mittwoch, 13.März
Fast schon natürlich gab es auch mittwochmorgens nichts
anderes zu tun als für drei Stunden im Büro aufzukreuzen um sich dort
erfolgreich die Zeit zu vertreiben, natürlich ohne großen Effekt auf soziales
Engagement. Ernüchtert ging es nachhause, immerhin gab es heute wieder ein
Champions League Spiel sehen und zu allem Überfluss trat kurz vor Spielbeginn
auch noch der neue Papst in Rom auf den Balkon und grüßte huldvoll die
jubelnden Mengen. FRANZISKUS I, also der erste südamerikanische Papst. „Wir
sind Papst“, so ähnlich wurde das hier auch skandiert, nun war ich es also
schon zum zweiten Mal, was nicht viele von sich behaupten können. Man hatte
zwar eher mit einem Brasilianer gerechnet, aber auch durch diese Wahl fühlte
man sich hier, endlich für all sein Glauben belohnt, obwohl die „Gauchos“ in
Bolivien und im Rest Südamerikas nicht das beliebteste Volk sind. Radiosender
und Fernsehstationen berichteten wie wild vom „Papa Americano“. http://www.youtube.com/watch?v=89hScBgBXds
Meine Gastmutter berichtete mir ganz stolz, dass Franziskus
ebenso Jesuit sei, wie der Gründer der San Ignacio Schule, auf die meine
Geschwister gehen. Nach 2 Tagen spätestens hatte sich der Trubel eigentlich
schon wieder gelegt.
donnerstag, 14. März
Donnerstagmorgens war es in der Arbeit erneut sehr ruhig, um
das ganze vorsichtig auszudrücken. Da nichts tun bekanntlich müde macht, wurde
nachdem ich mittags zuhause war erst einmal eine kleine Siesta betrieben um
abends für die Copa Libertadores Partie der Tigres aus La Paz fit zu sein. Es
ging gegen keinen geringeren als den brasilianischen Verein Atletico Miniero,
den aktuellen Verein des ehemaligen Weltfußballers. Einer meiner Arbeitskollegen,
der fanatischer THE STRONGEST Fan ist [wie die Tigres eigentlich heißen] hatte
mich eingeladen, doch mit ihm und seinen Freunden, die Mannschaft beim Sieg zu
unterstützen. Wir trafen uns also vor dem Eingang zur Curva Sur, der Südkurve
und Fanblock der STONGISTAS. Wir waren für bolivianische Verhältnisse sehr früh
vor Ort und so blieb noch genügend Zeit für Vorbereitungen, wie Luftballons
aufblasen und Papierschnipsel reißen. Dann war es soweit. Der große Ronaldinho
betrat den Platz. Die Tage zuvor hatte er die Ehrenbürgerschaft La Paz erhalten
und mit ihr, Geschenke aller traditionellen, bolivianischen Gegenstände. Sogar
die gegnerischen Spieler zollten ihrem großen Idol Respekt und keiner wollte
auf eine Umarmung und ein kleines Gespräch beim Händeschütteln vor Spielbeginn
verzichten. Selbst als die Partie begonnen hatte, konnte man sich nur wundern,
warum keiner sich traute einen Zweikampf mit dem mittlerweile etwas
rundlicheren Ex-Weltfußballer zu bestreiten. Es ging sogar soweit, dass ein
Tigresspieler den Ball statt zu klären ins eigene Tor schoss. Es wirkte fast
so, als sollte dies ein Geschenk an den göttlichen Brasilianer mit
Pferdeschwanz sein, der hinter dem Eigentorschützen einschussbereit auf den
Ball wartete. Den Brasilianern war die Höhe deutlich anzumerken, doch auch ohne
Bewegung war es ein Leichtes die unkreativen Tigres vom Tor fernzuhalten. Verglichen
mit einer europäischen CL-Partie, wie am Vortag im Fernsehen, liegen Welten.
