Dienstag, 5. März 2013

fünf wochen - mal sehen

Hallo Interessierte,

mittlerweile sind fünf Wochen rum, seit ich auf 4000m gelandet bin. Seit eineinhalb Wochen arbeite ich Projekt, mit dem ich momentan noch etwas hadere, nicht weil mir die Arbeit nicht gefällt, sondern weil es einfach kaum welche gibt. Die Verständnisprobleme werden weniger, und das Heimwehgefühl im Bauch ist verschwunden. Mittlerweile darf ich alles essen, und habe mir schon an kleinen Paprikas den Mund verbrandt. Mit der Familie gibt es eigentlich keine Probleme und auch das Problem, dass man nie weis wie lange etwas dauert, stört mich nicht mehr. Ich wurde das erste Mal mit einem Touritrick reingelegt und am meisten Spaß machen die Wochenenden. 

Also eigentlich alles gut, ich hoffe bei euch auch. 

Viele liebe Grüße, auch wenn das Heimwehgefühl weg ist vermisse ich euch

Niklas

mittwoch, 27. februar

Der dritte Tag fing an wie der letzte aufgehört hatte. Ohne etwas tun zu müssen. Mittlerweile wunderte ich mich schon sehr, dass wieder alle nur vor ihren Computern saßen. Jetzt musste ich einfach fragen, ob das immer so sei und schon immer so war.
Bis vor einem Jahr, gab es wohl jeden Tag sehr viel zu tun. Zum einen wurde jeden Tag Material abgeholt, wofür sogar ein eigener großer Lastwagen zu Verfügung stand. Zum anderen wurde viel mit Schulen zusammen gearbeitet und auch Infoveranstaltungen auf der Straße waren keine Seltenheit. Ebenso wenig das Werben um Nachbarschaften, die bereit waren zusammen Recyclingmaterialen zu sammeln. Häufig musste sogar am Wochenende gearbeitet werden, um der Arbeit nachzukommen.
Die ganze Stiftung FUNDARE, ist jedoch eine non-profit-Organisation und ist somit auf Spendengelder angewiesen, welche auch ausreichend von inländischen Unternehmen und ausländischen Stiftungen in das Projekt gespült wurden. Ursprünglich wurde FUNDARE 2006 auf Vorbild ähnlicher Projekte, in anderen Ländern [Südamerikas], von europäischen Entwicklungsarbeitsorganisationen ins Leben gerufen. Aus dieser Zeit stammen das Programm, die grundlegenden Ideen und Broschüren dieses Projekts. Tatsächlich lief das Projekt, wie geschrieben, früher sehr gut an und besitzt/besaß einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, speziell in La Paz. Zusätzlich wurden in 2 weiteren großen Städten Büros eröffnet. La Paz ist tatsächlich sehr sauber, da viele Arbeiter, Straßenputzer und Müllabfuhren Tag und Nacht dafür sorgen. Dies ist aber nicht unsere Aufgabe. Wir sollen lehren warum Recycling wichtig ist, welche Auswirkungen Müll und verschwendete Rohstoffe haben und wie jeder selbst aktiv werden kann. Die Freiwilligen vor mir hatten bis auf den letzten alle sehr viel zu tun.
Vor eineinhalb Jahren allerdings begann die Regierung, den ausländischen Geldgebern zu verdeutlichen, dass BOLIVIEN nicht mehr auf diese Hilfe angewiesen sei, da sie nun selbst ein starkes Land seien. Auch die inländischen Unternehmen hörten auf Geld zu spenden. Die FUNDARE Angestellten bekamen 3 Monate kein Gehalt, der Parkplatz für den Lastwagen, mit dem die Materialien abgeholt wurden, konnte nicht mehr bezahlt und der Lastwagen selbst musste verkauft werden. Man konnte nicht mehr einsammeln wann man wollte, sondern musste einen Kleinstlastwagen mieten, mit dem ich auch schon gefahren bin. Der ist allerdings viel zu klein um große Mengen in einer riesigen Stadt, noch dazu zu limitierten Zeiten, einzusammeln.
Die Leute wollten nicht mehr ewig auf die Abholung warten, stattdessen entsorgen sie jetzt lieber selbst, mit dem normalen Müll. Hier gibt es keine Tonnen, Tüten werden bestenfalls am Abholtag auf die Straßen gelegt. Zum Recycling konnte man FUNDARE anrufen, die vorbei kamen und das Material mitnahmen. Für bestimme Kilomengen gibt es dann kleine Gaben, zum Beispiel in monetärer Form. Ich glaube, dass wir auch diese Geschenke nicht mehr zahlen können. Viele Schulen waren, aufgrund neuer Direktoren nicht mehr an einer Zusammenarbeit interessiert. So kommt eins zum anderen. Nun sitze ich also etwas ernüchtert in einem Projekt das langsam ausstirbt. Wahrscheinlich sollte ich nicht so pessimistisch sein, da es gerade mal ein paar Tage sind, die ich hier bin. Mir wurde auch versprochen, dass es in den anderen Monaten mehr zu Arbeiten gebe. Momentan bin ich aber etwas frustriert. Die Mitarbeiter werden zwar wieder bezahlt, dennoch spürt man im Büro keine Aufbruchstimmung. Ich sehe jetzt alles erstmal gelassen bolivianisch und warte die nächsten Wochen ab. So kann ich während der Arbeitszeit, z.B. diesen Bericht schreiben, oder Spanisch lernen, das hat ja auch etwas Gutes.

