Gründe für die mangelnde Wirtschaftskraft des Landes. Da mein Kopf immer noch am Rauchen war, war das schwer zu verarbeiten und ich musste mich wieder Richtung Bett verabschieden, wo ich bis zum nächsten Morgen blieb.

Mittwoch, 13. März 2013

eineinhalb monate?

Liebe Lesende,

mittlerweile sind sechs Wochen vergangen, seitdem ich in den Bergen gelandet bin. Noch habe ich es nicht bereut. An viele Sachen habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Alles läuft mehr oder weniger seinen Gang, wenn auch einen anderen als zuhause. Nichts ist langweilig und man kann nie wissen, was als nächstes passieren wird. Leider ist es auch unmöglich etwas zu planen. Sobald man sich etwas vorgenommen hat, dauern andere Sachen, die vorher stattfanden ewig, oder es schieben sich neue Aktivitäten ein, weshalb es noch immer nicht geklappt hat, mich mit einem Hobby zu beschäftigen. Ich hoffe auf das nächste Wochenende, an dem noch nichts ansteht. Vielleicht wird es allerdings doch nichts, wenn ich mit meiner Familie zu einem Fest für handstandmachende Regenwürmer gehen sollte, man kann nie wissen. Diese Ungewissheit kann nervenaufreibend sein, von nervig ist sie jedoch noch weit entfernt. Das einzig nervige ist zurzeit die Arbeit, oder vielmehr dass jene keine ist. Mir wurde versprochen, dass das bald besser wird und die Hoffnung sollte man nicht aufgeben, allerdings ist es schon etwas frustrierend, die meiste Zeit im Büro ohne Aufgabe zu verbringen. Ansonsten fühle ich mittlerweile sehr wohl, mit der Familie verstehe ich mich sehr gut, die Wochenenden sind witzig und auch mit Spanisch läuft es immer besser.

Ich hoffe es geht euch allen gut und dass ihr die Sonnenstrahlen genießen konntet, bevor der Winter jetzt wieder zurück schlägt. Hier lassen die Gewitter übrigens gerade nach.

Liebe Grüße

Niklas


mittwoch, 6. märz

Heute hatte mein Gastbruder Geburtstag und nicht mal an seinem Ehrentag wurde er für seine Liebe zum Ausschlafen gelobt. Heute war es besonders eng, um noch rechtzeitig in die Schule zu kommen, weshalb ich nicht einmal Zeit hatte zu gratulieren. Gestern Abend sagte der Fahrer des Recyclemobils ab, weshalb es morgens wieder hieß, sich zum Büro zu begeben und dort zu beschäftigen. Nachmittags machte ich frei, da sowieso nichts zu tun war und ging nachhause, um beim Geburtstagsessen dabei zu sein. Ich hatte es mir etwas spektakulärer vorgestellt. Wir saßen lediglich gemütlich beisammen und aßen. Als Nachtisch gab es einen mit Feuerwerk dekorierten Kuchen aus Eis. Er musste dann Hausaufgaben machen und abends wurde zusammen ein Film geschaut. Wie gesagt relativ unspektakulär, wahrscheinlich setzt so langsam der Alltag ein.

donnerstag, 7. märz

Der Donnerstag begann vielversprechend. Im Busch vor unserem Haus sah ich einen blauen Kolibri schweben und war begeistert. Das erste exotische Tier, noch dazu auf dieser Höhe. Keine fünf Minuten später wusste ich, woher der unbekannte Gestank der heute morgen durchs Viertel waberte, herkam. Mit dem Minibus fuhr ich an einer Menschenmenge samt Polizei und Feuerwehr vorbei, die auf ein umgeworfenes Auto blickten das mitten in der Straße brannte. Der zweite ungewohnte Anblick. Warum dieses Auto vor sich hin loderte konnte jedoch keiner sagen. Voller Hoffnung auf mehr solcher fantastischen Erlebnisse ging es ins Büro, wo ich leider enttäuscht wurde. Die alte

Dienstag, 5. März 2013

fünf wochen - mal sehen

Hallo Interessierte,

mittlerweile sind fünf Wochen rum, seit ich auf 4000m gelandet bin. Seit eineinhalb Wochen arbeite ich Projekt, mit dem ich momentan noch etwas hadere, nicht weil mir die Arbeit nicht gefällt, sondern weil es einfach kaum welche gibt. Die Verständnisprobleme werden weniger, und das Heimwehgefühl im Bauch ist verschwunden. Mittlerweile darf ich alles essen, und habe mir schon an kleinen Paprikas den Mund verbrandt. Mit der Familie gibt es eigentlich keine Probleme und auch das Problem, dass man nie weis wie lange etwas dauert, stört mich nicht mehr. Ich wurde das erste Mal mit einem Touritrick reingelegt und am meisten Spaß machen die Wochenenden. 

