Montag, 29. April 2013

eieiei drei ganze monate


mittwoch, 24. april

Die Medikamente gegen den Ausschlag waren versprochen stark und auszehrend, durch das ständige Jucken hatte ich zudem erneut schlecht geschlafen. Am Morgen ging es deswegen überhaupt nicht und ich blieb zuhause. Beim Mittagessen ging es mir immer noch nicht besser und meine Gasteltern machten mir mit ihren Krankheitsbefunden Angst. Es half alles nichts ich ging in Krankenhaus um mich überprüfen zu lassen. Obwohl meine Gasteltern von Todesgefahr für mich sprachen, hielt es keiner für notwendig mich zum Arzt zu fahren. Etwas geschwächt fuhr ich also alleine mit dem Bus.
Im Krankenhaus angekommen musste ich erst einmal um Aufmerksamkeit nerven. Ich fragte so häufig nach einem Arzt, bis ich nach 40min endlich Auskunft bekam und tatsächlich drankam. Der Arzt gratulierte mir zuerst zum Bayernsieg und zur momentanen Führung der Borussia, was ich wegen meines Wartens nicht mitbekommen hatte. Witziger Kerl, der Onkel Doktor. Nach etwas Smalltalk wurde ich sogar noch überprüft und es schien sich nur um eine gewöhnliche Allergie zu handeln - keine lebensbedrohliche Vergiftung wir mir prophezeit worden war. Wegen was die Allergie vorlag konnte er allerdings auch nicht sagen. Ich bekam Tabletten und Creme verschrieben, mit der der Ausschlag zurück getrieben werden sollte. Zudem bekam ich eine Spritze, die sofort helfen sollte. Die Krankenschwester hatte allerdings Probleme meine blau leuchtende Vene zu erkennen, weshalb ich noch immer einen blauen Fleck am Arm besitze. Samt Rezept ging es zur Apotheke, hinter deren Theke emsig gewirbelt und gesucht wurde. Sie war gut ausgestattet und man fand die mir verschriebenen Mittel sofort. Wegen meiner Spezialweltwärtsversicherung war es dann etwas komplizierter alles richtig abzuwickeln. Dennoch konnte ich danach versuchen die letzten Champions League Minuten zu sehen. Vor einem Fernsehgeschäft wurde ich fündig. 10 Bolivianer standen willkürlich vor dem Schaufenster und glotzen auf einen der Monitore. Ich schloss mich an.
Nach Ende des Fernsehtests ging es nachhause. Da ich zur Erholung des Körpers eine Woche Sportverbot bekommen hatte, fiel Kung Fu leider aus. Außerdem sollte ich bis Montag keine komplizierten Speisen essen. Konkret begann die Phase von Wasser und Brot. Da muss ich wohl durch.

donnerstag, 25. april

Das Jucken hatte nachgelassen und ich konnte wieder zum Zeit absitzen ins Büro. Anschließend ging es nachhause, ich telefonierte nachhause und las. Dann war der Tag auch schon rum. Ich hatte sogar etwas Reis, Kartoffeln und trockenes Hackfleisch erhascht.

freitag, 26. april

Wann ist dieses unerträgliche Rumgesitze endlich vorbei?
Mittags aß ich trocken Brot und noch trockenere Kekse in einem Park und genoß im Schatten die Sonne. Mittags ging ich zum Haus des anderen Freiwilligen und die Terrasse wurde endgültig gesäubert. Eine braune Kackbrühe schoss aus dem 6m hohen Abfluss auf die Straße und verschmutzte die unterliegenden Fenster. Passanten wunderten sich über die Ursache der braunen Flüssigkeit und winkten freundlich als sie uns sahen.
Zusammen mit seiner Gastschwester gingen zum Billiardspielen. Wie lange man brauchen kann um sich zum Billiardspielen fein zu machen habe ich heute bei ihr gemerkt. Der Laden war überfüllt mit Touristengringos, die seltsame Dinge über Bolivien redeten und noch nicht einmal an der Oberfläche des Landes gekratzt hatten. Wir zwei sind froh, dass wir innerhalb eines Jahres die Möglichkeit haben, etwas weiter einzutauchen. Da für mich auch Alkohol verboten war, genoss ich zum Ausgehen einen schönen Tee. Gegen eins ging es für mich im Taxi wieder nachhause.

samstag, 27. april

Um 10 Uhr dauerte es fast zwei Stunden, um es im morgendlichen Verkehr von meinem Haus zum Haus des anderen Freiwilligen zu schaffen. Heute sollten Pflanzen für die Terrasse gesucht und eingegraben werden.
Mit unserem Vorhaben hatten wir mittlerweile sogar seine Gasteltern mobilisiert. Statt Pflanzen zu suchen, wurde altes Gerümpel durchsucht und unbenutzte Bänke und Stühle gefunden. Zur deren Herrichtung mussten jedoch Schmirgelpapier und Lack gekauft werden, weswegen in einen kleinen Heimwerkerladen in den Marktstraßen gingen. Tatsächlich fanden wir alles und bezahlten einiges weniger, weil der besoffene Verkäufer nicht mehr zum Rechnen im Stande war. Selber Schuld, sagte der Gastvater. Ein weiterer Besoffener kreuzte unseren Weg, er starrte mich an und rief mir ein freundliches „ey choco“ entgegen, etwa „hey blondie“. Wir konnten alle nicht anders als lachen, weil die Situation einfach zu komisch war. Nachdem ich mein eigenes Süppchen gekocht bekommen und wir gemeinsam zu Mittag gegessen hatten, wurde den gesamten Nachmittag ans geschmirgelt und gestrichen.
Abends trafen wir uns mit anderen Freiwilligen zu einer Mordsparty, die vor lauter Ansturm aufs Umland verlegt wurde, da es in La Paz nicht genügend Kapazitäten gab. Ich durfte nichts trinken, was sehr gut war. Eine witzige Taxifahrt – zu acht plus Fahrer in einem Fünfsitzer – witzige Gespräche und gute Musik ließen den Abend verheißungsvoll beginnen. Von den 600 erwarteten Gästen hatten es vielleicht 80 auf das Gelände geschafft. 30 tanzten. Uns war das egal. Das Bolivianer es mit Zusagen nicht so genau nehmen waren wir schon gewöhnt. Nach dem wir uns alle kurz ausgeruht hatten, gingen unerwartet um zwei die Lichter an. Bis um fünf hätte es laut Plan mindestens weitergehen sollen, weswegen ich meinen Gasteltern erzählt hatte, dass ich im Haus des anderen Freiwilligen schlafen würde. In Bolivien besitzen die Eltern ein sehr großen Einfluss auf ihre Kinder und selbst 34-jährige müssen manchmal schon um 1 nachhause zu Mutti, die sich sonst Sorgen machen würde. Meine Familie erlaubt mir immer bis um 3 auszugehen. Anders als bei sonstigen Zeitangaben gilt es hier pünktlich zu sein, will man niemanden verärgern.
Das war also das wilde bolivianische Feiervolk, als welches sie sich selber bezeichnen. Ehrlich gesagt ist bei den meisten deutschen Feiern mehr los und länger dauern tun sie auch. Wir wurden sogar aufgefordert, das Gelände sofort zu verlassen. Abmarsch dachten wir uns. Taxis gab es auch keine und wir hatten Glück 20min außerhalb La Paz doch noch eines zu finden. Ein wenig ernüchtert und enttäuscht von den bolivianischen Feierbiestern ging es gemeinsam nachhause. Wenigstens bedeutete die frühere Uhrzeit mehr Schlaf.

sonntag, 28. april

Der dann doch nicht zustande kam, weil es im Zimmer bitterkalt wurde und alle Decken nicht ausreichten. Es wird Winter, was sich vor allem durch Wolkenlosigkeit ausdrückt. Tagsüber bedeutet das in der Sonne angenehme fast heiße Temperaturen, nachts nähern sich die Temperaturen allerdings dem Gefrierpunkt an. Irgendwie fand ich im Zimmer noch einen Schlafsack, in dem eingewickelt ich doch noch bis kurz vor 12 schlief. Mein Körperschmuck juckte gar nicht mehr und hatte sich mittlerweile erträglich zurückgezogen.
Mittags wurde gemeinsam das Essen vorbereitet, was wirklich Spaß machte und mich an eine Familie erinnerte. Der 12-jährige Gastcousin, der im selben Haus wohnt, war runter gekommen und half beim Schmirgeln und anschließenden Essen mit. Ein kleines, rundes, aufgewecktes Kerlchen, der so viel redete, dass kein anderer am Tisch zu Wort kam. Den Nachmittag über wurde gearbeitet.
Gegen halb sieben wurde es dunkel und wollte mich auf den Weg nachhause machen. Ich wartete noch auf die Gastschwester, die in dieselbe Richtung musste und ewig brauchte um sich schick zu machen. Während der Busfahrt unterhielten wir uns nett und ich fragte mich warum meine Gastschwester nicht auch sein könnte.
Zuhause war meine eigentliche Gastfamilie gerade am Abendbrot und ich war von ihren Gesprächen über Geld und anderen unnötigen Gesprächstoff gelangweilt. Möglicherweise lag es auch daran, dass ich das ganze Wochenende mit dem genauen Gegenteil einer Gastfamilie verbracht hatte. Der Kontrast der Beiden wurde mir wieder zu deutlich. Als dann auch noch ein arroganter Witz auf Kosten der anderen Gastfamilie fiel, war ich fast geneigt aufzustehen, riss mich aber noch zusammen. Meine Gastmutter war wieder besser drauf und ich unterhielt mich ein wenig mit ihr, trotzdem erfüllte eine seltsame Stimmung den Raum.
Mein Gastbruder und ich schauten die bolivianische Sportschau, die vor lauter Werbung unerträglich ist. Der Moderator preist ungeniert Produkte an, greift sich z.B. an die Krawatte und schwärmt von ihren Eigenschaften, eine Flasche Cola wird mit solchem Genuss getrunken und anschließend in die Kamera gehalten, das man vor Peinlichkeit brechen möchte. Wenn inzwischen der ständigen Werbepausen tatsächlich ein Spielausschnitt gezeigt wird, kann man den Ball meistens nicht sehen, da ein Drittel des Bildschirms mit Werbebannern voll gekleistert ist. Nach zehn Minuten hatte ich genug und verabschiedete mich ins Bett. Ich wurde wieder daran erinnert warum ich hier kaum Fernsehen gucke.

