mittwoch, 24. april
Die Medikamente gegen den Ausschlag waren versprochen stark
und auszehrend, durch das ständige Jucken hatte ich zudem erneut schlecht
geschlafen. Am Morgen ging es deswegen überhaupt nicht und ich blieb zuhause.
Beim Mittagessen ging es mir immer noch nicht besser und meine Gasteltern
machten mir mit ihren Krankheitsbefunden Angst. Es half alles nichts ich ging
in Krankenhaus um mich überprüfen zu lassen. Obwohl meine Gasteltern von
Todesgefahr für mich sprachen, hielt es keiner für notwendig mich zum Arzt zu
fahren. Etwas geschwächt fuhr ich also alleine mit dem Bus.
Im Krankenhaus angekommen musste ich erst einmal um
Aufmerksamkeit nerven. Ich fragte so häufig nach einem Arzt, bis ich nach 40min
endlich Auskunft bekam und tatsächlich drankam. Der Arzt gratulierte mir zuerst
zum Bayernsieg und zur momentanen Führung der Borussia, was ich wegen meines
Wartens nicht mitbekommen hatte. Witziger Kerl, der Onkel Doktor. Nach etwas
Smalltalk wurde ich sogar noch überprüft und es schien sich nur um eine
gewöhnliche Allergie zu handeln - keine lebensbedrohliche Vergiftung wir mir
prophezeit worden war. Wegen was die Allergie vorlag konnte er allerdings auch
nicht sagen. Ich bekam Tabletten und Creme verschrieben, mit der der Ausschlag
zurück getrieben werden sollte. Zudem bekam ich eine Spritze, die sofort helfen
sollte. Die Krankenschwester hatte allerdings Probleme meine blau leuchtende
Vene zu erkennen, weshalb ich noch immer einen blauen Fleck am Arm besitze.
Samt Rezept ging es zur Apotheke, hinter deren Theke emsig gewirbelt und
gesucht wurde. Sie war gut ausgestattet und man fand die mir verschriebenen
Mittel sofort. Wegen meiner Spezialweltwärtsversicherung war es dann etwas
komplizierter alles richtig abzuwickeln. Dennoch konnte ich danach versuchen
die letzten Champions League Minuten zu sehen. Vor einem Fernsehgeschäft wurde
ich fündig. 10 Bolivianer standen willkürlich vor dem Schaufenster und glotzen
auf einen der Monitore. Ich schloss mich an.
Nach Ende des Fernsehtests ging es nachhause. Da ich zur
Erholung des Körpers eine Woche Sportverbot bekommen hatte, fiel Kung Fu leider
aus. Außerdem sollte ich bis Montag keine komplizierten Speisen essen. Konkret
begann die Phase von Wasser und Brot. Da muss ich wohl durch.
donnerstag, 25. april
Das Jucken hatte nachgelassen und ich konnte wieder zum Zeit
absitzen ins Büro. Anschließend ging es nachhause, ich telefonierte nachhause
und las. Dann war der Tag auch schon rum. Ich hatte sogar etwas Reis,
Kartoffeln und trockenes Hackfleisch erhascht.
freitag, 26. april
Wann ist dieses unerträgliche Rumgesitze endlich vorbei?
Mittags aß ich trocken Brot und noch trockenere Kekse in
einem Park und genoß im Schatten die Sonne. Mittags ging ich zum Haus des
anderen Freiwilligen und die Terrasse wurde endgültig gesäubert. Eine braune
Kackbrühe schoss aus dem 6m hohen Abfluss auf die Straße und verschmutzte die
unterliegenden Fenster. Passanten wunderten sich über die Ursache der braunen
Flüssigkeit und winkten freundlich als sie uns sahen.
Zusammen mit seiner Gastschwester gingen zum
Billiardspielen. Wie lange man brauchen kann um sich zum Billiardspielen fein
zu machen habe ich heute bei ihr gemerkt. Der Laden war überfüllt mit
Touristengringos, die seltsame Dinge über Bolivien redeten und noch nicht
einmal an der Oberfläche des Landes gekratzt hatten. Wir zwei sind froh, dass
wir innerhalb eines Jahres die Möglichkeit haben, etwas weiter einzutauchen. Da
für mich auch Alkohol verboten war, genoss ich zum Ausgehen einen schönen Tee.
Gegen eins ging es für mich im Taxi wieder nachhause.
samstag, 27. april
Um 10 Uhr dauerte es fast zwei Stunden, um es im
morgendlichen Verkehr von meinem Haus zum Haus des anderen Freiwilligen zu
schaffen. Heute sollten Pflanzen für die Terrasse gesucht und eingegraben
werden.
