Sonntag, 31. März 2013

sieben wochen in den anden


mittwoch, 13.März

Fast schon natürlich gab es auch mittwochmorgens nichts anderes zu tun als für drei Stunden im Büro aufzukreuzen um sich dort erfolgreich die Zeit zu vertreiben, natürlich ohne großen Effekt auf soziales Engagement. Ernüchtert ging es nachhause, immerhin gab es heute wieder ein Champions League Spiel sehen und zu allem Überfluss trat kurz vor Spielbeginn auch noch der neue Papst in Rom auf den Balkon und grüßte huldvoll die jubelnden Mengen. FRANZISKUS I, also der erste südamerikanische Papst. „Wir sind Papst“, so ähnlich wurde das hier auch skandiert, nun war ich es also schon zum zweiten Mal, was nicht viele von sich behaupten können. Man hatte zwar eher mit einem Brasilianer gerechnet, aber auch durch diese Wahl fühlte man sich hier, endlich für all sein Glauben belohnt, obwohl die „Gauchos“ in Bolivien und im Rest Südamerikas nicht das beliebteste Volk sind. Radiosender und Fernsehstationen berichteten wie wild vom „Papa Americano“. http://www.youtube.com/watch?v=89hScBgBXds
Meine Gastmutter berichtete mir ganz stolz, dass Franziskus ebenso Jesuit sei, wie der Gründer der San Ignacio Schule, auf die meine Geschwister gehen. Nach 2 Tagen spätestens hatte sich der Trubel eigentlich schon wieder gelegt.

donnerstag, 14. März

Donnerstagmorgens war es in der Arbeit erneut sehr ruhig, um das ganze vorsichtig auszudrücken. Da nichts tun bekanntlich müde macht, wurde nachdem ich mittags zuhause war erst einmal eine kleine Siesta betrieben um abends für die Copa Libertadores Partie der Tigres aus La Paz fit zu sein. Es ging gegen keinen geringeren als den brasilianischen Verein Atletico Miniero, den aktuellen Verein des ehemaligen Weltfußballers. Einer meiner Arbeitskollegen, der fanatischer THE STRONGEST Fan ist [wie die Tigres eigentlich heißen] hatte mich eingeladen, doch mit ihm und seinen Freunden, die Mannschaft beim Sieg zu unterstützen. Wir trafen uns also vor dem Eingang zur Curva Sur, der Südkurve und Fanblock der STONGISTAS. Wir waren für bolivianische Verhältnisse sehr früh vor Ort und so blieb noch genügend Zeit für Vorbereitungen, wie Luftballons aufblasen und Papierschnipsel reißen. Dann war es soweit. Der große Ronaldinho betrat den Platz. Die Tage zuvor hatte er die Ehrenbürgerschaft La Paz erhalten und mit ihr, Geschenke aller traditionellen, bolivianischen Gegenstände. Sogar die gegnerischen Spieler zollten ihrem großen Idol Respekt und keiner wollte auf eine Umarmung und ein kleines Gespräch beim Händeschütteln vor Spielbeginn verzichten. Selbst als die Partie begonnen hatte, konnte man sich nur wundern, warum keiner sich traute einen Zweikampf mit dem mittlerweile etwas rundlicheren Ex-Weltfußballer zu bestreiten. Es ging sogar soweit, dass ein Tigresspieler den Ball statt zu klären ins eigene Tor schoss. Es wirkte fast so, als sollte dies ein Geschenk an den göttlichen Brasilianer mit Pferdeschwanz sein, der hinter dem Eigentorschützen einschussbereit auf den Ball wartete. Den Brasilianern war die Höhe deutlich anzumerken, doch auch ohne Bewegung war es ein Leichtes die unkreativen Tigres vom Tor fernzuhalten. Verglichen mit einer europäischen CL-Partie, wie am Vortag im Fernsehen, liegen Welten. Alles geschieht langsamer, gemächlicher und weniger durchdachten, taktischen Feinheiten. Das Spiel wurde leider 2:1 verloren. So genug von meiner Spielbetrachtung, ein Stenogram samt taktischer Analyse kann ich den Interessierten gerne persönlich schicken. Nach Partieende war es ein Chaos ein Transportmittel zu finden, da es leider viel zu wenige gab und zudem keines in meine Richtung. Nach 40min Wartezeit hatte ich dann einen Taxifahrer überreden können, mich für einen angemessenen Preis nachhause zu fahren. Er war sehr gesprächig, erzählte mir von seinem Land, seinem Leben, seinem Beruf und von den schönsten Frauen der Welt, den Cholitas. Er bot mir an, ob ich nicht auch eine kennen lernen wollte, ich bezeugte ihn in seinem Denken von den schönsten und freundlichsten Frauen, lehnte aber dankend ab. Von allen Fahrten bis jetzt und das waren einige, war dies bestimmt die witzigste. Glücklich, dass aus dem Tag doch noch etwas geworden war ging ich Bett.