montag, 29. april

Ich quälte mich aus dem Bett, freute mich jedoch, dass heute der letzte Essensgefängnistag anstand. Endlich Schluss mit Wasser und Brot. Wie jeden Montag ging es in die Retamas. Erneut hatten wir viel zu schleppen und die Leute werden so langsam gierig nach Belohnungen. Statt einem Sticker für ihre erbrachten Materialien, hätten sich gerne mindestens zwei. So Leid es mir tut, kann ich diesen Wunsch nicht erfüllen. Allerdings beweist es, dass viele Menschen nie zufrieden sind, mit dem was sie haben.
Bei Kiwisaft wurde im Haus der Organisatorin noch nett geplauscht, ehe ich mich auf den Weg in Richtung Zentrum machte. Ich vertrieb mir die Wartezeit auf Onkel Doktor mit einem Spaziergang durch das Viertel und probierte trockene Leckereien der Bäckereien. In einem winzigen Park angekommen betrachtete ich den Streit eines jungen Pärchens. Wie alle anderen Betrachter, die sich angesammelt hatten wunderte ich mich über die penetrante, laute Art des Mädchens. Eine ältere Frau echauffierte sich lautstark. „Was für eine Göre, dieses Mädchen.“ Irgendwann legte sich die Aufregung und der Menschenauflauf verschwand. Ich begab mich Richtung Krankenhaus. Trotz festen Termins wartete ich fast eine Stunde auf das Erscheinen des Arztes. Als ich gerade gehen wollte, traf er ein. Alles gut, ich könne wieder normal Essen und Sport treiben.
Daraufhin stattete ich dem nahe gelegenen AFS-Büro einen Besuch ab, um mich über den Fortschritt des Projektwechsels zu erkundigen. In meiner Freizeit hatte ich selber bei anderen Projekten angefragt und hatte sogar Zusagen. Obwohl mir vor 3 Wochen noch dazu geraten wurde, hatte meine Selbstinitiative keinen Sinn gehabt. Wegen des komplizierten weltwärts-Modus müsste erst mit Deutschland geklärt werden, wie es genau weitergehe. Dies war in drei Wochen noch anscheinend noch nicht geschehen, was mich dezent ärgerte. Einen Monat Zeit solle ich ihnen geben. Nun waren also drei Monate meines Freiwilligendienstes um, von denen ich noch kaum „GEDIENT“ habe. Mit dem Wissen der Erlebnisse anderer Freiwilliger zweifle am Modell des Auslandseinsatzes zur Hilfe anderer Nationen immer mehr. Mehr dazu im bald erscheinenden 3-Monats Rückblick. Das ein Wechsel weitere Wochen dauern sollte, ließ meine Hoffnung in die gerade gestartete Woche, auf das Level der Möglichkeit für bolivianisches Meer sinken.
Ernüchtert verließ ich das Büro. Mittlerweile war es fünf Uhr und ich ging so früh wie nie zur Kungfustunde. Mit 2 Kindern und ein weiteren Lernenden begann die Stunde. Da die Kinder kaum aufpassten wurden wir ständig mit Liegestützen oder ähnlichen bestraft und mein Lerneffekt betrug null. Zu allem Übel fiel hinter mir ein Gemälde zu Boden. Laut Meister war mein Karma zerstört und der Geist des Bildes verstört. Um ihn wieder zufrieden zustellen und mein inneres Gleichgewicht aufzuladen, kniete ich zehn Minuten mit gefalteten Händen vor dem Bild. Die Stunde war vorbei und meine Laune hatte sich nicht merklich verbessert.
Ein gebrauchter Tag ging zu Ende.

dienstag, 30. april

Um 0830 traf ich mit meiner Mitarbeiterin in El Alto. Zur gewohnten Arbeitszeit bräuchte ich wegen des Verkehrs für diese Strecke ca. zwei Stunden, weshalb ich mich um 0645 auf den Weg machte. Ich hatte aber völlig unterschätzt, dass es zu so früher Stunde kaum welchen gab. So war ich schon um 0745 am Treffpunkt. Ich war schneller gewesen als so manches Mal auf dem Weg zur Arbeit, welche auf der Hälfte der Strecke liegt. Mir wurde wieder bewusst, wie viel Zeit ich schon in Staus zugebracht hatte.
So hieß erst einmal in der Kälte warten, da es auf der Hochebene noch um einige Grade kälter ist. Nachts kann man sogar schon Frost bestaunen.
Wir machten uns auf die Suche nach dem Aufklärungsmarkt auf dem wir an einem Stand über Recycling aufklären sollten. Um Neun sollte dieser beginnen, war aber an der uns gesagten Stelle nicht auzufinden. So irrten und fragten wir eineinhalb Stunden herum nur am Ende zum Ausgangspunkt zurück zu kehren, wo gerade begonnen wurde aufzubauen. Achja die Zeit. Zwei Stunden nach Plan ging es tatsächlich mit Eröffnungsrede und Theaterstück los. Mütter und Schulklassen stürmten zu unserem Stand und stellten Fragen auf Fragen, denen wir bereitwillig Antwort gaben. Die mitgebrachten Broschüren gingen weg wie warme Semmeln, jedoch nicht ohne diese vorher erläutert zu haben. Nach 2 Monaten im Projekt hatte ich endlich das erste Mal die Ehre, den Hauptaufgabe FUNDAREs zu erledigen. Aufklärung und Lehren über Recycling. Es machte richtig Spaß. Zum allerersten Mal fühlte ich mich hilfreich. 2 Stunden lang erzählten und erklärten wir und nicht wenige waren zu unserem Stand gekommen um einen Blick auf den Blonden zu erhaschen. Sie blieben aber auch stehen und hörten zu. Wenn ich so durch meine Auffälligkeit helfen kann, ist mir das angestarrt werden gerne Recht. Dann war der erfreuliche Einsatz schon wieder vorbei, es wurden abschließende Bilder mit den Veranstaltern gemacht. Als alle Leute verschwunden waren wurde deutlich, dass noch viel über Recycling erklärt werden muss. Die vorher saubere Straße, in der das Event stattgefunden hatte, war nun übersäht von Müll. Die gleichen Leute, die soeben noch interessiert gelauscht hatten, hatten Infomaterialien, Verpackungen des geschenkten Frühstücks und Bananenschalen auf dem schnellsten Weg entsorgt. Etwas resigniert machten wir uns auf den Heimweg. Sollten jedoch ein paar wenige Kinder und einige der Frauen, die dies ihren Freundinnen erzählen würden unsere Botschaft verstanden haben, war unser Einsatz erfolgreich gewesen. Und davon gehe ich aus.
Mittags war ich wieder zuhause, wo ich einige komische Bitten meiner Gastmutter erfüllen sollte. Obwohl sie den ganzen Morgen zuhause verbracht hatte, war sie nicht in der Lage gewesen dies selber zu erledigen und war jetzt im Stress, weil in einer Stunde ihre alten Schulfreundinnen eintreffen sollten. Irgendwie werde ich aus den Launen dieser Frau nicht so wirklich Schlau.
Gegen Nachmittag durfte ich auch die Bekanntschaft mit ihren Freundinnen machen, die sie seit 30 Jahren nicht gesehen hatte. Künstliches Lachen und erheitert sein verhießen fünf Minuten Fremdscham. Das ist Niklas. Er ist so lustig. Erzähl doch mal was Lustiges so wie neulich, weist du noch. Hahahahaha. Zum Glück war der Spuk bald vorbei.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Spanisch lernen und lesen.
So ging auch die dreizehnte Woche zu Ende und ich bin erstaunt, wie schnell ein Viertel meiner Zeit vorbei gerauscht ist.

12te woche


mittwoch, 17. april

Heute ging ich mit meinen Einsammelkollegen einsammeln. Zumindest sagten wir das unserem Chef. Denn eigentlich gab es wie so oft nichts zu tun. Wir machten einen kleinen Ausflug nach El Alto, wo sie mir unbedingt eine bestimmte Suppe zeigen wollten. So fuhren wir also im Frühtau zu Bergen, auf die Stadt auf der Hochebene. Geduld war angebracht, denn unser Lastwagenfahrer der in El Alto wohnt, nimmt es mit der Zeit nicht so Ernst oder besitzt eine anders laufende Uhr. Wir warteten in der Kälte. Momentan bricht der Winter an, was tagsüber zwar Eitelsonnenschein bedeutet und es in der Sonne nun einmal richtig heiß wird. Nachts gehen die Temperaturen allerdings nahe an den Gefrierpunkt. Aufgrund der geographischen Lage ist es in El Alto generell einige Grade kühler, weshalb dort im Morgengrauen noch weißer Frost zu erkennen ist. Irgendwann kam unser Abhol- und Fahrdienst jedoch doch noch und es konnte zum gemütlichen Suppenessen gehen.
Leider war die Suppe schneller fertig als gedacht und als wir wieder unten, also in La Paz, waren, hieß es noch ein wenig im Büro verharren.
Ich ging nach der Arbeit wieder in die Marktstraßen, die mich so faszinieren, da es zuhause nichts zu tun gab. Ich lief herum um raus zu finden wo man was finden bzw. kaufen kann. Denn wie zu alten Zeiten gibt es z.B. eine Gemüse-, eine Schuster- und eine oder mehrere Krempelgassen. Kurzum es gibt in diesen Straßen alles, man muss nur wissen wo, was bei der Enge und Fülle gar nicht einfach ist. Seit heute weiß ich, wo man die Heimwerker- und Schrauberläden findet. Die Beratung ist sogar sehr kompetent und man bekommt wertvolle Tipps gesagt, wenn man denn fragt. Ich fragte nicht, weil man in mein Zimmer kein Klo einbauen braucht, aber ich lauschte den Verkaufsgesprächen.
Nachdem ich genug gesehen hatte, ging ich nachhause um kurz zu Essen und in der Sonne zu dösen, was man wegen deren Stärke allerdings nicht länger als 15min tun sollte, um nicht an einen Engländer auf Mallorca zu erinnern.
Gegen Abend ging es zur zweiten Kungfustunde. Es wurden Spagate und andere Gemeinheiten geübt, die ich wegen Schmerz überhaupt nicht erläutern möchte. Überredet, eine Kostprobe: Liegestütze auf den Beinen, des im schneidersitzsitzenden Partners.
Genug, auch für mich. Es ist noch ein weiter Weg so fit wie die anderen Teilnehmer zu sein.
Gemeinsam gingen wir nach getaner Arbeit noch etwas trinken. Die anderen Kungfunesen sind alle sehr nett, was man während den abverlangenden Übungsstunden nicht merkt.
Um elf war ich wieder zuhause.