Weil der Nachmittag wieder frei war, konnte ich schon um sechs zuhause sein und hoffte endlich mal Zeit zum Hobbies suchen zu haben. Aber wie so oft sollte man nichts planen. Ich machs kurz. Eine Freundin meiner Mutter war zum Kaffee da. "Iss doch auch ein Stück, trink noch einen Schluck." "Willst du mit meine Freundin nachhause bringen?" "Wo wir schon hier sind lass was zu Abendessen kaufen, mein Mann hat gefragt ob wir uns treffen?" Um dann ein bestimmte Zubereitungsart von Huhn zu finden, fuhren wir durch die halbe Stadt. Um halb elf waren wir wieder zuhause. 
Man kann einfach nicht nein sagen. Außerdem ist es ja nicht böse gemeint, mit dieser Zeit, im Gegenteil. Aufgeregt habe ich mich auch noch nie, außer vielleicht am ersten Tag, an dem alles noch etwas neu war. Ein solcher Aufenthalt besitzt eben nun mal auch den Sinn sich auf andere Gepflogenheiten einzulassen, und ein anderes Zeitgefühl gehört da auf jeden Fall dazu. Es hätte auch keinen Sinn sich aufzuregen, da es an der Tatsache nichts ändert. Ich denke, dass ich nach diesem Jahr anfangen sollte zu Angeln, oder Cricket zu schauen. Irgendwie muss meine neugewonnene Geduld wohl gewinnbringend eingesetzt werden. 

Donnerstag

Am Donnerstag gab es wieder was zu tun, wir trafen uns bei einer Urbanisation. Urbanisationen sind kleine Viertel, ähnlich einer Straße, die ein gemeinsamen Eingang und somit ein eigenes Sicherheitssystem besitzen. Wir gingen zur Präsidentin dieser U. um ein Geschenk für den Nachbarschaftszusammenschluss, der viel recycelt hatte, zu überreichen. Es wurde besprochen, dass bald weitere Aktionen im Viertel stattfinden sollen. Das bedeutet, dass ich auf jeden Fall bald was zu tun haben werde. 

