mittwoch 20. märz
Abermals kann der morgen gerne übersprungen werden. Mit der ganzen Zeit, wollte ich einmal meiner mittlerweile zu langen Mähne zu Leibe rücken. Ob wohl ich mittags Zeit hatte, musste ich erstmal warten, bis der mir empfohlene Haarschneider um halb vier seine Mittagspause beendet hatte. Im ganzen Stadtteil machte ein plötzlicher Stromausfall wieder einmal klar, wie abhängig man doch mittlerweile von der Elektrizität ist. Da ich das schöne Wetter nutzen wollte, das hier im Gegensatz zu Deutschland herrscht [ich erzähle jetzt lieber nicht, wie es ist, um keine Eifersucht hervorzurufen], dachte ich mir, ich könnte den Weg zum Friseur auch zu Fuß gehen. Dort angekommen hieß es dann erstmal abwarten bis ich endlich an der Reihe war. Das dauerte. Damen wollten noch ihre Finger gemacht bekommen, ihre Kinder sollten auch hübsch aussehen und zwei Jungs wollten unbedingt die komplizierte Frisur ihres Vorbildes. All das wurde von einem einzigen Beautyspezialisten erledigt, während eine Angestellte für das Haare waschen und eine andere für das Kassieren angestellt zu sein schien. Dann war auch ich dran, um mal wieder etwas Wolle los zu werden. Nach 4 Stunden außer Haus und 3€ weniger, es war ein teurerer Friseur, war ich dann sogar wieder zuhause. Strom gab es immer noch keinen. Es wurde kurz mit Gästen geplauscht und Bemerkungen über meine Frisur gemacht, Militär war glaube ich die beliebteste Bezeichnung. Um zehn wollte ich dann auch mal zu Abend essen. Wie aus heiteren Himmel fiel meiner Mutter ein, die den ganzen Mittag nichts zu tun hatte, dass man doch noch 5kg Mais für den morgigen Nachtisch durch den Fleischwolf drehen müsste. Dabei wurde so langsam gedreht, dass wir eineinhalb Stunden mit der Arbeit beschäftigt waren. So standen wir also zu viert um den Fleischwolf und schauten dem Mais beim zerpresst werden zu. Unglaublich wie viel Flüssigkeit aus einem Maiskorn heraus kommen kann, wahrlich spannend. Eigentlich wollte ich mal wieder früher schlafen gehen, aber wie so oft... Währenddessen wurde mir in ihren Gesprächen, wieder das widersprüchliche Denken meiner Familie klar, Beispiele habe ich schon verdrängt. Um elf wurde dann sogar noch gegessen. Und der Tag an dem ich bestimmt am meisten gewartet hatte war vorbei.
donnerstag, 21. märz
Heute ging es ausnahmsweise
morgens nicht ins Büro, sondern in die Hauptstelle von AFS Bolivien. Seit dem
Spanischkurs war ich das erste Mal hier und mir wurde wieder einmal bewusst,
wie schnell die Zeit vergeht und dass ich mittlerweile schon 4 Wochen in meinem
Projekt mehr oder weniger arbeite. AFS wollte von uns wissen wie es uns so
[er]geht und hatten dazu extra eine Psychologin eingeladen, die anhand von
bestimmten Aufgaben heraus finden wollte, wie wir ticken und ob wir
irgendwelche Probleme mit uns herum tragen. Wir saßen also wieder auf den
weißen Plastikstühlen des Versammlungsraums und sollten zu allererst die guten
und schlechten Seiten Boliviens und unseres Projekts aufschreiben. Die nächsten
Aufgaben forderte da schon etwas mehr heraus. Zeichne eine Person, und zeichne
dein Weltbild. Irgendetwas wollte sie aus diesen Zeichnungen heraus lesen.
Sollten sich irgendwelche Fragen ergeben, würde sie sich bei uns melden. Obwohl
meine Zeichnungen relativ gruselig und seltsam aussahen, hatte ich anscheinend
bis jetzt Glück und wurde von einem Anruf verschont. Bin wohl doch noch normal.