Mit unserem Vorhaben hatten wir mittlerweile sogar seine
Gasteltern mobilisiert. Statt Pflanzen zu suchen, wurde altes Gerümpel
durchsucht und unbenutzte Bänke und Stühle gefunden. Zur deren Herrichtung
mussten jedoch Schmirgelpapier und Lack gekauft werden, weswegen in einen
kleinen Heimwerkerladen in den Marktstraßen gingen. Tatsächlich fanden wir
alles und bezahlten einiges weniger, weil der besoffene Verkäufer nicht mehr
zum Rechnen im Stande war. Selber Schuld, sagte der Gastvater. Ein weiterer
Besoffener kreuzte unseren Weg, er starrte mich an und rief mir ein
freundliches „ey choco“ entgegen, etwa „hey blondie“. Wir konnten alle nicht
anders als lachen, weil die Situation einfach zu komisch war. Nachdem ich mein
eigenes Süppchen gekocht bekommen und wir gemeinsam zu Mittag gegessen hatten,
wurde den gesamten Nachmittag ans geschmirgelt und gestrichen.
Abends trafen wir uns mit anderen Freiwilligen zu einer
Mordsparty, die vor lauter Ansturm aufs Umland verlegt wurde, da es in La Paz
nicht genügend Kapazitäten gab. Ich durfte nichts trinken, was sehr gut war.
Eine witzige Taxifahrt – zu acht plus Fahrer in einem Fünfsitzer – witzige
Gespräche und gute Musik ließen den Abend verheißungsvoll beginnen. Von den 600
erwarteten Gästen hatten es vielleicht 80 auf das Gelände geschafft. 30
tanzten. Uns war das egal. Das Bolivianer es mit Zusagen nicht so genau nehmen
waren wir schon gewöhnt. Nach dem wir uns alle kurz ausgeruht hatten, gingen
unerwartet um zwei die Lichter an. Bis um fünf hätte es laut Plan mindestens
weitergehen sollen, weswegen ich meinen Gasteltern erzählt hatte, dass ich im
Haus des anderen Freiwilligen schlafen würde. In Bolivien besitzen die Eltern
ein sehr großen Einfluss auf ihre Kinder und selbst 34-jährige müssen manchmal
schon um 1 nachhause zu Mutti, die sich sonst Sorgen machen würde. Meine
Familie erlaubt mir immer bis um 3 auszugehen. Anders als bei sonstigen
Zeitangaben gilt es hier pünktlich zu sein, will man niemanden verärgern.
Das war also das wilde bolivianische Feiervolk, als welches
sie sich selber bezeichnen. Ehrlich gesagt ist bei den meisten deutschen Feiern
mehr los und länger dauern tun sie auch. Wir wurden sogar aufgefordert, das
Gelände sofort zu verlassen. Abmarsch dachten wir uns. Taxis gab es auch keine
und wir hatten Glück 20min außerhalb La Paz doch noch eines zu finden. Ein
wenig ernüchtert und enttäuscht von den bolivianischen Feierbiestern ging es
gemeinsam nachhause. Wenigstens bedeutete die frühere Uhrzeit mehr Schlaf.
sonntag, 28. april
Der dann doch nicht zustande kam, weil es im Zimmer
bitterkalt wurde und alle Decken nicht ausreichten. Es wird Winter, was sich
vor allem durch Wolkenlosigkeit ausdrückt. Tagsüber bedeutet das in der Sonne
angenehme fast heiße Temperaturen, nachts nähern sich die Temperaturen
allerdings dem Gefrierpunkt an. Irgendwie fand ich im Zimmer noch einen
Schlafsack, in dem eingewickelt ich doch noch bis kurz vor 12 schlief. Mein
Körperschmuck juckte gar nicht mehr und hatte sich mittlerweile erträglich
zurückgezogen.
Mittags wurde gemeinsam das Essen vorbereitet, was wirklich
Spaß machte und mich an eine Familie erinnerte. Der 12-jährige Gastcousin, der
im selben Haus wohnt, war runter gekommen und half beim Schmirgeln und
anschließenden Essen mit. Ein kleines, rundes, aufgewecktes Kerlchen, der so
viel redete, dass kein anderer am Tisch zu Wort kam. Den Nachmittag über wurde
gearbeitet.
Gegen halb sieben wurde es dunkel und wollte mich auf den
Weg nachhause machen. Ich wartete noch auf die Gastschwester, die in dieselbe
Richtung musste und ewig brauchte um sich schick zu machen. Während der
Busfahrt unterhielten wir uns nett und ich fragte mich warum meine
Gastschwester nicht auch sein könnte.
Zuhause war meine eigentliche Gastfamilie gerade am
Abendbrot und ich war von ihren Gesprächen über Geld und anderen unnötigen
Gesprächstoff gelangweilt. Möglicherweise lag es auch daran, dass ich das ganze
Wochenende mit dem genauen Gegenteil einer Gastfamilie verbracht hatte. Der
Kontrast der Beiden wurde mir wieder zu deutlich. Als dann auch noch ein
arroganter Witz auf Kosten der anderen Gastfamilie fiel, war ich fast geneigt
aufzustehen, riss mich aber noch zusammen. Meine Gastmutter war wieder besser
drauf und ich unterhielt mich ein wenig mit ihr, trotzdem erfüllte eine seltsame
Stimmung den Raum.