Alles geschieht langsamer, gemächlicher und weniger durchdachten, taktischen
Feinheiten. Das Spiel wurde leider 2:1 verloren. So genug von meiner
Spielbetrachtung, ein Stenogram samt taktischer Analyse kann ich den
Interessierten gerne persönlich schicken. Nach Partieende war es ein Chaos ein
Transportmittel zu finden, da es leider viel zu wenige gab und zudem keines in
meine Richtung. Nach 40min Wartezeit hatte ich dann einen Taxifahrer überreden
können, mich für einen angemessenen Preis nachhause zu fahren. Er war sehr
gesprächig, erzählte mir von seinem Land, seinem Leben, seinem Beruf und von
den schönsten Frauen der Welt, den Cholitas. Er bot mir an, ob ich nicht auch
eine kennen lernen wollte, ich bezeugte ihn in seinem Denken von den schönsten
und freundlichsten Frauen, lehnte aber dankend ab. Von allen Fahrten bis jetzt
und das waren einige, war dies bestimmt die witzigste. Glücklich, dass aus dem
Tag doch noch etwas geworden war ging ich Bett.
freitag, 15. märz
Die nicht vorhandene Arbeit brauche ich gar nicht zu
erwähnen und so springe ich zur Heimfahrt, bei der ich von meiner Gastmutter
auf halber Strecke eingesammelt wurde. Da ihre Tochter, die für ein Jahr in
Deutschland zur Schule geht, Probleme mit ihrer Gastfamilie hat, sollte ich als
Dolmetscher fungieren und heraus bekommen, was an den Geschichten ihrer Tochter
dran sei. Außerdem sollte ich bestimmte Nachrichten, die sie mir aufgeschrieben
hatte vermitteln. Ich saß also zwischen den Fronten und einige Sachen, die ich
aufgeschrieben bekommen hatte, waren so naiv formuliert, das sie bestimmt nicht
zur Deeskalation der Sache beigetragen hätten, weshalb ich sie einfach gar
nicht übersetzte. Da fragte ich mich wie viele Sachen z.B. in
Regierungsgesprächen eigentlich nicht richtig, wissentlich falsch oder gar
nicht übersetzt werden und musste innerlich grinsen. So weltoffen meine
Gastfamilie auch tut, so glaubt sie auch, dass alle Sachen im Grunde ähnlich
laufen wie hier vor Ort. Das man einer Familie mit Schwimmbad im Haus, Geld für
das bisherige Beherbergen der Tochter anbietet, scheint ihnen z.B. selbstverständlich,
auch das durch Geld oder Geschenke die gestörte Beziehung zwischen deutscher
Gastfamilie und bolivianischer Tochter verbessert werden kann, erscheint ihnen
schlüssig. Dass man hierzu in Deutschland anders steht, habe ich versucht zu
erklären, aber akzeptiert wurde es glaube ich nicht so ganz. So saß ich also
zwischen den Fronten. Nachdem ich mir die deutsche Familie angehört hatte,
konnte ich auch ihre Probleme verstehen. Und wie so oft lagen diese einfach in
der [fehlenden] Kommunikation und auch im falschen Verständnis anderer Kultur
und deren Einstellungen.
Danach wurde wieder mit Kollegen meines Gastvaters gekickt,
aber anscheinend scheint hier Fritz-Walter nicht so beliebt zu sein, weswegen
wir nur wenige waren die im Regen dem Ball hinterher rannten. Abends hatte ich
keine Lust mehr irgendetwas zu machen, um mein erstes freies Wochenende, d.h. ohne
Verpflichtungen, früh zu starten.