Nach 2 Stunden hatte der Spaß sein Ende und wir Freiwilligen gingen noch
gemeinsam etwas essen um über uns über unsere ersten Wochen auszutauschen. In
einem gemütlichen Restaurant aßen wir für ca. 2€ ein leckeres dreigängiges Menü
und schmiedeten Pläne für die Zeit ab Mai, ab wann wir endlich alleine Reisen
dürfen.
Nach dem Mittagessen traf ich mit
der AFS-weltwärts-Koordinatorin um mich über Projektwechselmöglichkeiten oder
konkrete Vorgehensweisen zu mehr Arbeit zu erkunden. Das Gespräch verlief sehr
konstruktiv. Ich solle mich noch einmal genau über die Zukunftsmöglichkeiten
des Projekts erkunden, etwas Ursachenforschung betreiben und gerne offensiv
Vorschläge zur Verbesserung der Lage machen. Vor allem solle ich initiieren
genaue Pläne des Projekts zu erstellen, damit man absehen könne, welche
Aktivitäten wann und wie häufig stattfinden, da ich der Meinung bin, dass es
vor allem an Organisation und Struktur in diesem Laden fehlt. Bis jetzt war ich
mir unsicher, ob ich solche Schritte selber angehen dürfte, ohne jemanden der
Angestellten zu kränken. In diplomatischen Ton und mit Geduld sollte ich
versuchen, das Abgesprochene anzubringen. Außerdem handelten wir eine dreiwöchige
Frist aus, bei der wir über weitere Schritte nachedenken wollten, wie z.B. der
Wechsel des Projekts, sollte keine Verbesserung eintreten.
Zufrieden, mit neuer Hoffnung und
topmotiviert ging ich anschließend ins Büro und grübelte über konkrete Pläne nach.
Leider war der „Chef“ nicht anwesend, weswegen ich mir meine Fragen bis morgen
aufheben musste. Zur Abrundung des Tages ging es dann noch zum Fußballspielen.
Wieder im Park der Stadt, diesmal allerdings nicht auf dem geliebten Beton,
sondern auf Kunstrasen, was sich auch gleich am Geldbeutel bemerkbar machte. So
kostet eine Stunde Beton 1 Boliviano pro Person, also ca. 10cent, während eine
Stunde Kunstrasen mit 10 Bolivianos, also 1€ zu Buche steht. 200 Bolivianos pro
Stunde, für ein nicht mehr ganz taufrisches Fußballfeld ohne Umkleide und Dusche,
finde ich im Vergleich zu sonstigen Preisen hier recht hoch. Ein weiterer Punkt
an dem einen die Ungleichheit Boliviens auffällt. Weiterhin leben 27% der
Bevölkerung in extremer Armut. Vom gleichen Geld, mit dem ich Fußballspielen
ging, müssen andere ihre Familie am Tag durchbringen. Für Statistikfans der
aktuelle Armutsbericht Boliviens.
Natürlich besitzt man diese Zahlen im Hinterkopf und es ist
mir fast unangenehm für „soviel“ Geld Fußballspielen zu gehen. Dennoch hat es
heute Spaß gemacht. Ein produktiver und zufrieden stellender Tag ging so zu
Ende und ich hoffe, dass die nächsten Tage so weiter geht. Planen kann man das
leider nie und hier schon gar nicht.
freitag, 22. märz
Im Büro bekam ich auf Anfrage, eine Menge Infomaterial über
das Projekt. Präsentationen, Zahlen der letzten Jahre und Erfolgsberichte, die
ich gleich begann durchzulesen. Aufgrund der Fülle der Materialien nahm ich mir
fürs Wochenende vor, alles durchzulesen oder auszudrucken und in der nächsten
Woche während der Arbeitszeit zu bearbeiten. Da außer Lesen nichts anstand, was
ich auch zuhause erledigen konnte, war ich mal wieder mittags zuhause. Die
WM-Quali stand an und als großer Fan kam ich sogar in den Genuss, Deutschland -
Kasachstan live im Fernsehen zu verfolgen. Direkt im Anschluss war es ein
Pflichttermin, mit meinem Gastbruder und seinen Freunden Boliviens 0:5 Abschlachtung
gegen Kolumbien im Fernsehen zu schauen. So schlecht hatte ich sie ehrlich
gesagt auch nicht erwartet. Die Chance, dass es bei der nächstjährigen WM ein
Spiel mit bolivianischer Beteiligung geben wird, ist ungefähr so groß, wie das
Coca in Deutschland legal wird.