donnerstag, 18.april

Morgens war wie immer wenig los, dafür trafen wir uns nachmittags zum Einsammeln von Recyclingmaterial vor einem Hotel. Wir warteten auf unseren Lastwagenfahrer, der aus El Alto zu uns stoßen sollte. Als er um die Ecke kam wurde er von der Polizei angehalten. Reine Routinekontrolle. Allerdings gibt es eine bolivianische Besonderheit. Obwohl unser Fahrer mit Lastwagenfahren sein Geld verdient, besitzt er dafür keinen Führerschein. Immer in der Angst angehalten zu werden, traut er sich an manchen Tagen mit erhöhten Polizeiaufgebot nicht runter nach La Paz. Heute wurde er erwischt. Die Polizei hält ihn an. Er darf nicht weiter fahren und muss außerdem 100 Bolivianos Strafe, für Fahren ohne Führerschein zahlen. Der Polizist steigt also in die Fahrerkabine, es wird kurz diskutiert, er steigt wieder aus und winkt uns weiter. Mit 10 Bolivianos für den Polizisten, verwirft dieser den Strafzettel und es kann weiter gehen als wäre nichts gewesen. Dieses Erlebnis wird auf jeden Fall einen Eintrag in meinem Tagebuch erhalten: Mein Erstes Mal Korruption.
Anschließend wurde gemütlich weiter eingesammelt, und der Rest der Kanister des Krankenhauses endgültig abtransportiert. Abends war ich mit dem anderen Freiwilligen zum Geburtstag seiner Stiefschwester, oder vielmehr Gaststiefschwester eingeladen [sehr kompliziert, dies zu erklären]. In deren Wohnung aßen wir zusammen mit Eltern, Cousinen und Freunden zu Abend und wurden mehr als herzlich aufgenommen und durchgefüttert. Nimm noch von dem, das ist auch sehr gut, probier noch von diesem. Später ging es mit den Freunden noch in eine Bar. Es war sehr witzig und wir lernten endlich einmal Leute in unserem Alter kennen. Bisher waren sie meist Jahre älter gewesen. Diese 19-20 Jahre verursachten aber auch Probleme, da man in Bolivien erst ab 21 eingelassen wird - für Gringos gibt es natürlich keine Altersbeschränkung. So scheiterten wir auf der langen Suche nach einem Ausgehziel und gegen 1 war ich wieder zuhause.

freitag, 19. april

Allgemeines Ausruhen, sowohl in Arbeit als auch nachmittags.

samstag, 20. april

Der Tag startete wieder sportlich. Um zehn traf ich mit der andern Freiwilligen im Schwimmbad zum Parkourschwimmen. Kreuz und quer wurde gehüpft, gespritzt und geschwommen und im Gegensatz zum letzten Mal schaffte ich es niemanden zu verletzen.
Nach fast 2 Stunden ging es mit Sportzeug in die Stadt. Hier traf ich mich mit einem Bekannten, der zufällig in La Paz war und mir Grüße und Paketchen aus Deutschland mitbrachte. Vielen Dank noch mal an den Botendienst, es hat mich sehr gefreut. Am Schönsten ist es zu wissen, dass Deutschland überhaupt nicht weit weg ist, wenn man es braucht. Ohne genügend Zeit über alles zu reden, ging es für mich weiter. Fußballspielen mit meinen Kollegen in El Alto. Erst hieß es natürlich wieder warten, bis mein Kollege aus dem Büro und ich zum Spielen von unsrem Recyclinglastwagenhelfer abgeholt wurden. Aus der angesagten Anstoßzeit um 3 wurde halb 5. Zu einem kleinen Kunstrasenplatz mitten in verstaubten Häuserschluchten hatte unser Kollege aus El Alto seine ganze Familie mitgebracht. Vater, Mutter, Geschwister, Tanten, Onkel und die dazu gehörigen Kinder. Auf dem Platz waren jedoch nur die über 14jährigen zu finden, während von draußen kräftig angefeuert wurde. Zwei Stunden Fußball, im noch höher gelegenen El Alto, mit den zwei Stunden Schwimmbad in den Knochen, laugten mich gegen Ende ziemlich aus. Dennoch machte es einen Riesenspaß und ich fühlte mich gut wie lange nicht mehr. Zu sehen wie sehr sich alle in der Großfamilie, egal welcher Generation, unterstützen, war inspirierend. Nach unserem Gruppenfoto, auf welches sich leider nicht alle trauten, wurde ich zum großen Familienfest Mitte Mai eingeladen. Kostümtanz, Fiesta und viel Bier erwarten mich. Mehr dazu Ende Mai.
Gegen acht Uhr war ich wieder unten angekommen. Es ist jedes Mal ein Erlebnis die Strecke mit Blick auf La Paz zu fahren, besonders bei Nacht. Am Interessantesten ist jedoch der Unterschied, der zwischen den beiden Stadtschwestern herrscht.
Ich traf mich mit anderen Freiwilligen auf ein Bier und anschließendes Weggehen. Es war recht entspannt und gesellig. Zum Schlafen ging es zum Haus des anderen Freiwilligen mit dessen Eltern wir am nächsten Tag einen weiteren Ausflug unternehmen würden. Mittlerweile bin ich wahrscheinlich öfters in deren Haus als in meinem. Vor dem Schlafengehen genossen wir noch einmal den Ausblick auf das nächtliche La Paz, samt vom Mond angestrahlten Illimani.

sonntag, 21. april

Heute stand der Ausflug zum Lago Titicaca an, den größten höchstgelegenen See der Welt. Bis es losging vergingen allerdings Stunden der Warterei. Im Auto setzte mir dann die Müdigkeit der letzten Nächte zu und so verschlief ich den zweistündigen Weg Richtung See.
Wir waren am Gewässer angekommen. Einfache Häuser mit Vieh und Getreide im Garten umsäumten den See. Die Sonne war raus gekommen und wir gingen zum Mittagessen in eines der vielen Restaurants. Es gab Forellen aller Art mit Kartoffeln, Reis und Gemüse als Beilagen. Zusammen mit dem Ausblick aus dem auf Pfählen stehenden Glashaus ein gelungenes Mittagessen. Wir flachsten etwas und gingen anschließend zum Steine schnippen und Baden ans Wasser. Die Wassertemperatur war recht frisch reichte aber um ein bisschen im „grauen Panther“, die ungefähre Übersetzung aus Aymara, zu schwimmen. Von oben betrachtet kann der Umriss des Sees tatsächlich an einen Katzenkopf erinnern. Allerdings gibt es zahlreiche weitere Namenslegenden und in Quetschua, der anderen verbreiteten indigenen Sprache bedeutet Titikaka schon wieder etwas völlig anderes. Bleiener Fels. Gespannt wurden wir Gringoschwimmer von anderen Besuchern betrachtet. Wie kann man nur so blöd sein und in dieser Drecksbrühe schwimmen, dachten sie sich vielleicht.
Dann ging es nachhause. Auf der Rückfahrt wollte ich mir die spannende Landschaft nicht entgehen lassen. Rote Quinuafelder, kleine Siedlungen mit allem möglichen Getier und weitere Reisende auf der engen Straße. Aufgrund des Verkehrs dauerte es eine ganze Weile bis wir wieder zuhause angekommen waren. Teilweise ging es mit 35km/h über die Autobahn/Landstraße. Irgendetwas juckte mich während der Fahrt am ganzen Körper und am nächsten Morgen sollte sich herausstellen, was das war.
Wieder im Haus des anderen Freiwilligen angekommen trafen wir uns mit dessen Onkeln und Tanten, die im selben Haus wohnen, redeten und aßen Eis.
Nachdem ich das gesamte Wochenende ungeplant nicht zuhause war, machte ich mich gegen acht Uhr auf um noch ein paar Gespräche mit meiner Gastfamilie zu führen. Wie es aber sonntags so ist, gab es kaum Transportmöglichkeiten und in Richtung meines Viertels erst Recht keine. So wartete ich ca. 20 an einer Ecke und hatte Glück, dass eine Familie aus der Nachbarschaft, die zufällig vorbei fuhr, mich mitnahm. Ich kannte sie nicht und hatte sich vorher nie gesehen. Man sollte ja nicht mit Fremden in ein Auto steigen, sie wirkten aber so harmlos und hilfsbereit, dass ich keine Bedenken hatte. Sie hatten mich anscheinend schon öfter im Viertel gesehen und wussten deshalb, dass ich in dieselbe Richtung musste. Wie sich heraus stellte, war der Vater der Frau, bei der ich einstieg Deutscher, weswegen sie auch Deutsch sprach und einige ihrer Kinder in Deutschland lebten. Drei weitere saßen im Auto, wir unterhielten uns nett und mit dem jüngsten werde ich die nächsten Wochen eine Architekturvorlesung in der Uni besuchen, in der er studiert. Witzig wie man Leute kennen lernen kann. Endlich zuhause, stellte ich fest, dass alle anderen ausgeflogen waren. Das Jucken hatte noch nicht nachgelassen. Ich ging ins Bett, wurde kurz geweckt, als mein Gastvater durchs Treppenhaus torkelte und nach seinem Sohn brüllte. Anscheinend waren sie auf einem Fest gewesen. Dann schlief ich wieder ein.
Möglicherweise habe ich in meinen Einträgen das Bild einer gerne über den Dursttrinkenden Person meines Gastvaters gezeichnet, was so nicht stimmt. Er arbeitet wirklich viel in leitender Position für sein Bauingenieurbüro, das große Aufträge besitzt. Es sind um die 10 Stunden am Tag, häufig auch am Wochenende. Er kümmert sich sehr um seine Familie und dass es allen gut geht. Bei dem ganzen Stress kann ich verstehen, dass man gelegentlich – höchstens alle drei Wochen – etwas Ablenkung vertragen kann.

montag, 22. april

Unter großem Jucken wachte ich auf. Meine Haut konnte nicht trocken sein, ich hatte sie doch erst gestern Abend eingecremt. Ich ging zum Spiegel. Ich sah aus wie ein Sams, nur dass die Punkte nicht blau sondern rot waren. Mein gesamter Oberkörper, ausgenommen das Gesicht war übersäht. Seltsam. Wird schon wieder verschwinden dachte ich mir und zog mich an.
Montags ist mittlerweile der beständigste Tag. Morgens gibt es Arbeit in den Retamas, wo immer mehr Nachbarn das Sammelkonzept annehmen und Massen an recyclebaren Materialien vorbei bringen. Wenn ganz La Paz so fleißig sammeln würde, könnten einige Tonnen Müll pro Tag die Müllkippen, die Straßen und somit die Umwelt verschonen. Bis dahin ist es wohl aber noch ein weiter weg, solange die städtische Regierung nicht bei der Mülltrennung behilflich ist.
Über dieses Thema und die allgemeine Unorganisation Boliviens redete ich mit einem der Nachbarn des Viertels. Vor allem das es schwierig fällt etwas zu planen, was auch eingehalten wird ist wohl eines der Hauptprobleme. Viele erkennen alle möglichen Probleme, doch wie bei uns auch fällt es schwer geplante Veränderungen gezielt zu verfolgen.
Nach getaner Arbeit ging es nachhause, wo ich mein Müsli verfeinerte. Auch aufräumen musste vor der anstrengenden Kungfustunde sein, nach der ich müde ins Bett fiel. Die roten Punkte hatten noch keine Anzeichen gemacht, sich zu verziehen. Vorsichtshalber wusch ich meine getragenen Klamotten und wechselte das Bettzeug. Vielleicht war es irgendwelches Ungeziefer, das mich angegriffen hatte. Die roten Punkte erinnerten an Mückenstiche und juckten auch wie solche.

dienstag, 23. april

Vor lauter Jucken der über 200 kleinen Erhebungen hatte ich nur schlecht geschlafen und war das erste Mal froh, dass in der Arbeit morgens nichts zu tun gab. Der Fokus des Tages lag jedoch da schon auf dem nachmittäglichen Bayernspiel. Dieses wurde standesgemäß mit dem anderen Freiwilligen, einem Münchner, in dessen Haus geschaut. Nach Ende der Partie und Rumzeigen meiner Körperverschönerung, ging es sofort zum Onkel, einem Apotheker. Dieser reichte mir Pillen, die die rote Plage eindämmen sollten, was gut gelang.
Um unserem Projekt „Saubere Terrasse“ näher zu kommen, wendeten wir danach einige Schweißperlen auf, um die Terrasse weiter zu entrümpeln.
Dieses bisschen Arbeit macht so viel Spaß, dass ich die arbeitslosen Morgen aus meinem Kopf verdränge und mich auf den Tag freue an dem die Terrasse mit einem Grillgelage eröffnet wird. Abends trafen wir uns mit jemandem, den wir letzte Woche kennen gelernt hatten, zu dessen Rugbytraining. Mal schauen, ob ich dieses weitere Sportereignis dauerhaft in meinen Terminkalender schreiben möchte. Einen weiteren Abend kam ich erst gegen halb elf zuhause an, wo zu meiner Verwunderung noch Licht in der Küche brannte. So sah ich seit 4 Tagen auch mal wieder meine Gastfamilie. Sie unterhielten sich mit der Tochter über deren neue Arbeit und interessierten sich kaum für meinen mittlerweile unheimlich wirkenden Ausschlag. Mit dem Hoffen, diese Nacht besser schlafen zu können ging es ins Bett.