freitag, 15. märz

Die nicht vorhandene Arbeit brauche ich gar nicht zu erwähnen und so springe ich zur Heimfahrt, bei der ich von meiner Gastmutter auf halber Strecke eingesammelt wurde. Da ihre Tochter, die für ein Jahr in Deutschland zur Schule geht, Probleme mit ihrer Gastfamilie hat, sollte ich als Dolmetscher fungieren und heraus bekommen, was an den Geschichten ihrer Tochter dran sei. Außerdem sollte ich bestimmte Nachrichten, die sie mir aufgeschrieben hatte vermitteln. Ich saß also zwischen den Fronten und einige Sachen, die ich aufgeschrieben bekommen hatte, waren so naiv formuliert, das sie bestimmt nicht zur Deeskalation der Sache beigetragen hätten, weshalb ich sie einfach gar nicht übersetzte. Da fragte ich mich wie viele Sachen z.B. in Regierungsgesprächen eigentlich nicht richtig, wissentlich falsch oder gar nicht übersetzt werden und musste innerlich grinsen. So weltoffen meine Gastfamilie auch tut, so glaubt sie auch, dass alle Sachen im Grunde ähnlich laufen wie hier vor Ort. Das man einer Familie mit Schwimmbad im Haus, Geld für das bisherige Beherbergen der Tochter anbietet, scheint ihnen z.B. selbstverständlich, auch das durch Geld oder Geschenke die gestörte Beziehung zwischen deutscher Gastfamilie und bolivianischer Tochter verbessert werden kann, erscheint ihnen schlüssig. Dass man hierzu in Deutschland anders steht, habe ich versucht zu erklären, aber akzeptiert wurde es glaube ich nicht so ganz. So saß ich also zwischen den Fronten. Nachdem ich mir die deutsche Familie angehört hatte, konnte ich auch ihre Probleme verstehen. Und wie so oft lagen diese einfach in der [fehlenden] Kommunikation und auch im falschen Verständnis anderer Kultur und deren Einstellungen.
Danach wurde wieder mit Kollegen meines Gastvaters gekickt, aber anscheinend scheint hier Fritz-Walter nicht so beliebt zu sein, weswegen wir nur wenige waren die im Regen dem Ball hinterher rannten. Abends hatte ich keine Lust mehr irgendetwas zu machen, um mein erstes freies Wochenende, d.h. ohne Verpflichtungen, früh zu starten.