Die Sonne, die trockene Luft, das Nachdenken und die beiden
Fußballspiele hatten mich müde gemacht, weswegen ich schon um !sieben! im
Bettchen träumte.
samstag, 23. märz
Ausgeschlafen und voller
Tatendrang ging es ins Wochenende. Eigentlich wollte ich um 10 im Schwimmbad
sein, wo ich mich mit einer anderen Freiwilligen verabredet hatte. Am
Schwimmbad angekommen, musste ich mir um Schwimmen zu dürfen erst einmal eine
Badekappe kaufen, die auf meinem Kopf doch etwas ulkig aussah. Das Schwimmbad,
das aus einem Becken besteht war gut gechlort und gut gefüllt. Kinder
planschten und gröhlten im 30cm Nichtsschwimmerbereich, auf einer Bahn übte ein
Schwimmclub und auch die übrigen Gäste schwommen kreuz und quer durchs Becken,
weswegen flüssiges Bahnenschwimmen schwierig fiel. Aber auch die Luft, die Höhe
und das monatelange Nichtschwimmen machten mir ganz schon zu schaffen. Japsend
saß oder hing ich häufiger am Beckenrand. Bei einer schnellen Kraulrunde,
schlug ich einer Frau, die quer durchs Becken geschwommen war und ich nicht registriert
hatte, so stark auf den Kopf, dass ich Angst hatte, sie müsste gleich
untergehen. Aber alles halb so wild. Es hatte ihr anscheinend nicht einmal
wehgetan, was ich bezweifelte, weswegen ich mich bei jedem Vorbeischwimmen bei
ihr entschuldigte.
Als wir unseren Soll erfüllt
hatten, gingen wir noch gemeinsam frühstücken und waren beide erstaunt, dass
man zwei Fruchtshakes und vier große Gebäckstücke für 2,50€ in einem Café
bekommen konnte. Nachdem wir uns ausgetauscht hatten ging ich wieder nachhause,
wo wieder Küche putzen auf dem Programm stand. Dann fuhr ich zum Haus des
anderen Austauschschülers, was, obwohl es in der gleichen Stadt liegt, 2
Stunden dauern kann. Dort angekommen half ich seiner Mutter bei der Küchenarbeit
und unterhielt mich mit ihr. In unserem Gespräch fiel mir wieder ihre völlig
andere Wahrnehmung im Vergleich zu meiner Gastmutter auf. Während wir uns hier
über Armut, deren Ursachen und mögliche Bekämpfung unterhielten, wäre das
zuhause nahezu unmöglich gewesen und wäre schnell auf ein Gespräch über die
Familie umgeschlagen. Wir aßen zu Abend, dann trafen sich der andere
Freiwillige und ich, mit anderen weltwärtslern, die schon seit einem halben
Jahr in La Paz im Einsatz waren. Wir tauschten uns über Erlebnisse und Reisen
aus und gingen anschließend noch tanzen. Kaum auf der Tanzfläche wurde uns
Gringos direkt ein Kilo Gras angeboten, was wir, obwohl des günstigen Preises
von 40€, ablehnten. Ein sehr netter Abend und ein netter Tag gingen zu Ende. Nach
einer seltsamen Taxifahrt war ich wieder zuhause und ging zufrieden ins Bett.