Sonntag, 28. April 2013

elfte woche


mittwoch, 10. april
Über die letzten Wochen musste sich etwas angestaut haben. Nachdem mein Gastbruder und ich morgens mit den Hunden draußen gewesen waren, hatten wir vergessen die Türe zu schließen. Plötzlich kam meine Gastmutter die Treppe runtergedampft, anstatt sich zu freuen, dass ihr Sohn rechtzeitig aufgestanden war und auch die Hunde zufrieden waren wurde erst mal über die offene Türe gemeckert. Kein Guten Morgen, nur meckern. Zusammen mit ihrem Verhalten der letzten Wochen war das zu viel. Mir platzte der Kragen und wurde das erste Mal laut, was normalerweise überhaupt nicht meine Art ist. Ich fluchte sogar auf spanisch und musste ihr ins Gesicht sagen, wie sehr mich diese Undankbarkeit, Lieblosigkeit und der herrische Umgang mit der Familie annervte. Wo sie doch immer von der Liebeswürzigkeit in dieser Familie schwärmte.
Welche anderen Probleme sie momentan möglicherweise mit sich rumschleppte, waren mir zu diesem Zeitpunkt egal. Ich hatte lange genug alles ertragen und Sachen aus Höflichkeit und Hoffnung auf bessere Stimmung versucht, wenn dass nicht erkannt wird, muss man es den Leuten vielleicht sehr deutlich machen, dass man mit den Zuständen nicht zufrieden ist.
Es schien zu wirken. Sie war überrumpelt, wusste nicht was sie erwidern sollte. In Aufregung ist ihr ab und zu auftretendes Gestotter noch schlimmer. Sie warf mir in ihrer Verteidigung, anstatt sich zu entschuldigen, ebenfalls Argumente für meine Unhöflichkeit und Undankbarkeit an den Kopf. Wann sich das zu getragen haben sollte konnte sie nicht beantworten, wahrscheinlich war gerade ein kleiner Machtkampf im Gange. Niemand hätte mir gesagt, ich solle freiwillig Sachen erledigen oder im Haushalt helfen. Schlechtes Argument, aber ich hatte verstanden, dass ich mich in Zukunft raus halten wurde. Schön mehr Zeit für mich. Nach 2min waren die Fronten geklärt und wir unterhielten uns als wäre nichts gewesen. Es hatte tatsächlich gewirkt, denn die nächsten Tage der Woche war sie total nett, höflich und freundlich zu mir, und unsere Kommunikationsebene war wieder auf ähnlichen Niveau, wie in den ersten Wochen, als wir uns sehr gut verstanden hatten. Ich hoffe, dass dieser Zustand anhalten kann. 
Heute stand das La-Paz Fußballderby an. Die ganze Stadt ist gespalten in Bolivaristas, den Anhängern des Club Bolivar La Paz und Strongistas oder Tigres, den Anhängern des Club The Strongest La Paz. Bei jeder Gelegenheit, egal ob Spiel in Sicht oder nicht, wird sich gegenseitig aufgezogen, von wem man den Fan sei, und bei gegenteiliger Meinung aus Spaß gezankt. Auch ich werde ständig gefragt, wen ich denn unterstütze und man muss sehr aufpassen, was man sagt um nicht komisch angeschaut zu werden, mittlerweile nervt dieses ewige Bolivar-Strongest-Gehabe schon ein wenig. Dennoch wollte ich mir dieses Spektakel und die Entladung der Stimmung nicht entgehen lassen. Mit meinem Gastvater und -bruder wollte ich mich zum Spiel treffen. Um eine Karte zu ergattern fuhr ich vor der Arbeit Richtung Stadion um mich an der langen Kartenschlange anzustellen. Nach eineinhalb Stunden durfte ich eine mein Eigen nennen. Ich freute mich auf heute Abend, da man schon seit Tagen diese Derbyatmosphäre in der Luft spüren konnte. Die Entladung dieser Reibung wollte ich unbedingt erleben. 
Mit einer der begehrten Karte ging es zur Arbeit, wo mal wieder nichts los war.
Zum Mittagessen fuhr ich zum Haus meiner Gastoma um ihr Gesellschaft zu leisten. Auch mein Lieblingsfamilienmitglied, der Großonkel, war anwesend. Natürlich hatte ich diesmal nicht vergessen, als "Gast" etwas mitzubringen. Obwohl Abuelita sonst nicht mehr ganz fit ist, kocht sie noch immer unglaublich lecker. Das ist wohl das Sakrileg aller Großmütter. Wir aßen und unterhielten uns. Es war ein echt schöner Nachmittag und der Frust über den jüngeren Teil Familie, war längst verfolgen. Für die Freunde des Gaumens habe ich noch einen Getränkevorschlag. Hafermehl, Limonensaft, etwas Zucker und angewärmtes Wasser ergeben gemischt eine leckere und zudem gesunde Erfrischung. 
Zusammen mit dem Großonkel ging ich zu dessen Haus, welches er mir unbedingt zeigen wollte. Neu, nicht fertig und etwas instabil wirkend, wie viele Häuser hier. Gärten gibt es generell nicht, das Grundstück ist fast gänzlich mit Haus bestückt, weswegen alle Häuser eng an eng stehen und keine Gemütlichkeit aufkommt. Tio liebt Tiere über alles, neben seinem Haus wollte er mir seine Schätzchen vorführen. Ein nervöser Hund, dutzende Fische, die verteilt in 3 Aquarien gestopft waren und kleine Tauben, die auf den Dächern der Nachbarschaft lebten. Stolz zeigte er mir, wie er die kleinen Tauben mit Brotkrumen anlockte. Sobald er die Treppen zur Dachterrasse hoch ginge, würden sie schon angeflogen kommen. Er wirkt wie ein kleiner, kugeliger, liebenswerter, ruhiger Bär, den man einfach gerne haben muss. Dann machte ich mich auf den Weg zum Stadion. Am Treffpunkt wartete ich. Es wurde dunkel, die Geräusche der Stadt und der zum Stadion strömenden Menschen woben einen Teppich um das Stadion. Tröten, das Zischen der kleinen Holzkohlegrills, Tickets zu verkaufen und Anfeuerungsrufe. Dazu das Meer aus gelb-schwarzer und hellblauer Trikots und Fahnen, gelegentliche Stichflammen der winzigen Essensstände. Die verschiedenen Gerüche der grillenden Würste, des Fleisches, der Kartoffeln der erwartungsreichen Fans, das viel zu süße Parfum der Damen, die sich für das Spiel schick gemacht hatten. Überwältigende Eindrücke. Nach mehr als einer Stunde wartete ich immer noch. Das Spiel fing gleich an. Nach mehrmaligen Anrufen bekam ich mit, dass sie bereits im Stadion seien. Sie hätten mich nicht gesehen. Eigentlich unmöglich, da ich hier immer auffalle, vor allem wenn man an einer verabredeten Stelle. Ich falle sogar so auf, dass ich während der Wartezeit mehr als fünfmal nach einem Erinnerungsfoto mit Fremden gefragt wurde. Die besten Plätze waren natürlich mittlerweile besetzt als ich alleine ins Stadion ging. Meinen Gastanhang konnte ich natürlich nicht erkennen. Dabei hatte ich, extra um mit ihnen einen gemeinsamen Abend zu erleben ein teureres Ticket gekauft. Die Stimmung war gut, wenn auch längst nicht so laut und emotional wie ich mir das vorgestellt hatte. So saß ich alleine im weiten Rund unter 40000 Zuschauern. Beim Jubeln freundete ich mich dann mit anderen Fans an, denn es gibt nichts Schlimmeres als alleine im Stadion zu sitzen. In der Pause machte ich mich nochmals auf die Suche. Um gesehen zu werden lief ich den gesamten unteren Teil der Tribüne hin und zurück. Hier wird man automatisch gesehen, dennoch kamen keine Rufe wie "hier sind wir". Die zweite Halbzeit plätscherte so dahin. Das Spiel endete 2:0 für die Tigres. Bolivar hatte keine Chance und wurde zu meinem Erstaunen vor allem mit Taktik besiegt, dass hier mit [guter] Taktik gespielt wurde, hatte ich noch nie erlebt. Viele Fans hatten die Aussichtslosigkeit ihrer hellblauen erkannt und verließen frühzeitig das Stadion, während auf der anderen Seite wie wild gefeiert wurde. Vor dem Stadion traf ich durch Zufall den Rest meiner Gastfamilie. Ich hatte nun wenigstens einen Heimfahrtdienst. Mir wurde erzählt, man hätte längere Zeit am Treffpunkt auf mich gewartet, mich aber nicht gesehen. Nun wollte ich wissen, warum sie mich auch in der Pause nicht gesehen hatten. Beides unmöglich. Mit einer Fangfrage fand ich heraus, dass sie zur Pause nicht im Innenraum des Stadions waren obwohl wir das ausgemacht hatten. Ich fragte ob sie etwas gegessen hatten, was nur im Außenraum möglich war. Ja sehr lecker war es. Ich hatte verstanden. Das nächste Mal werde ich wohl mit jemand anderen gehen. Beschweren brauchte ich nicht, dass ihr Lieblingsverein klanglos untergegangen war, war Genugtuung genug. So kam es zu durchaus ernsten Streitereien zwischen meinen Gastgeschwistern, die von verschiedenen Mannschaften Fans sind. Selbst mein Gastvater war sehr angefressen, so musste er doch morgen mit seinen Kollegen die Bolivarfans waren, den Strongestkollegen als Wetteinsatz ein Grillessen zahlen.
donnerstag, 11. april
In der Arbeit war nichts los, außer dass der größte Tigresfan, mit dem ich auch schon auf einem Spiel war, vor lauter Feiern - typisch Raubkatze - einen Kater hatte. 
Nachmittags wurde Fußball gespielt, das war es auch schon.
freitag, 12. april
Morgens gab es nichts zu tun. Dafür trafen wir uns ohne Mittagspause nachmittags zum Arbeiten. Eineinhalb Stunden mussten wir warten, bis der Lastwagen samt Fahrer endlich kam. In dieser Zeit fand ich im Gespräch mit dem anderen Wartenden endgültig heraus, dass es schon seit 2 Jahren kaum etwas zu tun gibt. Mein Projektwechsel steht nun endgültig fest. Weitere 9 Monate abzusitzen halte ich nicht aus, außerdem bin ich hier um wenigstens ein bisschen etwas zu erreichen, was hier auf keinen Fall eine Option scheint. Nur wohin? Das gilt es jetzt raus zu finden.
Das Arbeiten machte heute ausnahmsweise besonders Spaß, an meinem Wechselgedanken wird dies aber nichts ändern. Hier ein paar Bilder. 
Gegen neun war ich wieder zuhause und vor lauter spät ins Bett gehen diese Woche und ausnahmsweise Arbeiten sehr müde.
samstag, 13. april
Vor Ernüchterung über die Ausweglosigkeit meines Projekts war ich heute total unmotiviert, dachte über Auswege nach und unternahm sonst nichts.
sonntag, 14. april
Der Sonntag begann wieder einmal ohne Frühstück. Gegen 0930 stand ein "kleiner" Ausflug an, ich hatte mal wieder keine Ahnung was anstand. Wir fuhren Richtung Stadt, am Prado angekommen sollten mein Gastbruder und ich plötzlich aussteigen und uns die dort stattfindende Kinder- und Generationenbespaßung anschauen. Die Frauen des Hauses wollten wahrscheinlich etwas Zeit für sich und über Sachen reden, die für die jungen Ohren meines 16-jährigen Gastbruders Gift waren. Er wird teilweise echt wie ein kleiner Prinz behandelt und von den brisanten Themen abgeschirmt. Ich finde es deswegen sehr charakterstark, dass er sich überhaupt nicht wie ein solcher Sprössling aufführt. Wir schlenderten die Stände entlang. Clowns, Erziehungsspiele [z.B. Zähneputzen oder Theaterstücke über richtige Ernährung], Hüpfburgen, Buchstände, nationale Produkte der Landwirtschaft oder Handwerk, kleine Konzerte von Jazz bis traditioneller Tänze, vor deren Bühne ältere Damen das Tanzbein und die Dritten schwingen ließen. Für jeden war etwas dabei auch Abuelita war mittlerweile in Begleitung von Gastmutter und -schwester angekommen. Ihr gefiel es, mir war nach 2 Stunden etwas langweilig, außerdem hatte ich Hunger.
Obwohl die anderen einige Muffins oder Cupcakes in ungewöhnlichen Farben und klebrigsüßen Geschmacksrichtungen verspeist hatten, setzte auch bei ihnen der Hunger ein. Die Odyssee zum Mittagessen begann. Wir führen dreimal quer durch die Stadt. Es gäbe nicht genügend Restaurantes in La Paz, einige waren voll, man wollte nicht warten. Lieber noch ein mal weiter fahren. Im Auto entstand ein absurder Streit, wer Schuld sei, dass man noch nichts gefunden hatte. Welche Probleme man haben kann, dachte ich mir. Ich schaute die gesamte Zeit aus dem Fenster um vor lauter Lächerlichkeit nicht zu lachen oder mich einzumischen. Als ich fragte, warum wir nicht eines der zahlreichen Gaststätten ausprobierten, die es an jeder Ecke gibt, wurde ich harsch zurück gewiesen. Ich hätte keine Ahnung, was gut schmeckt und Feinheiten würde ich auch nicht erkennen. Fast hätte ich gesagt, dass ich sehr wohl schmecke, dass in ihren Speisen zu viel Salz ist, konnte es mir aber noch verkneifen. Der Streit war weiter im Gange, gegenseitig wurde sich des Lügens bezichtigt. Peinlich, dass man sonst keine Probleme hatte. Ich konnte mir das nicht mehr anhören. Zum Glück waren wir jetzt wieder wo angekommen. Es gab sogar einen Platz, gerade als an der Reihe war zu Bestellen, entschied sich die Großmutter um, dass sie statt Fleisch lieber Forelle essen wolle. Es ging abermals weiter. Nach 2 Stunden im Auto wollte Oma dann Würstchen für sich kaufen und selber für sich kochen. Das sei einfacher. Wir fuhren sie durch die halbe Stadt nachhause und nach 3 Stunden waren wir in einem Chinarestaurant angekommen. Hier hieß es noch einmal 20min auf einen Tisch warten. Der Kellner wurde angeraunzt warum es nicht schneller gehe. Ob es in Deutschland auch Chinaimbisse gäbe, wurde ich gefragt, sie seien so lecker. Unsere Teller kamen. Reis, Pommes, etwas Nudeln und ein frittiertes Stück Huhn, keine Soße außer der bolivianischen Salsa, die es bei jedem Essen gab. Typisch chinesisch, wie sie fanden. Diesen Geschmack könnte ich also nicht erkennen und dafür hatten wir 3einhalb Stunden gebraucht. 
Nach dem Essen war es 4, die Fußballleute hatten nicht angerufen, also kein Spiel und die Möglichkeit gelbe Karten zu erhalten. Für Spielbeginn wäre es für mich auch zu spät gewesen... um fünf war ich wieder zuhause, welch schöner harmonischer kurzer Familienausflug. Der Sonntag war rum, zum Glück.
montag, 15. april
Morgens waren wieder die Retamas dran. Diesmal ganz alleine weswegen ich einen Schlüssel für den Sammelschuppen bekommen hatte. Blöd nur, dass ich den Schlüssel vergaß mitzunehmen. Nachdem ich wieder zuhause gewesen konnte es losgehen. Ohne Megafon war es allerdings kein großer Erfolg. Es kamen kaum Leute um ihr Gesammeltes abzugeben. Auch meine Mitarbeiterin die extra aus dem Büro gekommen war, half wenig. Sie war mehr damit beschäftigt ihren Sonnenschirm und ihre 2 Handtaschen zu halten. Sobald in La Paz die Sonne scheint, läuft man entweder im Schatten oder schützt sein Gesicht mit Zeitung, Kleidungsstück oder sonstigen. Man möchte ja so weiß wie möglich bleiben. Manche Bestrebungen dieses unschuldige Weiß beizubehalten muten doch sehr affig an. Aber auch wir Europäer besitzen komische Schönheitsgepflogenheiten. Obwohl wir uns sonst gut verstanden war sie heute ziemlich komisch drauf. Ich tippte auf Probleme mit einem Typen und hatte Recht. Wie man hier zu Beziehungen steht ist schwierig zu erzählen und ehrlich gesagt auch schwer zu durchschauen. Einerseits ist man dagegen, dass Kinder ihre Liebsten mit nachhause bringen, andererseits sieht man junge Pärchen wild umschlungen sich gegenseitig bearbeitend über die Straße torkeln. Was man sich nicht einmal in Deutschland trauen würde. Zu dieser Eigenheit später mehr. 
Nach getaner Arbeit fuhr ich nachhause, nahm ein Sonnenbad auf der Terrasse, mittlerweile regnet es so gut wie nicht mehr und aß zu Mittag. Abends stand die erste Kung-Fu-Stunde auf dem Plan. Eine andere Freiwillige hatte mir von dieser Schule erzählt und da mir die Privatstunde mit dem Vater des anderen Freiwilligen so Spaß gemacht hatte, wollte ich auch damit beginnen.
Chinesisch klingende Musik und Räucherstäbchenduft erfüllten die Luft als ich eintrat. Es ging gleich los. Kräftezehrendes Aufwärmen und anschließendes Ausdauermuskeltraining bescherten mir die nächsten Tage einen schönen Muskelkater. Danach unterhielt ich mich mit der anderen Freiwilligen noch über unser hiesiges Leben und die weitere Freiwillige in La Paz, die letztes Wochenende nachhause geschickt wurde. Glücklich, dass ich spät abends noch eine Transportmöglichkeit nachhause gefunden hatte, ging es ausgebrannt aber gut gedehnt ins Bett.