Nachmittags war ich auf dem Weg zu einem weiteren Treffpunkt, als mich ein Schuheputzer anbettelte meine Schuhe putzen zu dürfen. Obwohl mir diese Geste, von einer vor mir knieenden Person, die mir die Schuhe wienert, überhaupt nicht gefällt, kam ich mir noch ignoranter vor, einfach vorbeizulaufen und nicht mal einen Blick zu spenden. Ich hatte noch Zeit und einen Boliviano konnte ich wohl auch entbehren. Nicht ganz wohl in meiner Haupt und in Imperatorpose stand ich also da und unterhielt mich mit dem Putzer. Er war fertig und ich hielt ihm einen 10er-Schein hin und wartete auf mein Wechselgeld. Es fehlen weitere 10 da es ein besonderses Wachs gewesen sei. Ich wollte gehen und mir diese Frechheit nicht gefallen lassen. Das 20fache des normalen Preises, nur weil er dachte er kann einen Gringo reinlegen. 2€ sind jetzt möglicherweise nicht viel Geld, aber es ging mir ums Prinzip. Außerdem hatte ich bis jetzt alle Bolivianer als nett und hilfsbereit erlebt, diese Dreistigkeit schockte mich. Natürlich hatte man schon von solchen Schummlern gelesen, aber obwohl ich hier mit allen sehr vorsichtig bin, fiel ich selber darauf rein. Ich wollte gehen und aus der Situation fliehen, da standen weitere Schuheputzer auf und guckten mich an. Soll er eben ein doppeltes Mittagessen haben. Erschrocken, dass ich auf einmal diesen Hass entwickelt hatte ging ich weiter. Ab jetzt werde ich bei allen "Straßen-Diensten/Käufen" immer vorher bezahlen und verhandeln. Immerhin wurde ich nicht ausgeraubt, dachte ich mir. Man fällt einfach immer auf, und es kann Leute geben die das ausnutzten wollen. Leider, es ist mehr als Schade, es wurde mir aber nun bewusst. 
Danach wartete ich am Treffpunkt und wurde direkt angesprochen, ob ich nicht bestes Gras kaufen möchte. Dies war die endgültige Bestätigung, dass es schwer für mich sein wird unauffällig zu wirken. 
Mit dem Minibus ging es nach El Alto, die auf dem Altiplano gelegene Stadt, die mittlerweile mit La Paz verschmolzen ist. Nicht nur einige Höhenmeter trennen diese beiden Teile, es sind Welten. Unverputzte Häuser, ein noch höherer Anteil an indigener Bevölkerung, was bedeutet, dass ich erst Recht auffalle, tausende Menschen die aus kleinen Auslagen verkaufen und einige Tonnen Müll in denen Hunde wühlen. Wir warteten eine Stunde auf den Mini-Lastwagen, mit der wir 15km bis zum Einsatzsort fuhren. Ich durfte auf der Ladefläche mitfahren und konnte von dort aus alle Aktivitäten auf den Straßen und die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund sehen. Es war der bis jetzt beste Moment im Projekt.Nach einiger Zeit war es im Fahrtwind doch etwas frisch. 
In einem Hinterhof durften wir einen Flaschenvorrat abholen, der über 7 Monate gesammelt wurde: 350kg PET. Hier sind ein paar unscharfe Handyaufnahmen, die mein Kollege gemacht hat.
Voll beladen, mit zwei Menschen auf einem 2,5m Plastikhaufen auf der Ladefläche, ging es über schräge Schotterstraßen zu einer Schule. Das Flaschen und Menschen sich bei diesem Weg oben halten konnten, war ein Wunder. Auf dem Schulhof fand gerade Sportunterricht statt, eine Jungen und Mädchengruppe joggten ständig Schlachtrufe rufend über das staubige Gelände. Ich schaute mir kurz die Klassenzimmer an. 
Als wir dann fertig waren und die restlichen Flaschen aufgeladen hatten, war die Arbeit getan. Durch tausende Feierabendverkehre hindurch, war ich 3 Stunden später sogar zuhause angekommen. 

Freitag war wieder weniger los, ich ging um 3 nachhause und konnte dann noch zum Fußballspielen, das ich dringend nötig hatte. Das fettige Essen, die süßen Getränke und fast keine Bewegung, da man immer motorisiert von A nach B kommt, lassen zu viel ungenutzte Energie in meinem Körper. Ich merke, dass die Verschnaufspausen weniger werden und ich auch immer länger rennen kann. Ausgepowert ging es nachhause und in der Nacht mit dem anderen Freiwilligen samt dessen Schwester und Freund ins Nachtleben. Die ganze Kneipe war voll und er und ich wurden von allen Augen, vor allem weiblichen angeschaut. Nach einigen Runden seltsamen Kniffel ging es zum nächsten Laden. Auf dem Weg nach draußen wurden uns von fremden zahlreiche Getränke angeboten. Wir fallen also auf. Beim Tanzen verbrannte ich dann meine restliche Energie, als dann auch noch "Ab in den Süden" gespielt wurde, war der Abend erst recht gelungen. Plötzlich fingen meine Augen an zu tränen und ich keine Luft mehr bekam, dachte ich, der ganze Zigarettenrauch hätte Schuld. Auch die anderen röchelten und stürmten aus dem Kellerraum nach oben an die frische Luft. Die Polizei hatte eine in einer Schlägerei verwickelte Person gesucht, die hier untergetaucht war. Mit Hilfe von Tränengas wurden alle nach draußen gescheucht, wo die Polizei mit Gasmasken auf dem Kopf die gesuchte Person in Empfang nahm. Bei uns hätte es einen riesigen Aufschrei gegeben. Hier wurde, als sich der Nebel etwas verzogen hatte, dort weiter gemacht, wo man unterbrochen wurde. Es machte so Spaß, dass ich die Zeit vergaß und viel später als ausgemacht, zuhause ankam. Am nächsten Morgen gab es zurecht eine ruhige Ermahnung, die schlimmer als eine Standpauke war. In Bolivien sorgen sich die Eltern sehr um ihre Kinder, selbst wenn diese schon längst im Erwachsenenalter sind und wollen immer wissen, wo man sich befindet. Auch wenn es sonst mit Uhrzeiten eher lax zu geht, ist eine abendliche Ankunftszeit ein Zeitpunkt, der eingehalten werden muss, will keine Sorgen und Zorn bei Eltern produzieren. Nach einer Entschuldigung und einem Versprechen, dass es das einzige Mal war, waren die Wogen zumindest oberflächlich geglättet. Meine Gasteltern wirken eigentlich sehr direkt, aber man ist sich nie sicher, was sie für sich behalten. Ernsthafte Probleme würden sie, hoffe ich aber ansprechen. Nachmittags ging es zu einem Treffen mit allen Schülern und Freiwilligen die zur Zeit mit AFS in La Paz sind, und auch ehemalige bolivianische Austauschleute waren anwesend. Sie sind unsere Ansprechpartner bei Problemen. Typisch bolivianisch war, dass es ewig nicht los ging und keiner lange Zeit keiner von uns verstand um was es gehen sollte. Nun kenne ich meine Betreuer und sie machten alle einen sehr netten Eindruck. Bei Problemen werde ich mich auch an sie wenden können. 
Danach ging es noch zum Cousin meines Vaters zum Abendessen. 