samstag, 16. märz
Natürlich kam es dann doch anders. Keine Verpflichtungen
waren wohl ein Wunschdenken gewesen. Ich hatte vor gehabt endlich einmal
einzukaufen und sonstige Dinge zu erledigen, die ich mir seit Wochen aufgespart
hatte. Nunja. Da am nächsten der Geburtstag meines Gastvaters war und heute
noch eine Fete stattfinden sollte, musste natürlich das Haus auf Vordermann
gebracht werden. Ich war dann also 3h mit Putzen der Küche beschäftigt,
wahrscheinlich war ich wohl zu gründlich, wenn man die alten Fettflecken und
sonstigen festgesetzten Schmutz betrachtet, der sich bestimmt nicht erst seit
einer Woche dort die Zeit vertrieb. Danach wurde alles für das Grillen
vorbereitet. Fleisch, Reis mit Käse, Blatt-, Zwiebel-, Tomatensalat, Kartoffeln
und Yuka, das Wurzelstück einer Palme in Afrika auch Maniok. Dann wurde auf die
Gäste gewartet, die sich typisch bolivianisch Zeit ließen. Um fünf sollte es
losgehen, ein armer Tropf hatte es sogar pünktlich geschafft, ich frage mich
warum. Um acht kam dann so langsam der Rest. Endlich gab es dann was zu Essen,
während mein Vater die Wartezeit mit Trinken verbracht hatte, dementsprechend
gut war er drauf und auch dem Fleisch merkte man die Wartezeit oder die
mangelnde Konzentration des Grillmeisters – traditionell der Gastgeber des
Hauses – an. Zäh. Ich redete ein wenig mit den Gästen, die ich ja vom
Kollegenfußball kannte. Die Kinder gingen Fernsehschauen und um zwölf sollte
noch ein Ständchen gesungen werden. Die meisten Gäste waren da schon wieder
weg. Was dem Geburtstagskind wahrscheinlich sowieso nicht mehr auffiel, weitere
drei Stunden und etliches Anstoßen waren
deutlich bemerkbar. Fröhlichkeit konnte man auch bei den noch dageblieben
Gästen erkennen, wenn auch im gemäßigteren Rahmen als Veranstalter. In Bolivien
wird generell gern getrunken. Und nicht nur die leichten Sachen. Komischerweise
unter der Woche gar nicht, dafür wird bei Feiern das Verpasste nachgeholt, wie
mir eine gesagt wurde. So war der Tag rum, ohne zu irgendetwas gekommen zu
sein. Da auch das Internet mal wieder ausgefallen war, konnte ich die Lehrlauf
Zeit nicht mal zum Nachrichten lesen verwenden.
sonntag, 17. märz
Der Tag begann wie der letzte. Warten bis alle aufgestanden
waren, vorbereiten und einkaufen für den richtigen Geburtstag. Für meinen
Gastvater begann der Tag dagegen, wie er aufgehört hatte. Als wir vom einkaufen
zurück kamen, saß er mit seinem Cousin am Gartentisch mit einigen leeren
Flaschen Bier, die, als wir vor eineinhalb Stunden gegangen waren, noch nicht
dort standen. So langsam wurde es sogar meiner Gastmutter unheimlich und sie
sagte mir, dass ich den Kuchen, den ich als Geburtstagsgeschenk backen wollte,
heute nicht mehr fertig stellen bräuchte. Er wird das sowieso nicht merken,
womit sie wahrscheinlich Recht hatte. Die falsche Schwarzwälder wollte ich
trotzdem beginnen, wofür als erster Schritt Nüsse gemahlen werden mussten. Ohne
Gerät im Haus, das zum Nüsse mahlen fähig wäre, mahlte ich das erste Mal in
meinem Leben Nüsse mit einem Stein, was natürlich erheblich länger dauerte, als
mit elektrischer Hilfe. Wie man in der Steinzeit wohl Kuchen gebacken hatte? Dann
kam die Erlösung. Es ging zum Fußballspielen mit Freunden. Nahe dem Zentrum
befindet sich ein kleiner Park, in dessen unterem Teil Fußballplätze gebaut
sind. Aus Beton, der mittlerweile schon sehr abgewetzt ist. Es wird viel
getrickst und jeder denkt er wäre ein Weltstar. Durch die relativ harten
Zweikämpfe landet man auch gerne mal auf dem Betonboden, was auch mal wehtun
kann. Kleine Felder und ein besonderer [Futsal-]Ball, der nicht hüpft, machen
das Spiel sehr schnell und man kommt noch schneller aus der Puste. Es macht aber
einen Riesenspaß. Nach Spielende geht man generell zusammen was trinken. Cola,
Fanta, oder mein Favorit dunkles Malzbier und redet noch einmal über die besten
Szenen. Dann ist es auch schon neun Uhr und man hat Glück, wenn man um diese
Zeit noch ein Transportmittel Richtung anderes Ende der Stadt, in dem ich
wohne, bekommen kann. Zuhause angekommen, hörte ich direkt, dass mein Gastvater
seinen Ehrentag nun ausreichend genutzt hatte. Zugedeckt schnarchte er auf dem
Sofa, dass eigentlich mehr zur Zierde im Eingangsbereich steht. Meine
Gastmutter und -bruder waren bei der Gastoma, während meine Gastschwester
zuhause geblieben war um ein Auge auf ihren Vater werfen zu können. Glücklich,
weil die letzten Stunden, die Gedanken an den langweiligen Vortrag verdrängt
hatten, ging es dann schlafen.