dienstag, 16. april

Heute gab es zwar wieder nichts zu tun, aber immerhin gab es im gleichen Stockwerk des Büros eine Modenschau mit echten bolivianischen Models zu sehen. Nichts wie hin, sagten meine männlichen Kollegen und so sahen wir, wie Mode aus recyclebaren Materialen vor großen Publikum vorgeführt wurde. Die Mode wurde in Bolivien hergestellt und mit Verlaub so sah sie auch aus. Vor Fernsehkameras wurde erklärt welche Möglichkeiten die Textilindustrie für Bolivien böte und interessiert wurde gelauscht.
Während des anschließenden Interviews fiel vor lauter Hektik ein Glas Wasser auf die Mikrofone, diese fielen kurz aus und mussten neu justiert werden. Es ging recht chaotisch zu und zudem fehlte es an Platz für die gesamte Medienlandschaft.
Mein Büro befindet sich im Gebäude der bolivianischen Handels- und Gewerbekammer und somit unter demselben Dach, wie viele nationale Entscheidungssektoren. Bis auf das wir denselben Aufzug benutzen und uns manchmal in deren Wlan einschreiben gibt es allerdings keine Überschneidungen.
Nachmittags ging ich zu den Marktstraßen und suchte nach Getreide für ein Müsli, das ich mir selber zusammenstellen wollte. Cornflakes und andere Frühstücksgetreidemischungen sind im Supermarkt vergleichsweise teuer, da es aber alle erdenklichen Getreidesorten zu Kilopreisen auf den Märkten gibt, hatte ich die Idee mir mein eigenes, billiges, bolivianisches Müsli zu erstellen. So kaufte ich zum Beispiel zwei einheimische Getreidesorten Amaranth [was man auch in Deutschland kennt] und Quinua [ein Getreide, welches auf der Hochebene wächst und an Hirse erinnert]. Beim Kauf wurde ich von den verkaufenden Cholitas immer seltsam angeschaut. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich dachten, was ein Tourist den mit 2kg Getreide anfangen wolle. Dennoch freuten sie sich über mein Interesse.
Anschließend handelte ich noch den Preis für ein Paar Hanteln herunter, die ich schon länger kaufen wollte. Mit mehr als 25kg in meinen Händen lief ich durch das gesamte Viertel um einen Bus zu bekommen. Der Kungfumuskelkater in den Beinen und dem Oberkörper erhielt nun noch in den Armen und am Rücken Gesellschaft. Abends ging ich zufrieden mit neuer Energie, für meine 12. Woche im Land der chaotischen Busfahrten, ins Bett.