sonntag, 24. märz
Heute hieß es früh aufstehen um
rechtzeitig zu einem Schulevent meines Bruders zu kommen. Spätestens 0730
Abfahrt. Sonst kommen wir zu spät. Logischerweise war ich als einziger zu
diesem Zeitpunkt abfahrtsbereit. Alles zögerte sich heraus, und gerade als ich
mir ein Müsli gemacht hatte, wurde plötzlich wild gehupt und „Niklas wo bleibst
du denn wieder“ gerufen. Herrlich. Um 0825 fuhren wir dann tatsächlich los. Da
in 5min das Event losging, musste der vorherige Zeitverlust natürlich mit Rasen
ausgeglichen werden. Selbst mit Geländewagen ist das kein Spaß bei hießigen
Straßenverhältnissen. Angekommen konnte jeder an den Spuren auf meinen T-Shirt
ablesen, dass ich während der Fahrt Müsli gegessen hatte.
Bei dem Event handelte es sich um
eine Sportveranstaltung der Schule, die mit lauten Getöse einer olympischen
Einlauf nachempfunden war. Auch ich hatte, vor lauter Scham über alle Eltern
die ihre süßesten mit ihren iPads filmten, fast einen Einlauf. Es ging
größtenteils um sehen und gesehen werden und alle hatten sich dementsprechend
in Schale geworfen. Ich musste wieder an das gestrige Gespräch über Bildung und
Chancengleichheit mit der Gastmutter des anderen Freiwilligen denken und konnte
mich bei diesem Anblick nicht wohlfühlen. Eine Schule, die pro Kind monatlich
200€ kostet, mehr als manchen Familien monatlich zu Verfügung steht, kann ich
nicht verstehen. Selbst der gerne genannte Vorzug, mit Kindern der Minister
oder bekannter Großunternehmer in einer Klasse zu sein, lässt mich diese Summe
nicht akzeptieren. Dieses Anbiedern und zeigen was ich habe, habe ich nicht als
Ziel meines Auslandeinsatzes gesehen. Aber dies ist nur meine Meinung und jeder
kann gerne eine andere vertreten. Das Einlaufen der ganzen Klassen dauerte ewig
und das Maschieren und Schreien der Zeremonie erinnerte mich eher an eine
Millitärparade. Der anschließende Tanz ließ mich an American Highschoolkitsch
denken. Um die Schüler erst Recht zu motivieren hielt, der Kapitän der
legendären Fußballauswahl, die sich als einzige Boliviens 94 für die
Weltmeisterschaft qualifiziert hatte, eine Rede. Als sich der Applaus gelegt
hatte konnte er mit seiner sehr patriotischen und
„Kinder-ihr-dürft-nicht-aufgeben“-Rede beginnen. Dann konnte Olympia losgehen.
Die Olympiade bestand aus drei Sportarten: Fußball, Futsal und Basketball – den
klassischen Sportarten schlechthin - die schon bei den Alten Griechen die
Massen begeisterten.
Weil bekanntlich nur eine
begrenzte Anzahl an Spielern auf dem Feld sein darf, musste mein Bruder leider
zuschauen. Anscheinend war er beleidigt. Denn anstatt dem Spektakel weiter
beizuwohnen, gingen wir kurz nach der Eröffnungsfeier zurück Richtung Auto.
Vielleicht hatten auch einfach alle Hunger. Mein T-Shirt hatte diesen Morgen ja
mehr zu sich genommen als der Rest der Familie. Anstatt etwas Essbares zu
finden, fuhren wir wieder Richtung Heimat. Wir machten Halt an einer Kirche,
vor deren Türen tummelten sic Gläubige, bettelende Leute und Damen, die komisch
geflochtenes Grünzeug anboten. Die Kirche war so voll, dass man gar nicht
hinein sehen konnte, weil bis nach draußen angestanden wurde. Ärmlichst aussehende
Damen hielten mir ihre offenen Hände hin, ich hatte allerdings nichts zum Geben
dabei. Außerdem handelt es sich bei diesen Señoras um alte Frauen aus einer
bolivianischen Provinz, die von ihren Familien mit alten Klamotten und kleinen
Kindern, manchmal sogar Babys, ausgestattet werden, um in den großen Städten,
an den belaufendsten Straßen zu betteln.