samstag, 16. märz

Natürlich kam es dann doch anders. Keine Verpflichtungen waren wohl ein Wunschdenken gewesen. Ich hatte vor gehabt endlich einmal einzukaufen und sonstige Dinge zu erledigen, die ich mir seit Wochen aufgespart hatte. Nunja. Da am nächsten der Geburtstag meines Gastvaters war und heute noch eine Fete stattfinden sollte, musste natürlich das Haus auf Vordermann gebracht werden. Ich war dann also 3h mit Putzen der Küche beschäftigt, wahrscheinlich war ich wohl zu gründlich, wenn man die alten Fettflecken und sonstigen festgesetzten Schmutz betrachtet, der sich bestimmt nicht erst seit einer Woche dort die Zeit vertrieb. Danach wurde alles für das Grillen vorbereitet. Fleisch, Reis mit Käse, Blatt-, Zwiebel-, Tomatensalat, Kartoffeln und Yuka, das Wurzelstück einer Palme in Afrika auch Maniok. Dann wurde auf die Gäste gewartet, die sich typisch bolivianisch Zeit ließen. Um fünf sollte es losgehen, ein armer Tropf hatte es sogar pünktlich geschafft, ich frage mich warum. Um acht kam dann so langsam der Rest. Endlich gab es dann was zu Essen, während mein Vater die Wartezeit mit Trinken verbracht hatte, dementsprechend gut war er drauf und auch dem Fleisch merkte man die Wartezeit oder die mangelnde Konzentration des Grillmeisters – traditionell der Gastgeber des Hauses – an. Zäh. Ich redete ein wenig mit den Gästen, die ich ja vom Kollegenfußball kannte. Die Kinder gingen Fernsehschauen und um zwölf sollte noch ein Ständchen gesungen werden. Die meisten Gäste waren da schon wieder weg. Was dem Geburtstagskind wahrscheinlich sowieso nicht mehr auffiel, weitere drei Stunden  und etliches Anstoßen waren deutlich bemerkbar. Fröhlichkeit konnte man auch bei den noch dageblieben Gästen erkennen, wenn auch im gemäßigteren Rahmen als Veranstalter. In Bolivien wird generell gern getrunken. Und nicht nur die leichten Sachen. Komischerweise unter der Woche gar nicht, dafür wird bei Feiern das Verpasste nachgeholt, wie mir eine gesagt wurde. So war der Tag rum, ohne zu irgendetwas gekommen zu sein. Da auch das Internet mal wieder ausgefallen war, konnte ich die Lehrlauf Zeit nicht mal zum Nachrichten lesen verwenden.

sonntag, 17. märz

Der Tag begann wie der letzte. Warten bis alle aufgestanden waren, vorbereiten und einkaufen für den richtigen Geburtstag. Für meinen Gastvater begann der Tag dagegen, wie er aufgehört hatte. Als wir vom einkaufen zurück kamen, saß er mit seinem Cousin am Gartentisch mit einigen leeren Flaschen Bier, die, als wir vor eineinhalb Stunden gegangen waren, noch nicht dort standen. So langsam wurde es sogar meiner Gastmutter unheimlich und sie sagte mir, dass ich den Kuchen, den ich als Geburtstagsgeschenk backen wollte, heute nicht mehr fertig stellen bräuchte. Er wird das sowieso nicht merken, womit sie wahrscheinlich Recht hatte. Die falsche Schwarzwälder wollte ich trotzdem beginnen, wofür als erster Schritt Nüsse gemahlen werden mussten. Ohne Gerät im Haus, das zum Nüsse mahlen fähig wäre, mahlte ich das erste Mal in meinem Leben Nüsse mit einem Stein, was natürlich erheblich länger dauerte, als mit elektrischer Hilfe. Wie man in der Steinzeit wohl Kuchen gebacken hatte? Dann kam die Erlösung. Es ging zum Fußballspielen mit Freunden. Nahe dem Zentrum befindet sich ein kleiner Park, in dessen unterem Teil Fußballplätze gebaut sind. Aus Beton, der mittlerweile schon sehr abgewetzt ist. Es wird viel getrickst und jeder denkt er wäre ein Weltstar. Durch die relativ harten Zweikämpfe landet man auch gerne mal auf dem Betonboden, was auch mal wehtun kann. Kleine Felder und ein besonderer [Futsal-]Ball, der nicht hüpft, machen das Spiel sehr schnell und man kommt noch schneller aus der Puste. Es macht aber einen Riesenspaß. Nach Spielende geht man generell zusammen was trinken. Cola, Fanta, oder mein Favorit dunkles Malzbier und redet noch einmal über die besten Szenen. Dann ist es auch schon neun Uhr und man hat Glück, wenn man um diese Zeit noch ein Transportmittel Richtung anderes Ende der Stadt, in dem ich wohne, bekommen kann. Zuhause angekommen, hörte ich direkt, dass mein Gastvater seinen Ehrentag nun ausreichend genutzt hatte. Zugedeckt schnarchte er auf dem Sofa, dass eigentlich mehr zur Zierde im Eingangsbereich steht. Meine Gastmutter und -bruder waren bei der Gastoma, während meine Gastschwester zuhause geblieben war um ein Auge auf ihren Vater werfen zu können. Glücklich, weil die letzten Stunden, die Gedanken an den langweiligen Vortrag verdrängt hatten, ging es dann schlafen.