Mittwoch, 24. April 2013

zehnte woche



mittwoch, 3. april
Schnell erzählt: arbeitslos, mittags nachhause, im Haus nichts los, Dortmund Spiel geschaut, danach von Müdigkeit überfallen, ab sieben gepennt, vielleicht habe ich die Höhenschlafkrankheit, Tag vorbei.
donnerstag, 4. April
Anscheinend war auch meiner Gastmutter mittlerweile aufgefallen, dass irgendwas im Haus nicht stimmte. Noch vor der Arbeit zog sie mich zu einem Gespräch zu Seite. Dabei verlor sie kein Wort über fehlende Kommunikation in der Familie. Ich solle doch manchmal liebenswerter und vor allem aufmerksamer sein. Mein ständig freiwilliges Abspülen, mein Helfen im Haushalt, sei es beim Putzen oder Kochen, der Schweinebraten, die Torte, meine alleinigen Besuch bei Oma, da sie sich einsam fühlt, mein Erzählen von Geschichten oder Nachfragen nach Befinden, gelegentliches Trösten für Familienmitglieder, das Helfen im Konflikt ihrer Tochter mit deren Gasteltern, all das ist anscheinend nicht genug. Ihr Sohn sei so liebenswert, er bringe ihr manchmal eine Schokolade oder ein Eis mit, das sie so mag. Wenn etwas wie Brot oder Obst fehlen würden, solle ich doch bitte so aufmerksam sein und was aus der Stadt mitbringen, wo ich doch den ganzen Tag bin. Selber einen Kanister Wasser kaufen wird aber nicht gerne gesehen. Natürlich fällt mir auf, dass diese Sachen fehlen, aber warum soll das meine Aufgabe sein? Sie fährt doch den ganzen Tag mit dem Auto rum, liegt im Bett, macht sich Sorgen und macht etwas Haushalt. An jeder Ecke kann man Brot kaufen. Das sei so weit weg, notfalls kann sie doch auch mit dem Auto hinfahren, wenn das zu viel Bewegung sein sollte. Ich war richtig sauer, vor allem da sie völlig missachtete, dass es nicht nur einer war, der für die Atmosphäre im Haus verantwortlich war. Natürlich hatte ich mich die letzten 2 Wochen etwas zurückgezogen, was man auch an den Blogeinträgen erkennen kann. Aber nur, weil einfach nichts zurück kam und alle Anderen die Zeit in ihren Zimmern verbrachten. Wo soll ich da liebenswert werden? Man wird zum Essen gerufen, da wird kaum oder über nichtige Dinge geredet, danach aufs Zimmer gegangen. Ach ich könnte ja etwas kaufen, um die Anderen glücklich zu machen. Es müsse auch nicht teuer sein, Hauptsache etwas. Wahrscheinlich erlebte ich gerade meinen ersten Kulturschock. In Bolivien sei es als Gast übrig, etwas mitzubringen, in Deutschland sei man eben etwas kühler und bringe keine Gastgeschenke bei Einladungen mit. Eine Person würde sich dort um alles kümmern und die anderen ohne Dank konsumieren. Vielen Dank für diese Lee(h)rstunde über meine Kultur. Mir wurde außerdem immer gesagt, ich sei Teil der Familie, kein Gast, ich brauche mich um nichts kümmern. Wenn ich anbot, die Getränke im Restaurant zu zahlen, wurde das abgelehnt, jetzt wird mir als Vorschlag gesagt, ich solle doch als Geste mal die Getränke im Restaurant zahlen. Ich konnte nichts erwidern, weil ich sonst ausgerastet wäre. Zuwendung drückt man in dieser Familie anscheinend durch Kaufen, also Geld aus, so kam es für mich rüber. Alles was ich in diesem Gespräch hören konnte, war Geld, Geld, Geld. Wie schön. Ehrlich gesagt nicht der Grund, warum ich in ein "armes Land" gegangen war. In andern Familien die ich hier kennen gelernt habe, ist das nicht der Fall. Natürlich will ich meine Dankbarkeit für die Gastfreundschaft zeigen und habe verschiedene Wege gesucht, wie oben geschrieben. Aber eben ohne monetären Einsatz, weil das für mich kein guter Weg ist, Zuneigung auszudrücken. Keiner hat dir gesagt, dass du freiwillig abspülen oder helfen musst, war eines ihrer weiteren Argumente. Werde ich auch nicht, dachte ich mir, was Kleines kaufen ist viel einfacher und geht schneller, außerdem macht es hier wohl glücklicher. Zum Schluss durfte ich auch noch was sagen. Ich sagte, dass es mich ärgert, dass keiner richtig miteinander redet und die Stimmung in diesem Haus alles andere als liebenswert ist. Außerdem beschwerte ich mich, dass alle Sachen, die ich bis jetzt gemacht hatte, mehr oder weniger beachtet werden, aber wenn überhaupt mit einem höflichen Danke bedacht werden. Das konnte sie natürlich nicht so sehen. 
Dann musste ich aber auch zur Arbeit, vorher lernte ich noch die neue Empleada kennen. Meine Gastmutter hatte also doch jemanden gefunden. Wenigstens muss ich jetzt nicht mehr die Küche sauber machen. Die von der Empleada übernommene Arbeit hätte meine Gastmutter auch noch hinbekommen, gerade wo sie zurzeit eh nicht arbeitet, dachte ich mir. Die Empleada kommt nämlich nur 2 Vormittage, da sie zu teuer ist - ich glaube 2 Bolivianos pro Stunde, ca. 20cent. Wahrscheinlich war mein Antikurs gerade zu sehr ausgeprägt, was normalerweise nicht meine Art ist.
Auf der Fahrt zur Arbeit hatte ich genügend Zeit über das „Elterngespräch“ nachzudenken und mich aufzuregen.
In der Arbeit gab es nichts zu tun. Mittags ging ich wieder nachhause. Zur Versöhnung brachte ich Orangen für einen frischen Osaft mit. Ehrlich gesagt, weis ich auch nicht warum ich das machte, wahrscheinlich bin ich zu lieb und vergebe zu schnell. Hoffentlich war sie jetzt zufrieden. Wobei ich musste ja noch die Früchte pressen und den Saft servieren, also war es wieder kein fertiges Geschenk, sondern Handarbeit. Außerdem war es vielleicht nicht süß genug, da ich nicht wie hier üblich Tonnen von Zucker beifügte. Sch*** drauf. Zum Glück ging es dann noch zum Kicken, Aggressionen abbauen. Komischerweise waren der andere Freiwillige und ich die einzigen am Platz. Alle anderen mussten wir anrufen, als sie 15min nach Treffpunkt noch nicht erschienen waren. Sie hatten keinen Platz gebucht, heute sei kein Fußball. Vor drei Stunden sah der Plan noch anders aus. Seguro. Weil ich nicht umsonst eine Stunde zum Platz gefahren sein wollte und weiterhin wegen des heutigen Morgens geladen war, fragten wir bei anderen Plätzen nach Mitspielmöglichkeiten. Das war zum Glück kein Problem, weswegen wir die Ehre hatten, zum ersten Mal mit komplett Fremden zu spielen, es machte Spaß, wir mussten nicht mal zahlen und wurden für nächste Woche wieder eingeladen. Fußball verbindet. Der Abend ließ mich die ganze schlechte Laune verdrängen und fast zufrieden ging ich ins Bett.
freitag, 5. april

Heute stand ich ausnahmsweise nicht um halb sieben oder früher auf. Da wenig zu tun ist in der Arbeit und die anderen auch gerne etwas später kommen, habe ich beschlossen auch etwas später aus dem Haus zu gehen. Weckdienst und gemachtes Frühstück für meinen Gastbruder fallen auch aus, da mir „keiner gesagt hat, dass ich das machen muss.“
Vormittags gab es in der Arbeit, mal wieder nichts zu tun. Die Mittagspause nutzte ich für einen Erkundungsgang durch einen anderen Stadtteil, in dem wir uns um drei zur Arbeit trafen. Ich muss unbedingt meine große Kamera mit in die Stadt nehmen, weil es so viel zu sehen gibt. Bis jetzt habe ich mich nicht getraut, aber gerade tagsüber sollte es, wenn man aufpasst kein Problem sein.
Wir trafen uns bei einem Krankenhaus, wo wir etliche Plastikkanister auf unseren kleinen Laster verluden. Das in warmen Tönen gestrichene Krankenhaus im Kolonialstil mit Palmen im Innenhof hätte mir vom Äußeren auch in Deutschland gefallen. Die Innenräume waren jedoch alles andere als gemütlich und schon etwas überholt.
Die Kanister, die wir zu dutzenden aus einem Vorratshof zum Laster brachten, waren ehemals wohl mit Kochsalz und anderen Lösungen gefüllt gewesen. Medizinstudenten kamen vorbei und fragten nach den Kanisteraufklebern. Ob man in Deutschland auf die zerfetzen Papierstücke scharf gewesen wäre, die teilweise mit trockenen Blutspuren dekoriert waren?
Als der Laster voll war, durfte ich nachhause gehen.
Gegen Abend trafen wir uns zu einem Geburtstag eines Fußballmitspielers in dessen Riesenhaus. Treppenhaus mit Fluss und Pflanzeneinbau, Sauna, großer Garten, mächtige Grilllaube, nicht schlecht. Auf bolivianische Art kam man natürlicher später, musste als die Gäste da waren, erst noch zum Einkaufen gehen. Nach langer Entscheidungsphase konnte man sich doch auf Getränke und Fleisch und Brot einigen. Gegen 10 wurde der Grill angeworfen und eine ordentliche Menge Fleisch aufgelegt. Witzige Gespräche, etwas Alkohol und ganz viel Wurst in gemütlicher Runde machten Lust auf das Wochenende.

samstag, 6. april

Heute wollte ich mal wieder was erledigt haben, weshalb ich früh aufstand und auf meine Gastmutter und -geschwister wartete. Gestern wurde ausgemacht zusammen auf den Markt zu gehen, da ich einige Sachen zu kaufen hatte. Um neun ging es tatsächlich los. Seltsamerweise fuhren wir in die falsche Richtung, zur Schule meines Gastbruders. Wie viel zählen eigentlich abgemachte Pläne, fragte ich mich. Wir schauten kurz bei den Schulmeisterschaften zu, dann gingen wir doch noch Richtung Markt. Weil um 1 schon der nächste Treffpunkt mit AFS im anderen Stadtteil anstand, war als wir um 11 am Markt ankamen, nur eine Stunde Zeit. Zu wenig um sich durch das Gedränge zu schlängeln und dabei etwas zu finden. Ein Grund warum ich schon um 9 dort sein wollte, aber daran ließ sich jetzt auch nichts ändern. Musste ich wohl selbstständig unter der Woche noch einmal suchen.
Ohne meine Sachen, die alle im Auto lagen, musste ich schnell Richtung Treffpunkt. Beeilen hätte ich mich nicht brauchen. Dort wurde eine Stunde ausgeharrt bis wir ein Taxi zum Paintballfeld nahmen. Jeden ersten Samstag des Monats treffen sich die Austauschleute und unsere Betreuer zu einer gemeinsamen Aktivität, was heute Paintballspielen war. Erst war ich ziemlich skeptisch, als wir zusätzlich auch noch alle in Camouflagelook dastanden, war mir das schon sehr unangenehm. Mit dieser Abneigung gegen Gewalt, deren Verherrlichung und militärischen Symbolen war ich nicht allein. Es handelte sich aber nur um ein Spiel, mit Farbkugeln. Mulmig wurde mir als wir uns in diesem Outfit durch die Büsche kämpften, immer mit der Angst getroffen zu werden. Irgendwann musste man Paintball auch ausprobiert haben, dachte ich mir. Im Vergleich zu Deutschland war es hier sogar sehr günstig. 3€ für zwei Stunden schleichen und schießen. Als ich doch einmal getroffen wurde, wunderte ich mich, dass es gar nicht wehtat. Ich hatte schon Angst vor blauen Flecken gehabt. Das Schlimmste war allerdings, dass das ganze leider doch Spaß machte.
Danach gingen wir noch gemeinsam Kaffee trinken.
Anschließend fuhren der andere Freiwillige und ich zum Haus meiner Oma, um meine Sachen, die ich im Auto hatte lassen müssen, abzuholen. Wir fuhren zu seinem Haus, wo ich übernachten würde, weil wir morgen einen Ausflug mit seiner Gastfamilie geplant hatten.
Wie immer fühlte ich diese unglaubliche Gastfreundschaft seiner Familie. Nach dem Abendessen saßen wir noch lange zusammen und redeten über die Schwächen und Stärken Boliviens, jeder wurde zudem die eine oder andere lustige Geschichte los. Einige dieser Geschichten werde ich, wenn es zum Thema passt hier mit einstreuen. Man musste sich einfach wohl fühlen. Dann ging es ins Bett, weil wir morgen früh raus mussten.