Um mich herum hielten alle diese
seltsamen Pflanzengebilde in der Hand, da erkannte ich, dass es sich um
geflochtene Palmblätter handelte. Natürlich es war Palmsonntag. „La semana
santa“ – die heilige Wochen wurde eingeleitet. Man konnte kaum etwas verstehen
und auf einmal verließen die Leute die Kirche. Der Gottesdienst war zu Ende,
ich hatte mir meinen ersten bolivianischen Gottesdienst ein wenig anders
vorgestellt.
Es ging weiter. Mit dem Auto
begann eine Odysee durch die Stadt, wir waren auf der Suche nach einem
Restaurant. Da sich nicht entschieden werden konnte, wo es hingehen sollte, und
teilweise laut diskutiert wurde, waren wir ca. eineinhalb Stunden mit dem Auto
unterwegs, nur um letztendlich doch am Standardlokal anzukommen. Jetzt hatte
auch ich wieder Hunger und die Erdnusssuppe wird definitiv in mein bolivianisches
Kochbuch mit aufgenommen, ebenso wie das Rezept für Ochsenzunge. Eine bolivianische
Mahlzeit besteht traditionell aus einem kleinen Salat, gefolgt von einer Suppe,
einem Hauptgang und einem kleinen Nachtisch.
Nachdem wir gegessen, ging es
wieder nachhause. Um die schöne Sonne zu genießen und eine bessere Aussicht zu
haben, fuhr ich die 30-minütige Strecke stehend auf der Ladefläche durch La
Paz. Es ist ein wahres Freiheitsgefühl, auch wenn man von allen Seiten seltsam
beäugt wird.
Nachmittags ging’s zum kicken.
Natürlich hatte der Organisator keinen Platz reserviert, weswegen wir wieder
mit Beton und Maschendrahttoren Vorlieb nehmen mussten. Wäre auch spaßig
gewesen, hätten wir einen Ball gehabt, aber den hatte natürlich auch niemand
dabei. Eine halbe Stunde später hatte jemand einen besorgt. Etwas austoben
machte Spaß.
Wie immer fuhren wir danach zu
zehnt in einem Fünfsitzer zum Supermarkt, kühle Getränke trinken. Zudem saß ein
paarungswilliger Hund mit im Auto, der Bild im Auto umher hüpfte und versuchte
möglichst jedes Bein, oder was sich sonst so bewegte zu begatten. Irgendwann roch
es im Auto nach faulen Eiern und wir 10 Jungs kamen typischerweise nicht mehr
aus einem Lachkrampf heraus. Mit diesem befreienden Erlebnis war für mich die
Woche beendet.
montag, 25. märz
Wie jeden Montag ging es zum
einsammeln in die Urbanisation „Las Retamas“. Heute musste ich alleine ran. Das
hieß, Karren schieben, hupen und gleichzeitig mit dem Megafon Ansagen machen.
Die Woche war wieder fleißig gesammelt worden, weswegen ich ganz schön zu
schieben hatte. Es ist auffallend, dass nicht alle Nachbarn teilnehmen, sehr
wohl aber aus dem Fenster gucken. Aber sobald man selber hoch schaut, sich die
Gardinen schließen. Wir besitzen mittlerweile so etwas wie Stammkunden, die
sich auf die Sticker für ihre erbrachten Materialien freuen und voller Tatendrang
auf uns zu stürmen.
Nach getaner Arbeit und einem
Saft, aus Wasser und Weizenkörnern im Haus der Organisatorin ging es ins Büro. Ich
hatte mir über das Wochenende weitere Gedanken über das Projekt gemacht und
wollte diese heute besprechen. Der Chef war allerdings nicht da oder höchstens
für einige Minuten anwesend. Ich wartete. Zusammen mit den Kollegen schauten
ich Internetvideos an, keine sehr soziale Tätigkeit. Den ganzen Nachmittag tat
sich nichts und so begab ich mich gegen sieben auf die schwierige Suche nach
einem Minibus nachhause.