Also eigentlich alles gut, ich hoffe bei euch auch. 

Viele liebe Grüße, auch wenn das Heimwehgefühl weg ist vermisse ich euch

Niklas

mittwoch, 27. februar

Der dritte Tag fing an wie der letzte aufgehört hatte. Ohne etwas tun zu müssen. Mittlerweile wunderte ich mich schon sehr, dass wieder alle nur vor ihren Computern saßen. Jetzt musste ich einfach fragen, ob das immer so sei und schon immer so war.
Bis vor einem Jahr, gab es wohl jeden Tag sehr viel zu tun. Zum einen wurde jeden Tag Material abgeholt, wofür sogar ein eigener großer Lastwagen zu Verfügung stand. Zum anderen wurde viel mit Schulen zusammen gearbeitet und auch Infoveranstaltungen auf der Straße waren keine Seltenheit. Ebenso wenig das Werben um Nachbarschaften, die bereit waren zusammen Recyclingmaterialen zu sammeln. Häufig musste sogar am Wochenende gearbeitet werden, um der Arbeit nachzukommen.
Die ganze Stiftung FUNDARE, ist jedoch eine non-profit-Organisation und ist somit auf Spendengelder angewiesen, welche auch ausreichend von inländischen Unternehmen und ausländischen Stiftungen in das Projekt gespült wurden. Ursprünglich wurde FUNDARE 2006 auf Vorbild ähnlicher Projekte, in anderen Ländern [Südamerikas], von europäischen Entwicklungsarbeitsorganisationen ins Leben gerufen. Aus dieser Zeit stammen das Programm, die grundlegenden Ideen und Broschüren dieses Projekts. Tatsächlich lief das Projekt, wie geschrieben, früher sehr gut an und besitzt/besaß einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, speziell in La Paz. Zusätzlich wurden in 2 weiteren großen Städten Büros eröffnet. La Paz ist tatsächlich sehr sauber, da viele Arbeiter, Straßenputzer und Müllabfuhren Tag und Nacht dafür sorgen. Dies ist aber nicht unsere Aufgabe. Wir sollen lehren warum Recycling wichtig ist, welche Auswirkungen Müll und verschwendete Rohstoffe haben und wie jeder selbst aktiv werden kann. Die Freiwilligen vor mir hatten bis auf den letzten alle sehr viel zu tun.
Vor eineinhalb Jahren allerdings begann die Regierung, den ausländischen Geldgebern zu verdeutlichen, dass BOLIVIEN nicht mehr auf diese Hilfe angewiesen sei, da sie nun selbst ein starkes Land seien. Auch die inländischen Unternehmen hörten auf Geld zu spenden. Die FUNDARE Angestellten bekamen 3 Monate kein Gehalt, der Parkplatz für den Lastwagen, mit dem die Materialien abgeholt wurden, konnte nicht mehr bezahlt und der Lastwagen selbst musste verkauft werden. Man konnte nicht mehr einsammeln wann man wollte, sondern musste einen Kleinstlastwagen mieten, mit dem ich auch schon gefahren bin. Der ist allerdings viel zu klein um große Mengen in einer riesigen Stadt, noch dazu zu limitierten Zeiten, einzusammeln.
Die Leute wollten nicht mehr ewig auf die Abholung warten, stattdessen entsorgen sie jetzt lieber selbst, mit dem normalen Müll. Hier gibt es keine Tonnen, Tüten werden bestenfalls am Abholtag auf die Straßen gelegt. Zum Recycling konnte man FUNDARE anrufen, die vorbei kamen und das Material mitnahmen. Für bestimme Kilomengen gibt es dann kleine Gaben, zum Beispiel in monetärer Form. Ich glaube, dass wir auch diese Geschenke nicht mehr zahlen können. Viele Schulen waren, aufgrund neuer Direktoren nicht mehr an einer Zusammenarbeit interessiert. So kommt eins zum anderen. Nun sitze ich also etwas ernüchtert in einem Projekt das langsam ausstirbt. Wahrscheinlich sollte ich nicht so pessimistisch sein, da es gerade mal ein paar Tage sind, die ich hier bin. Mir wurde auch versprochen, dass es in den anderen Monaten mehr zu Arbeiten gebe. Momentan bin ich aber etwas frustriert. Die Mitarbeiter werden zwar wieder bezahlt, dennoch spürt man im Büro keine Aufbruchstimmung. Ich sehe jetzt alles erstmal gelassen bolivianisch und warte die nächsten Wochen ab. So kann ich während der Arbeitszeit, z.B. diesen Bericht schreiben, oder Spanisch lernen, das hat ja auch etwas Gutes.