sonntag, 7. april

Den heutigen Tag erzähle ich lieber in Bildern.

Als wir zu unserem ersten Fußballsaisonspiel losgehen wollten, setzte auf einmal ein heftiges Gewitter mit cornflakesgroßen Hagelkörnern ein. Sein Gastvater erzählte uns, dass eines Tages bei ähnlicher Witterung, das Dach dieses Hauses eingestürzt war. Damals hatte das Höhlenspiel allerdings 20min gedauert und löste katastrophenartige Zustände aus. Die mehr als 200 Flüsse unter der Stadt konnten das Wasser nicht aufnehmen, alles wurde überschwemmt, Autos, Läden und Menschen und deren Habseligkeiten die Straßen hinunter gespült. Im Talkessel, in dem die Hauptstraße liegt, sammelte sich das ganze Wasser und Mitgespülte der Straßen, die sich zu reißenden Flüssen entwickelt hatten. Da viele Kanäle durch Müll, der arglos weggeworfen wurde, verstopft waren und somit kein Wasser aufnehmen konnten, wurde seit diesem Tag auch die Reinhaltung der Straßen mit mehr Mülleimern und Putzdiensten intensiviert. Für Veränderungen braucht es anscheinend immer Katastrophen, die diese Missstände ins Gedächtnis rufen. Seit diesem Tag zählt außerdem jeder die Minuten nach Beginn eines Gewitters. Ab mehr als 20min wird es kritisch. Diese Zeitspanne zeigt sehr genau, wie schnell sich das Wetter hier ändern kann.
Heute hatte das Heftigste nach 5min aufgehört. Wir begaben uns zum Fußballplatz. Es schüttete immer noch, wenigstens kein Hagel, dafür hatte jetzt gleichzeitig die Sonne zu scheinen begonnen. Sehr mysteriös. Patschnass warteten wir am Treffpunkt auf den Rest der Mannschaft. 20min später und 10 min vor Anpfiff waren dann alle da. Zum Aufwärmen, Taktik besprechen oder Einspielen blieb keine Zeit, was man dem Grottenkick auf dem Platz auch anmerkte. Spaß war nur bedingt gegeben. Manche kannten nicht einmal wichtigste Regeln und auch der Schiedsrichter legte diese sehr streng aus. Jedes noch so kleine Foul wurde mit Geld geahndet, obwohl auf den Bolzplätzen mit größten Körpereinsatz gespielt wird. So kassierte ich nach 2min nach einem Rempler eine gelbe Karte. Ab jetzt hieß es aufpassen. Das Spiel war furchtbar. Glücklicherweise dauerte es nur 2 mal 30min. Doch selbst das war zu lang. Kurz vor Schluss bekam ich nach einem Pressschlag mein zweites Foul angezeigt. „Ey Blondie – gelb-rot“, machte mich der Schiedsrichter freundlicherweise auf den ersten Platzverweis meines Lebens aufmerksam. Was soll man machen.
Das bis jetzt schönste Wochenende hatte zum Abschluss noch einen Dämpfer erhalten. Trotzdem ging ich mehr als glücklich ins Bett, ich freute mich auf die nächste Woche, neue Ausflüge und vieles mehr.

montag, 8. april

Wie gewohnt, ging es morgens zu Las Retamas. Heute gab es wieder viel zu sammeln und anschließend fuhren Glasflaschen, von unserem Sammelpartner nicht gekauft wurden zu einem Haus, dessen ganzer Hof mit Glasflaschen aller Größen voll gestapelt war. Erst dachte ich die Besitzerin dieses Hofes sei ein wenig verrückt. Jede gewöhnliche Flasche wurde begutachtet. „Wie schön Glasflaschen doch sind, das vergisst man immer wieder. Man betrachtet sie nur als leere Gefäße, ohne Seele. Dabei hat jede Flasche ihre ganz besonderen Eigenschaften“ Ich hatte es aber nicht mit einer flaschensammelnden Messi zu tun, sondern einer Künstlerin, die in ihrer Werkstatt neben an, erstaunliche Sachen mit diesen alten Glasflaschen anstellte. Sie verformte sie zu Vasen oder Gebrauchsgegenständen und beschriftete oder bedruckte sie mit Grafiken. Es waren wirklich sehr schöne und erstaunliche Gegenstände dabei. Als ich fragte, ob ich mal vorbeikommen könnte, sagte sie erfreut, dass sie samstags ab und an Kurse anbiete und sie mich sobald ein neuer stattfindet, einladen würde. Ich würde mich auf jeden Fall freuen.
Da mittlerweile schon Mittag vorbei war und im Büro nichts zu tun war, ging ich direkt nachhause und machte einen mehrstündigen Rundgang durch den reichen Südteil der Stadt.
Abends sollte ich meiner Gastmutter helfen, die Straßenhunde, die vor unserer Einfahrt lungerten, zu vertreiben. Sie riechen unsere rollige Hündin und wollen verständlicherweise so nah wie möglich an sie heran. Sie riecht sie auch und fängt irgendwann in der Nacht an zu bellen. Die Lungernden bellen zurück und irgendwann bellt der ganze Berg, sodass man aufgrund des Lärms immer wieder aufwacht. Außerdem soll niemand das kleine Pupsihündchen belästigen. Mit Steinen und Rufen sollten alle Männchen vertrieben werden. Es kam mir sehr lächerlich vor, bestätigte aber meine These, dass die Hunde in La Paz die hier herrschenden Reichtumsverhältnisse wieder spiegeln. Hier de wollbehüteten Rassenwauzis mit Ausgehklamotten, auf der anderen Seite, die im müllsuchenden Promenadenmischungen und ganz viele Mittelschichthunde dazwischen. Dies soll übrigens kein Statement zur verschiedenen Ethnizität und dem damit verbundenen Reichtum der Menschen sein. Als die willigen Männchen sich getrollt hatten, ging es ins Bett.

dienstag, 9. april

Im Büro herrschte wieder mangelnde Beschäftigung, wobei es heute ein wenig Ablenkung gab. Eine ehemalige Mitarbeiterin hatte ihr Baby mitgebracht, was natürlich sofort im Mittelpunkt stand und von jeden geduzziduzziet wurde. Das war aber auch schon der einzige Aufreger, so ging ich abermals mittags nachhause. Ich telefonierte und verpasste das unglaubliche Dortmundspiel. Ich glaube ich schreibe zu viel über Fußball, würde ja gerne über die Arbeit schreiben, was leider schwer fällt.
Da unseren Hunden immer langweilig ist und sie kaum aus ihrem Kabuff heraus kommen, habe ich gegen Abend das Gassigehen eingeführt. So kann ich für etwas Bewegung im Haus sorgen, etwas frische Luft, Zufriedenheit der Hunde, eine gemeinsame Aktivität und das morgendliche Aufstehproblem meines Bruders bekämpfen. Mal sehen, wie die Familie das sieht, zumindest mein Bruder war begeistert.

Donnerstag, 18. April 2013

anscheinend sind 2 monate vorrüber


mittwoch, 27. märz

Eigentlich wollte ich diese Woche eine Lobeshymne auf meinen Magen und seine Resistenz gegen Lebensmittel aller Art dichten und veröffentlichen. Doch just im Augenblick dieses Gedanken gingen die Bauschmerzen nach dem Aufstehen los und ich vertröstete den Verdauungstrakt mit Tee und Trockengebäck. Trotzdem ging ich zur Arbeit, wo es irgendwann unerträglich wurde. Bevor die qualvolle Heimfahrt im rüttelnden Minibus begann, kaufte ich noch etwas Brot für mich, was zuhause mal wieder aus war. Zusammengekrümmt und mit den schlimmsten Magenschmerzen an die ich mich erinnern kann, kämpfte ich mich den Hügel zu unserem Haus und die Treppen zu meinem Zimmer hoch. Mit Tee und Brot verbrachte ich den Tag am einzig aushaltbaren Ort, im Bett. Gegen Abend kam dann auch mal jemand in mein Zimmer um zu sehen, was mit mir los war. Die Bestürzung war groß und ich bekam noch mehr Tee und Trockengebäck gebracht. Wir überlegten was der Grund für diese Krämpfe sein könnte. Eigentlich kam nur das Eis, welches ich gestern im Stadion gegessen hatte, in Frage. Mit einem seltsamen Gefühl schlief ich ein.

donnerstag, 28. märz

Auch heute ging es mir nicht besser und Essen und Trinken machten auch keinen Spaß. Der Arbeit sagte ich ab, da sitzen und stehen mehr als unangenehm waren. Gegen Nachmittag ging es mir besser, ich machte einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft. Die Sonne und Vogelstimmen taten mir gut. Dennoch konnte ich mit diesem Gründonnerstag nicht mehr allzu viel anzufangen. So verpasste ich den traditionellen Gang durch alle Kirchen der Stadt, der normalerweise in der Nacht vor Karfreitag in Bolivien begangen wird. Schade. Stattdessen brachte ich Oma ins Bett und hörte mir ihre Geschichten, die manchmal etwas wirr und widersprüchlich sind, an. Sie erzählte mir von ihren Leiden, und wie einsam Sie in ihrem Haus war, seit ihre Tochter samt Familie vor einem halben Jahr ausgezogen waren. Am meisten rührte mich, wie sie vor dem Einschlafen auf der Bettkante kauerte und in ihrem Nachtgebet für alle und jeden betete. Als sie für ihre Gesundheit und gegen ihre Schmerzen in der Schulter – anscheinend ein Tumor – betete, begann sie zu schluchzen und brach in Tränen aus. Ich stand daneben und betrachtete gerührt und ohne Idee, was ich machen sollte, diese eindrucksvolle Szene, die im gedämmten Licht noch geheimnisvoller erschien. In der Hoffnung aber ohne Gebet, dass mein Magen morgen wieder mitspielen würde und ich das besondere Karfreitagsmahl probieren könnte, legte auch ich mich anschließend schlafen.