Sonntag stand einkaufen auf dem Plan. Vorher wurde das erste Mal seit ich hier bin zusammen gefrühstückt. Zehn Brötchen für 40 Cent, fast wie bei uns. 10 große, selbstgemachte, süße Leckereien gibt es für 2,50€. Und die sind echt lecker. Es wurde zusammen gebetet und auf einmal hatten alle Tränen in den Augen. Verwundert über diesen unvorhergesehenen Gefühlsausbruch blickte ich auf meinen Teller. Plötzlich musste es schnell gehen, und wie immer wenn es losgehen soll, setzt sich der Fahrer ins Auto und hupt solange bis alle da sind. Warum diese Hektik, im Marktviertel war wie immer Stau. Nicht alle, aber viele kleine Stände und Läden haben geöffnet. Wir suchten erst nach Elektroartikeln. Man läuft durch ein Viertel, in dem es sowohl auf der Straße als auch in Erdgeschossläden alle möglichen Produkte gibt. Südostasien und vor allem China lassen grüßen. Alle Preissegmente sind verfügbar. Für 9€ erwarb ich ein originalverpacktes Gammelhandy, das bestimmt niemand klauen möchte. Außerdem kann man alle möglichen Computerprogramme, Videospiele, neueste Filme und was man sonst noch auf CD brennbar ist erwerben - natürlich nur Originale. 
Es ging zum Klamottenkauf. Um etwas zu finden, muss man allerdings länger suchen, da die alle Artikel auf engsten Raum vermischt sind und man nicht weis, was alles dabei sein könnte. Wer diese kostengünstigen Kleider hergestellt hat, möchte man wahrscheinlich gar nicht wissen. Trotzdem gibt auch hier für jeden Geldbeutel etwas zu finden. Jeans ab 9, möglicherweise gibt es billigere, bis zu Markenhemden für 70€. Das ganze Laufen macht hungrig und wir gingen zum Essen in eine Seitenstraße. Versteckenspielen zwischen allen Ständen bildete den Schlusspunkt und ich hatte die Orientierung total verloren. Wieder zuhause (1700) wurde entspannt. 
Montag war in der Arbeit mal wieder nichts los und ich dachte ich könnte abends dann endlich Sachen machen, die ich länger aufgeschoben hatte. Als meine Mutter dann anrief und fragte ob sie mich um 1730 mit nachhause nehmen sollte, erhoffte ich mir weiteren Zeitgewinn. Erst wenn ich darüber schreibe merke ich, dass es mich immer noch beschäftigt. Wir fuhren erst Abuelita nachhause, holten dort Pflanzen ab, mit denen ich mich auf dem Rücksitz wie im Urwald fühlte. Ich hatte noch weniger Platz als in einem der Transportmittel und dort stoße mich schon an allen Seiten an. Wir fuhren dann noch zu einer Bürobesichtigung, da meine Mutter wieder eine Immobilie zum Arbeiten braucht. Meine Schwester und ich warteten im Auto. Weitere Zeitangabe: um 2015 waren wir zuhause, Zeitgewinn -2h. Egal. Dann wurde Film geschaut, weil man das montagabends so macht. Erledigt habe ich natürlich nichts.

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