Weil der Nachmittag wieder frei war, konnte ich schon um sechs zuhause sein und hoffte endlich mal Zeit zum Hobbies suchen zu haben. Aber wie so oft sollte man nichts planen. Ich machs kurz. Eine Freundin meiner Mutter war zum Kaffee da. "Iss doch auch ein Stück, trink noch einen Schluck." "Willst du mit meine Freundin nachhause bringen?" "Wo wir schon hier sind lass was zu Abendessen kaufen, mein Mann hat gefragt ob wir uns treffen?" Um dann ein bestimmte Zubereitungsart von Huhn zu finden, fuhren wir durch die halbe Stadt. Um halb elf waren wir wieder zuhause. 
Man kann einfach nicht nein sagen. Außerdem ist es ja nicht böse gemeint, mit dieser Zeit, im Gegenteil. Aufgeregt habe ich mich auch noch nie, außer vielleicht am ersten Tag, an dem alles noch etwas neu war. Ein solcher Aufenthalt besitzt eben nun mal auch den Sinn sich auf andere Gepflogenheiten einzulassen, und ein anderes Zeitgefühl gehört da auf jeden Fall dazu. Es hätte auch keinen Sinn sich aufzuregen, da es an der Tatsache nichts ändert. Ich denke, dass ich nach diesem Jahr anfangen sollte zu Angeln, oder Cricket zu schauen. Irgendwie muss meine neugewonnene Geduld wohl gewinnbringend eingesetzt werden. 

Donnerstag

Am Donnerstag gab es wieder was zu tun, wir trafen uns bei einer Urbanisation. Urbanisationen sind kleine Viertel, ähnlich einer Straße, die ein gemeinsamen Eingang und somit ein eigenes Sicherheitssystem besitzen. Wir gingen zur Präsidentin dieser U. um ein Geschenk für den Nachbarschaftszusammenschluss, der viel recycelt hatte, zu überreichen. Es wurde besprochen, dass bald weitere Aktionen im Viertel stattfinden sollen. Das bedeutet, dass ich auf jeden Fall bald was zu tun haben werde. 