freitag, 29. märz

Karfreitag ging es mir etwas besser und alle halfen beim Vorbereiten für das traditionell, vegetarische Mittagessen. Zutaten wie Algen, Krabben und andere Meeresfrüchte wurden in mehren Gängen verarbeitet. Jeder einzelne unglaublich lecker, erst Recht nach zwei Tagen magerer Kost. Die üblichen Verdächtigen, die Familie, Oma und Großonkel saßen zusammen und nach dem Essen wurde etwas Würfel - Kniffel mit einem Wurf – gespielt. Dazu gab es ein frisches, leckeres, alkoholisches Getränk, gefolgt von allgemeinen Mittagsschläfchen, die wirklich den ganzen Mittag dauerten. Wieder wach, wurden die Gäste verabschiedet und danach nahtlos zu weiterem Entspannen und Schlafen übergegangen. 

samstag, 30. märz

Heute war der Geburtstag meiner Gastmutter. Obwohl ein weiterer Freudentag anstand herrschte eine eigenartige Stimmung, meine Geburtstagswünsche wurden entgegen genommen, als wären sie etwas Lästiges. Dann wurde gefrühstückt, Salteñas - leckerste Maismehlteigtaschen gefüllt mit einer scharfen, gulaschartigen Füllung, mein absolutes, kulinarisches Highlight in Bolivien, dazu gab es einen Shake aus flüssigen Schaum - Eiern, Milch, massig Zucker - der mit dunklen Bier aufgefüllt wird. Salzig, scharf und süß, sehr gewagt wie ich finde. Zwar lecker aber auch sehr kalorienreich. Danach ging es wieder zum entspannen. Obwohl ihr Geburtstag war, standen keine weiteren Aktivitäten für heute an. Mein Mann hat sich keine Gedanken gemacht und außerdem müssen wir sparen war ihre Aussage. Irgendwie war sie angespannt, weswegen die gesamte Stimmung etwas litt, zum Glück bekam man davon nichts mit, weil alle bis zum Mittagessen auf ihren Zimmern waren. Da auch sonst nichts los war, beschreibe ich mal kurz das heutige Mittagessen. Geröstetes Schwein, in Handteller großen Stücken. Dazu Chuño, das sind schwarze Kartoffeln, die ihre Farbe vom vorherigen Einfrieren haben, eine Spezialität Boliviens, die nicht jedem Ausländer schmeckt, weil sie etwas modrig schmecken. Wie üblich gibt es immer zwei Beilagen, wobei Gemüse eine winzige bis keine Rolle spielt. Heute gab es z.B. zusätzlich eine weitere typische Beilage. Weißen Mais - ja der ist hier weiß, etwas süßer und gleichzeitig ein wenig mehliger, außerdem ist ein Korn riesig, etwa so groß wie ein 50cent Stück. Nach dem gestrigen Kochaufwand wollte sich heute verständlicherweise keiner hinter den Herd stellen, weshalb das Essen aus einem Mitnahmerestaurant kam. Wie ein Geburtstagsgeschenk muss man das Essen erst einmal auspacken. Tausend Tüten und sonstiger späterer Müll umschließen das Essen. Jede Soße wird einzeln in zwei verknoteten Tüten verpackt. Insgesamt ein Alptraum für jemanden, der gerade im Recyclinggeschäft tätig ist.
Statt vor dem Essen "Guten Appetit" zu wünschen, bedankt man sich nach dem Essen persönlich bei jeder Person am Tisch und bekommt anschließend Guten Appetit gewünscht. Oma erzählte dann wieder merkwürdige aber süße Geschichten und stellte verpeilte Fragen, wie z.B. "isst man Suppe in Deutschland?", oder "es gibt viele Sachen aus China, ist dieses Land eigentlich groß?" 
Das war es dann auch schon vom heutigen Tage, weil erst einmal wieder den ganzen Nachmittag und Abend entspannt werden musste.

sonntag, 31. märz

Der heilige Ostersonntag ist schnell erklärt. Komischerweise kein Kirchgang. Kurzes Frühstück , jeder für sich, entspannen bis zum Mittagessen, bei dem bedrückende Stimmung herrschte, auch weil keiner etwas sagte, gefolgt von erneuten Entspannen. Mittlerweile war ich zu entspannt und sogar ungeduldig, weil ich jetzt schon seit mehreren Tagen das Haus nicht wirklich verlassen hatte. Gegen Mittag gab es dann ohne Suche lieblos ein Schokoei auf die Hand gedrückt, immerhin ein "Frohes Ostern" wurde noch ausgerichtet, auch wenn ich diese Fröhlichkeit nicht nicht greifen konnte. Vielleicht hatte sie sich in Luft aufgelöst, aber auch die Luft versprühte keine Wiederauferstehungsfreude. Die Atmosphäre im Haus, die jetzt schon Tage andauerte, machte mittlerweile selbst mich zum ersten Mal seit langen unglücklich, weswegen ich froh war, dass die komischen einsamen Tage endlich rum waren. Dass man am Karfreitag in schlechter Stimmung sein kann, kann ich als Christ ja verstehen aber spätestens einige Tage später muss doch wieder ein Umschwung stattfinden. Ich hoffte auf die neue Woche, neue Impulse, neue oder wieder gewinnbare Fröhlichkeit.

montag, 1. april

Voller Tatendrang stand ich früh auf um meine Sachen zu waschen. Wir besitzen zwar eine Waschmaschine, aber wegen hoher Energiekosten wird häufig von Hand gespült, was auch ich heute vor der Arbeitausprobieren wollte, da meine Klamotten so langsam zu Neige gingen. Obwohl ich schon vor 2 Wochen angefragt hatte, ob wir meine Sachen nicht einer Reinigung unterziehen können, war das bis jetzt nicht geschehen. So lag es eben an mir, das zu erledigen, womit ich allerdings auch kein Problem habe.
Bevor ich aus dem Haus gehe, fülle ich normalerweise meine Flasche mit Wasser aus einem 20l Wasserspender, der in der Küche steht auf, da man das „Hahnenwasser“ nicht trinken sollte. Das hatte ich bis jetzt jeden Morgen getan und es hatte auch nie Probleme gegeben. Höchstens wurde sich darüber lustig gemacht, wie viel Wasser ich tränke. Heute allerdings setzte sich das komische Verhalten des Wochenendes direkt fort. Erst dachte ich an einen Aprilscherz, der Tag an dem Leute reingelegt werden, findet in Bolivien aber erst im November statt. Meine Mutter verbot mir, während ich meine Flasche füllte, mehr als 1l pro Tag aus dem Spender zu nutzen. Es sollte für die gesamte Familie, für die ganze Woche reichen. Wasser ist ein Menschenrecht, dachte ich mir und musste an die Trinkwasserdiskussion in Europa denken. Ich erklärte ihr, dass ich das Wasser ja nicht aus Egoismus tränke, sondern ich gerade hier in der Höhe einiges an Flüssigkeit pro Tag bräuchte. Ich wäre auch bereit, sobald der Wasserspende leer ist, die Kosten für weitere 20l zu übernehmen. Man muss dazu wissen, dass die neuen 20l-Behälter von einem Dienst gebracht werden, den man jederzeit anrufen kann, welcher für umgerechnet 2€ die Behälter austauscht. Wenig Geld und überhaupt kein Stress. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum ich auf einmal weniger Wasser trinken sollte, zumal meine Gastfamilie kaum Gebrauch vom Spender macht und lieber Säfte, Cola und andere Limonaden trinkt. Irgendwie muss ich das die nächsten Tage klären. Ich soll mir alles Wasser, was ich mehr trinken will, selber kaufen. Ich musste los und wusste nicht was ich weiter antworten sollte. Ich beließ es bei einem einfachen Tschüss. Natürlich ist das ein Einzelproblem und klar das Wasser ist für alle in der Familie da, aber es ist so einfach, einen neuen Kanister zu bestellen, weswegen man eigentlich kein [achtung Brüller] großes Fass deswegen aufmachen muss. Vielleicht bekomme ich das ja irgendwie geregelt.
Dann ging es erst mal zum Arbeiten in die Urbanisation, Einsammeln stand auf dem Programm. Von mal zu mal kommen mehr Leute zu den vereinbarten Treffpunkten. Statt wie zu Beginn, als manchmal nur 2 leere PET-Flaschen gebracht wurden, die man gerade noch irgendwo aufgekratzt hatte, bringen die Leute auch immer mehr Material. Erfreulich, das die Aktion so langsam Beachtung findet. Die Nachbarn sind zudem immer sehr interessiert, was meine Rolle in dieser Aktion angeht und wo ich her komme. Heute habe ich eine Dame kennen gelernt, deren Tochter in Landau studiert, wie klein die Welt doch ist.
Wie üblich ging es danach zum Haus, der für die Urbanisation verantwortlichen Dame. Wobei mir auffiel, dass sie das genaue Gegenteil meiner Gastmutter, in der Verfassung der letzten Woche, ist. Immer freundlich, hilfsbereit und interessiert. So suchten wir z.B. heute nach Unterrichtstunden für Salteñas [die gefüllten Teigtaschen] für mich. Außerdem bot sie mir an, dass ich für ein paar Tage im Büro der Nachrichtenagentur Reuters vorbei schauen könnte, da ihr Mann der Chef der bolivianischen Niederlassung ist. Mal schauen, wann ich das in meinen von Arbeit voll gestopften Terminkalender einbauen kann.
Danach ging es wieder kurz ins Büro, wo es nichts zu tun gab und gegen Nachmittag wieder nachhause.

dienstag, 2. april

Morgens gab es glücklicherweise keinen weiteren komischen Einfall meiner Gastmutter und so konnte ich mich zu meiner einstündigen Reise zum Büro aufmachen.
Dort, nichts los. Nachmittags ging ich zum Haus des anderen Freiwilligen, wo wir uns zusammen der Terrasse und dem Bayernspiel annahmen. Wie immer wurde ich freundlich von seiner Familie empfangen und im Gegensatz zur seltsamen Stimmung bei mir zuhause, war das eine Wohltat. Wahrscheinlich sollte ich aufhören zu vergleichen. Nur sucht man eben immer nach Sachen, die man selber momentan nicht hat.
Abends trafen wir uns mit seiner Gastschwester und ihrem Freund, der schon so viel, z.B. das ganze Fußballspielen für uns organisiert hatte. Er hatte heute Geburtstag und wir hatten zusammen ein Geschenk gekauft, danach gingen wir mit seinen Freunden noch etwas trinken und Cacho, eine Kniffelvariante spielen. Gegen 2Uhr war auch die neunte Woche schon wieder rum.