montag, 18. märz
Wie ab jetzt jeden Montag, geht’s morgens erstmal zum
Arbeiten in die Urbanisation. Eigentlich ein gutes Zeichen, da es mich hoffen
lässt, dass diese Woche möglicherweise mehr zu tun sei. Nach eineinhalb Stunden
Tröte hupen, Megafon rufen, einsammeln, Sticker verteilen und sich bei den
Hausangestellten bedanken, die uns ihren wieder verwertbaren Müll anvertrauen,
geht es ins Haus der gastfreundlichen Koordinatorin dieser Nachbarschaft. Dort
gibt es als Dank für die Hilfe einen frischgemachten Saft und Gebäck, was
wirklich unglaublich freundlich ist und einen immer wieder strahlen lässt. Nach
der Verpflegung geht es Richtung Büro, wo bei man Glück haben muss, dass noch
nicht alle Mittag machen und die Türen verschlossen sind. Im Büro angekommen
übermannte mich auf einmal ein furchtbares Kopfweh. Es kam so plötzlich und so
stark, dass ich mir nicht vorstellen konnte was das sein könnte. Da es kein
Sinn hatte mit diesen Schädel weitere Zeit im Büro abzusitzen ging ich
nachhhause, wo ich mich erst einmal hinlegen musste. Nach einiger Zeit ging es
wieder besser und ich bereitete den Rest des Kuchens vor, der nun für den
morgigen Vatertag, statt für den Geburtstag sein sollte. Man muss eben flexibel
sein. Innerlich graute es mir schon vor dem Vatertag, wenn ich an die deutschen
Bräuche zum Tag des Erzeugers und das gerade vergangene Wochenende denken
musste. Da mein Kopf immer noch mächtig brummte, konnte ich gar nicht viel
denken und ging einfach schlafen.
dienstag, 19. märz
Das Kopfweh hatte sich eher verschlimmert als nachgelassen
und so verbrachte ich den ganzen Morgen im Bett. Zum Vatertag – dia del padre –
wurde fein gekocht und die Großmutter und der Onkel eingeladen. Hier einige
Bilder. Nach dem Hauptgang hatte ich mich noch mit dem Aufschlagen, der schon
festen, bräunlichen Sahne aus der Dose herumgekämpft, die einfach nicht steif
werden wollte und in meinen Augen auch nicht wie Sahne aussah. Nach einiger
Zeit glückte das Experiment mit dem bräunlichen Chemiegemisch und wenn ich mich
nicht täusche war die Schlagsahne sogar fast weiß. Beim Nachtisch kam es
letztendlich also doch noch zum großen Auftritt der falschen Schwarzwälder.
Alle waren zum Glück begeistert, selbst mein Gastvater und der Onkel, die beide
Süßspeisen nicht leiden können. Und ich kann sie durchaus verstehen, wenn ich
schmecke wie viel Zucker in den hiesigen Süßspeisen verbraten wird. Dann gab es
noch Geschenke an die beiden Väter – nein nicht an mich – sondern an den Onkel.
Verwunderlich, dass um den Vatertag genauso viel Aufhebens wie um einen
Geburtstag gemacht wird. Am Muttertag muss ich mir wahrscheinlich auch
irgendetwas einfallen lassen. Dann wurde kurz geplauscht und die Gastoma und
der Onkel gaben mir eine kleine Nachhilfestunde in Boliviens Geschichte und
Gründe für die mangelnde Wirtschaftskraft des Landes. Da mein Kopf immer noch
am Rauchen war, war das schwer zu verarbeiten und ich musste mich wieder
Richtung Bett verabschieden, wo ich bis zum nächsten Morgen blieb.
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