Nachmittags war ich auf dem Weg zu einem weiteren Treffpunkt, als mich ein Schuheputzer anbettelte meine Schuhe putzen zu dürfen. Obwohl mir diese Geste, von einer vor mir knieenden Person, die mir die Schuhe wienert, überhaupt nicht gefällt, kam ich mir noch ignoranter vor, einfach vorbeizulaufen und nicht mal einen Blick zu spenden. Ich hatte noch Zeit und einen Boliviano konnte ich wohl auch entbehren. Nicht ganz wohl in meiner Haupt und in Imperatorpose stand ich also da und unterhielt mich mit dem Putzer. Er war fertig und ich hielt ihm einen 10er-Schein hin und wartete auf mein Wechselgeld. Es fehlen weitere 10 da es ein besonderses Wachs gewesen sei. Ich wollte gehen und mir diese Frechheit nicht gefallen lassen. Das 20fache des normalen Preises, nur weil er dachte er kann einen Gringo reinlegen. 2€ sind jetzt möglicherweise nicht viel Geld, aber es ging mir ums Prinzip. Außerdem hatte ich bis jetzt alle Bolivianer als nett und hilfsbereit erlebt, diese Dreistigkeit schockte mich. Natürlich hatte man schon von solchen Schummlern gelesen, aber obwohl ich hier mit allen sehr vorsichtig bin, fiel ich selber darauf rein. Ich wollte gehen und aus der Situation fliehen, da standen weitere Schuheputzer auf und guckten mich an. Soll er eben ein doppeltes Mittagessen haben. Erschrocken, dass ich auf einmal diesen Hass entwickelt hatte ging ich weiter. Ab jetzt werde ich bei allen "Straßen-Diensten/Käufen" immer vorher bezahlen und verhandeln. Immerhin wurde ich nicht ausgeraubt, dachte ich mir. Man fällt einfach immer auf, und es kann Leute geben die das ausnutzten wollen. Leider, es ist mehr als Schade, es wurde mir aber nun bewusst. 
Danach wartete ich am Treffpunkt und wurde direkt angesprochen, ob ich nicht bestes Gras kaufen möchte. Dies war die endgültige Bestätigung, dass es schwer für mich sein wird unauffällig zu wirken. 
Mit dem Minibus ging es nach El Alto, die auf dem Altiplano gelegene Stadt, die mittlerweile mit La Paz verschmolzen ist. Nicht nur einige Höhenmeter trennen diese beiden Teile, es sind Welten. Unverputzte Häuser, ein noch höherer Anteil an indigener Bevölkerung, was bedeutet, dass ich erst Recht auffalle, tausende Menschen die aus kleinen Auslagen verkaufen und einige Tonnen Müll in denen Hunde wühlen. Wir warteten eine Stunde auf den Mini-Lastwagen, mit der wir 15km bis zum Einsatzsort fuhren. Ich durfte auf der Ladefläche mitfahren und konnte von dort aus alle Aktivitäten auf den Straßen und die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund sehen. Es war der bis jetzt beste Moment im Projekt.Nach einiger Zeit war es im Fahrtwind doch etwas frisch. 
In einem Hinterhof durften wir einen Flaschenvorrat abholen, der über 7 Monate gesammelt wurde: 350kg PET. Hier sind ein paar unscharfe Handyaufnahmen, die mein Kollege gemacht hat.
Voll beladen, mit zwei Menschen auf einem 2,5m Plastikhaufen auf der Ladefläche, ging es über schräge Schotterstraßen zu einer Schule. Das Flaschen und Menschen sich bei diesem Weg oben halten konnten, war ein Wunder. Auf dem Schulhof fand gerade Sportunterricht statt, eine Jungen und Mädchengruppe joggten ständig Schlachtrufe rufend über das staubige Gelände. Ich schaute mir kurz die Klassenzimmer an. 
Als wir dann fertig waren und die restlichen Flaschen aufgeladen hatten, war die Arbeit getan. Durch tausende Feierabendverkehre hindurch, war ich 3 Stunden später sogar zuhause angekommen. 

Freitag war wieder weniger los, ich ging um 3 nachhause und konnte dann noch zum Fußballspielen, das ich dringend nötig hatte. Das fettige Essen, die süßen Getränke und fast keine Bewegung, da man immer motorisiert von A nach B kommt, lassen zu viel ungenutzte Energie in meinem Körper. Ich merke, dass die Verschnaufspausen weniger werden und ich auch immer länger rennen kann. Ausgepowert ging es nachhause und in der Nacht mit dem anderen Freiwilligen samt dessen Schwester und Freund ins Nachtleben. Die ganze Kneipe war voll und er und ich wurden von allen Augen, vor allem weiblichen angeschaut. Nach einigen Runden seltsamen Kniffel ging es zum nächsten Laden. Auf dem Weg nach draußen wurden uns von fremden zahlreiche Getränke angeboten. Wir fallen also auf. Beim Tanzen verbrannte ich dann meine restliche Energie, als dann auch noch "Ab in den Süden" gespielt wurde, war der Abend erst recht gelungen. Plötzlich fingen meine Augen an zu tränen und ich keine Luft mehr bekam, dachte ich, der ganze Zigarettenrauch hätte Schuld. Auch die anderen röchelten und stürmten aus dem Kellerraum nach oben an die frische Luft. Die Polizei hatte eine in einer Schlägerei verwickelte Person gesucht, die hier untergetaucht war. Mit Hilfe von Tränengas wurden alle nach draußen gescheucht, wo die Polizei mit Gasmasken auf dem Kopf die gesuchte Person in Empfang nahm. Bei uns hätte es einen riesigen Aufschrei gegeben. Hier wurde, als sich der Nebel etwas verzogen hatte, dort weiter gemacht, wo man unterbrochen wurde. Es machte so Spaß, dass ich die Zeit vergaß und viel später als ausgemacht, zuhause ankam. Am nächsten Morgen gab es zurecht eine ruhige Ermahnung, die schlimmer als eine Standpauke war. In Bolivien sorgen sich die Eltern sehr um ihre Kinder, selbst wenn diese schon längst im Erwachsenenalter sind und wollen immer wissen, wo man sich befindet. Auch wenn es sonst mit Uhrzeiten eher lax zu geht, ist eine abendliche Ankunftszeit ein Zeitpunkt, der eingehalten werden muss, will keine Sorgen und Zorn bei Eltern produzieren. Nach einer Entschuldigung und einem Versprechen, dass es das einzige Mal war, waren die Wogen zumindest oberflächlich geglättet. Meine Gasteltern wirken eigentlich sehr direkt, aber man ist sich nie sicher, was sie für sich behalten. Ernsthafte Probleme würden sie, hoffe ich aber ansprechen. Nachmittags ging es zu einem Treffen mit allen Schülern und Freiwilligen die zur Zeit mit AFS in La Paz sind, und auch ehemalige bolivianische Austauschleute waren anwesend. Sie sind unsere Ansprechpartner bei Problemen. Typisch bolivianisch war, dass es ewig nicht los ging und keiner lange Zeit keiner von uns verstand um was es gehen sollte. Nun kenne ich meine Betreuer und sie machten alle einen sehr netten Eindruck. Bei Problemen werde ich mich auch an sie wenden können. 
Danach ging es noch zum Cousin meines Vaters zum Abendessen. 