Zu den Stoßzeiten, das heißt
Beginn, Mittagspausenanfang und –ende und Ende, die in jedem Büro zur fast der
gleichen Zeit liegen ist es immer schwierig einen freien Platz zu finden. Man
muss auch mal eine halbe Stunde warten oder die Straße so lange hinauf gehen,
bis die Busse noch leerer sind. Speziell rund um das Zentrum, wo ich arbeite
ist es besonders schwierig.
dienstag, 26. märz
Seit ich angekommen bin warte ich
auf diesen Tag. Das Fußball-Qualifiaktionspiel Bolivien gegen Argentinien in La
Paz. Schon früh habe ich gefragt, wo und wann man denn Karten kaufen könne.
Immer wurde mir gesagt, dies sei nur am Tag des Spiels möglich, wie eben
üblich. Nun hatte der Verkauf doch schon freitags begonnen und alle Karten waren
weg. Mein Gastvater warf mir vor, ich sei schlafmützig gewesen, weil ich mich
nicht früher drum gekümmert hätte. Dabei hatte ich mindestens 3mal die Woche
nachgefragt, wie ich am besten Karten kaufen könnte. Am Tag des Spiels erzählte
er mir, dass man für Nationalmannschaftsspiele ständig Karten kaufen könnte. Na
toll. Ich kam mir etwas verarscht vor, Entschuldigung für die Ausdrucksweise,
aber ich hatte ein Problem, nämlich keine Karte. Er würde mir welche besorgen.
Treffpunkte wurden ausgemacht. Sehr kompliziert. Viele Leute kaufen mehrere
Karten um diese dann am Spieltag zu höheren Preisen vor dem Stadion zu
verhökern, einem dieser Verkäufer würde er welche abkaufen.
Ich ging ins Büro, wo ich endlich
über Änderungen sprechen wollte. Vorsichtig fragte ich nach und wurde mit neuem
fertigen Infomaterial abgespeist, welches ich mir durchlesen solle. Es kommt
mir mittlerweile etwas komisch vor. Keine persönlichen Infos des Chefs,
höchstens weitere vorformulierte Broschüren, wobei auch er nichts Ernsthaftes zu
hat. Bei der Studie dieser Unterlagen fiel mir auf, wie viel weniger im Projekt
seit 2 Jahren geschieht, was ich aber schon mündlich erfahren hatte. Die Zahlen
suggerieren aber auch, dass wir mit mehren Partnern als vor zwei Jahren zusammenarbeiten,
komisch, dass ich diese nie zu Gesicht bekomme und meine Mitarbeiter wohl auch
nicht, da sich selten Leute ins Büro verirren.
Viele Partner hätten uns
verlassen, wurde mir mündlich mitgeteilt und auch ich war schon auf einigen
Auflösungen dabei. Aus der Statistik werden sie wahrscheinlich nicht
gestrichen, damit es weiter nach guten Zahlen aussieht.
Zwei Präsentationen, die für
Halbjahrestreffen mit Sponsoren gefertigt wurden sind ebenso fast
denkungsgleich. Eine von Ende 2009 und die andere von 2012. Selber Bilder,
selbe Reihenfolge, andere Jahreszahlen. Ob die überarbeiten Statistiken
stimmen? Irgendwie kommt mir das ganze komisch vor. Ich weis nur eins, dass ich
fast nichts zu tun habe und man diese Entwicklung schon seit 2 Jahren in rapide
zurückgehenden Einsammlungszahlen erkennen kann. Jetzt muss ich nur noch die
Gründe hierfür rausfinden und dann mit den Anderen versuchen eine neue
Strategie auszuarbeiten, was bestimmt Spaß machen wird und dem sinnvollen
Projekt neue Flügel verleihen könnte. Ich bin motiviert.
Dennoch fragte ich direkt, wie es
denn mit Plänen aussehe und wann es wieder mehr Arbeit geben würde. In einigen
Monaten, nach der Regenzeit, war die sehr präzise Antwort meines Chefs. Mal
sehen.