montag, 18. märz

Wie ab jetzt jeden Montag, geht’s morgens erstmal zum Arbeiten in die Urbanisation. Eigentlich ein gutes Zeichen, da es mich hoffen lässt, dass diese Woche möglicherweise mehr zu tun sei. Nach eineinhalb Stunden Tröte hupen, Megafon rufen, einsammeln, Sticker verteilen und sich bei den Hausangestellten bedanken, die uns ihren wieder verwertbaren Müll anvertrauen, geht es ins Haus der gastfreundlichen Koordinatorin dieser Nachbarschaft. Dort gibt es als Dank für die Hilfe einen frischgemachten Saft und Gebäck, was wirklich unglaublich freundlich ist und einen immer wieder strahlen lässt. Nach der Verpflegung geht es Richtung Büro, wo bei man Glück haben muss, dass noch nicht alle Mittag machen und die Türen verschlossen sind. Im Büro angekommen übermannte mich auf einmal ein furchtbares Kopfweh. Es kam so plötzlich und so stark, dass ich mir nicht vorstellen konnte was das sein könnte. Da es kein Sinn hatte mit diesen Schädel weitere Zeit im Büro abzusitzen ging ich nachhhause, wo ich mich erst einmal hinlegen musste. Nach einiger Zeit ging es wieder besser und ich bereitete den Rest des Kuchens vor, der nun für den morgigen Vatertag, statt für den Geburtstag sein sollte. Man muss eben flexibel sein. Innerlich graute es mir schon vor dem Vatertag, wenn ich an die deutschen Bräuche zum Tag des Erzeugers und das gerade vergangene Wochenende denken musste. Da mein Kopf immer noch mächtig brummte, konnte ich gar nicht viel denken und ging einfach schlafen.

dienstag, 19. märz

Das Kopfweh hatte sich eher verschlimmert als nachgelassen und so verbrachte ich den ganzen Morgen im Bett. Zum Vatertag – dia del padre – wurde fein gekocht und die Großmutter und der Onkel eingeladen. Hier einige Bilder. Nach dem Hauptgang hatte ich mich noch mit dem Aufschlagen, der schon festen, bräunlichen Sahne aus der Dose herumgekämpft, die einfach nicht steif werden wollte und in meinen Augen auch nicht wie Sahne aussah. Nach einiger Zeit glückte das Experiment mit dem bräunlichen Chemiegemisch und wenn ich mich nicht täusche war die Schlagsahne sogar fast weiß. Beim Nachtisch kam es letztendlich also doch noch zum großen Auftritt der falschen Schwarzwälder. Alle waren zum Glück begeistert, selbst mein Gastvater und der Onkel, die beide Süßspeisen nicht leiden können. Und ich kann sie durchaus verstehen, wenn ich schmecke wie viel Zucker in den hiesigen Süßspeisen verbraten wird. Dann gab es noch Geschenke an die beiden Väter – nein nicht an mich – sondern an den Onkel. Verwunderlich, dass um den Vatertag genauso viel Aufhebens wie um einen Geburtstag gemacht wird. Am Muttertag muss ich mir wahrscheinlich auch irgendetwas einfallen lassen. Dann wurde kurz geplauscht und die Gastoma und der Onkel gaben mir eine kleine Nachhilfestunde in Boliviens Geschichte und Gründe für die mangelnde Wirtschaftskraft des Landes. Da mein Kopf immer noch am Rauchen war, war das schwer zu verarbeiten und ich musste mich wieder Richtung Bett verabschieden, wo ich bis zum nächsten Morgen blieb.

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