Sonntag stand einkaufen auf dem Plan. Vorher wurde das erste Mal seit ich hier bin zusammen gefrühstückt. Zehn Brötchen für 40 Cent, fast wie bei uns. 10 große, selbstgemachte, süße Leckereien gibt es für 2,50€. Und die sind echt lecker. Es wurde zusammen gebetet und auf einmal hatten alle Tränen in den Augen. Verwundert über diesen unvorhergesehenen Gefühlsausbruch blickte ich auf meinen Teller. Plötzlich musste es schnell gehen, und wie immer wenn es losgehen soll, setzt sich der Fahrer ins Auto und hupt solange bis alle da sind. Warum diese Hektik, im Marktviertel war wie immer Stau. Nicht alle, aber viele kleine Stände und Läden haben geöffnet. Wir suchten erst nach Elektroartikeln. Man läuft durch ein Viertel, in dem es sowohl auf der Straße als auch in Erdgeschossläden alle möglichen Produkte gibt. Südostasien und vor allem China lassen grüßen. Alle Preissegmente sind verfügbar. Für 9€ erwarb ich ein originalverpacktes Gammelhandy, das bestimmt niemand klauen möchte. Außerdem kann man alle möglichen Computerprogramme, Videospiele, neueste Filme und was man sonst noch auf CD brennbar ist erwerben - natürlich nur Originale. 
Es ging zum Klamottenkauf. Um etwas zu finden, muss man allerdings länger suchen, da die alle Artikel auf engsten Raum vermischt sind und man nicht weis, was alles dabei sein könnte. Wer diese kostengünstigen Kleider hergestellt hat, möchte man wahrscheinlich gar nicht wissen. Trotzdem gibt auch hier für jeden Geldbeutel etwas zu finden. Jeans ab 9, möglicherweise gibt es billigere, bis zu Markenhemden für 70€. Das ganze Laufen macht hungrig und wir gingen zum Essen in eine Seitenstraße. Versteckenspielen zwischen allen Ständen bildete den Schlusspunkt und ich hatte die Orientierung total verloren. Wieder zuhause (1700) wurde entspannt. 
Montag war in der Arbeit mal wieder nichts los und ich dachte ich könnte abends dann endlich Sachen machen, die ich länger aufgeschoben hatte. Als meine Mutter dann anrief und fragte ob sie mich um 1730 mit nachhause nehmen sollte, erhoffte ich mir weiteren Zeitgewinn. Erst wenn ich darüber schreibe merke ich, dass es mich immer noch beschäftigt. Wir fuhren erst Abuelita nachhause, holten dort Pflanzen ab, mit denen ich mich auf dem Rücksitz wie im Urwald fühlte. Ich hatte noch weniger Platz als in einem der Transportmittel und dort stoße mich schon an allen Seiten an. Wir fuhren dann noch zu einer Bürobesichtigung, da meine Mutter wieder eine Immobilie zum Arbeiten braucht. Meine Schwester und ich warteten im Auto. Weitere Zeitangabe: um 2015 waren wir zuhause, Zeitgewinn -2h. Egal. Dann wurde Film geschaut, weil man das montagabends so macht. Erledigt habe ich natürlich nichts.