Zur Mittagspause traf ich mit zwei
anderen Freiwilligen, die auch das Spiel sehen wollten und extra dafür nach La
Paz angereist waren. Wir tauschten uns über unsere Erfahrungen und Erlebnisse
aus.
Dann ging es los zum Stadion. Ein
riesiger Bereich um das Stadion war abgesperrt. Es kam mir vor, als ob sich alle
Händler der Stadt um das Stadion versammelt hätten um von Gemüse bis Fanhüten
alles zu verkaufen. Man sah ungewöhnlich viele Gringos auf einmal. Keiner
wollte sich also dieses Spiel entgehen lassen. Ich fragte die Verkäufer nach
den Preisen für die Tickets. Ein Kurventicket hätte am Schalter 70 Bolivianos
gekostet, sehr viel für Bolivien. Zu dieser Stunde wurden sie zu 75-80
angeboten, mehr als in Ordnung. Ich ärgerte mich gerade, dass ich nicht selber
die Tickets gekauft hatte, sondern meinen Vater beauftragt hatte, für den Geld
bei solchen Beträgen keine große Rolle spielt. Ich wartete meine Gastschwester
und meinen –bruder, sie hatten die Tickets. 40min Stillstand, dann kamen sie
an. Wir gingen ins Stadion. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn war noch nicht
viel los, typisch bolivianisch. Aber immerhin gab es heute nummerierte
Sitzplätze. Da war er. Einige Tage nach Ronaldinho konnte ich Messi sehen. Und
mit ihm die anderen argentinischen Stars. Die Argentinier hatten Respekt vor
dieser Partie, vor allem vor der unangenehmen Höhe. 2009 hatte man gegen
Bolivien mit 6:0 verloren, eine Schmach, die möglichst vermieden werden sollte.
Während des Spiels merkte man den
Weltstars die Probleme mit der Höhe deutlich an. Messi schlich über den Rasen,
konnte sich zwar einige Male gekonnt gegen 4 Gegenspieler durchsetzten, verlor
dann aber die Puste. Auf den Rängen war es für 45 000 furchtbar ruhig.
Irgendwie erscheinen mir die Bolivianer oder zumindest die Paceños [die
Lapazanesen] als weniger feurig als man sich im Allgemeinen Südamerikaner
vorstellt. Selbst kurz vor Schluss kam kaum Stimmung auf, als man die Chane
hätte 2:1 zu gewinnen und in der Qualigruppe Boden gut zu machen. Das Spiel
endete 1:1, es war schön anzusehen. Allerdings hatte ich mir vor allem von der
Stimmung mehr erhofft. Messi bekam nach dem Spiel und Kotzanfall Besuch des
bol. Präsidenten Evo Morales, der ihm einen roten Poncho als Gastgeschenk
übergab. So viel zum Starstatus von Fußballern.
Gegen späten Nachmittag war die
Partie beendet. Wir kämpften uns durch den Dschungel an Verkaufständen vorbei,
Richtung Hauptstraße. Ein weites Stück, noch dazu im gemächlichen Bummeltempo,
in dem fast alle Paceños täglich die Straßen lang schlendern. Mein Gastbruder
wollte außerdem an vielen Orten anhalten und etwas kaufen. Milchshake mit
Früchten und 6 Esslöffeln Zucker pro Glas, Pfirsiche und… Nach mehr als einer
Stunde hatten wir die Straße der Busse erreicht. Weil jetzt Feierabend war und
alle Stadiongänger auch einen Bus suchten, dauerte die Warterei weiter an.
Endlich zuhause ging die Suche
nach Abendessen wieder los. Welcher Imbiss sollte es sein. Selbst das
Rumgeblödel unter Geschwistern konnte die lange Stillephase nicht überbrücken.
Warten. Um kurz vor halb elf waren wir zuhause und aßen das Mitgebrachte.
Ein wartungsreicher, dennoch
schöner Tag, voller Eindrücke ging zu Ende, ebenso die Woche. Mein Gastvater
hatte die Karten übrigens für 110 gekauft, mehr als 50% Aufschlag, ich hatte es
mir fast gedacht. Aber das war jetzt auch egal.
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