Mein Gastbruder und ich schauten die bolivianische
Sportschau, die vor lauter Werbung unerträglich ist. Der Moderator preist
ungeniert Produkte an, greift sich z.B. an die Krawatte und schwärmt von ihren
Eigenschaften, eine Flasche Cola wird mit solchem Genuss getrunken und
anschließend in die Kamera gehalten, das man vor Peinlichkeit brechen möchte.
Wenn inzwischen der ständigen Werbepausen tatsächlich ein Spielausschnitt
gezeigt wird, kann man den Ball meistens nicht sehen, da ein Drittel des
Bildschirms mit Werbebannern voll gekleistert ist. Nach zehn Minuten hatte ich
genug und verabschiedete mich ins Bett. Ich wurde wieder daran erinnert warum
ich hier kaum Fernsehen gucke.
montag, 29. april
Ich quälte mich aus dem Bett, freute mich jedoch, dass heute
der letzte Essensgefängnistag anstand. Endlich Schluss mit Wasser und Brot. Wie
jeden Montag ging es in die Retamas. Erneut hatten wir viel zu schleppen und
die Leute werden so langsam gierig nach Belohnungen. Statt einem Sticker für
ihre erbrachten Materialien, hätten sich gerne mindestens zwei. So Leid es mir
tut, kann ich diesen Wunsch nicht erfüllen. Allerdings beweist es, dass viele
Menschen nie zufrieden sind, mit dem was sie haben.
Bei Kiwisaft wurde im Haus der Organisatorin noch nett
geplauscht, ehe ich mich auf den Weg in Richtung Zentrum machte. Ich vertrieb
mir die Wartezeit auf Onkel Doktor mit einem Spaziergang durch das Viertel und
probierte trockene Leckereien der Bäckereien. In einem winzigen Park angekommen
betrachtete ich den Streit eines jungen Pärchens. Wie alle anderen Betrachter,
die sich angesammelt hatten wunderte ich mich über die penetrante, laute Art
des Mädchens. Eine ältere Frau echauffierte sich lautstark. „Was für eine Göre,
dieses Mädchen.“ Irgendwann legte sich die Aufregung und der Menschenauflauf
verschwand. Ich begab mich Richtung Krankenhaus. Trotz festen Termins wartete
ich fast eine Stunde auf das Erscheinen des Arztes. Als ich gerade gehen
wollte, traf er ein. Alles gut, ich könne wieder normal Essen und Sport
treiben.
Daraufhin stattete ich dem nahe gelegenen AFS-Büro einen
Besuch ab, um mich über den Fortschritt des Projektwechsels zu erkundigen. In
meiner Freizeit hatte ich selber bei anderen Projekten angefragt und hatte
sogar Zusagen. Obwohl mir vor 3 Wochen noch dazu geraten wurde, hatte meine
Selbstinitiative keinen Sinn gehabt. Wegen des komplizierten weltwärts-Modus
müsste erst mit Deutschland geklärt werden, wie es genau weitergehe. Dies war
in drei Wochen noch anscheinend noch nicht geschehen, was mich dezent ärgerte.
Einen Monat Zeit solle ich ihnen geben. Nun waren also drei Monate meines
Freiwilligendienstes um, von denen ich noch kaum „GEDIENT“ habe. Mit dem Wissen
der Erlebnisse anderer Freiwilliger zweifle am Modell des Auslandseinsatzes zur
Hilfe anderer Nationen immer mehr. Mehr dazu im bald erscheinenden 3-Monats
Rückblick. Das ein Wechsel weitere Wochen dauern sollte, ließ meine Hoffnung in
die gerade gestartete Woche, auf das Level der Möglichkeit für bolivianisches
Meer sinken.
Ernüchtert verließ ich das Büro. Mittlerweile war es fünf
Uhr und ich ging so früh wie nie zur Kungfustunde. Mit 2 Kindern und ein
weiteren Lernenden begann die Stunde. Da die Kinder kaum aufpassten wurden wir
ständig mit Liegestützen oder ähnlichen bestraft und mein Lerneffekt betrug
null. Zu allem Übel fiel hinter mir ein Gemälde zu Boden. Laut Meister war mein
Karma zerstört und der Geist des Bildes verstört. Um ihn wieder zufrieden
zustellen und mein inneres Gleichgewicht aufzuladen, kniete ich zehn Minuten
mit gefalteten Händen vor dem Bild. Die Stunde war vorbei und meine Laune hatte
sich nicht merklich verbessert.
Ein gebrauchter Tag ging zu Ende.
dienstag, 30. april
Um 0830 traf ich mit meiner Mitarbeiterin in El Alto. Zur
gewohnten Arbeitszeit bräuchte ich wegen des Verkehrs für diese Strecke ca.
zwei Stunden, weshalb ich mich um 0645 auf den Weg machte. Ich hatte aber
völlig unterschätzt, dass es zu so früher Stunde kaum welchen gab. So war ich
schon um 0745 am Treffpunkt. Ich war schneller gewesen als so manches Mal auf
dem Weg zur Arbeit, welche auf der Hälfte der Strecke liegt. Mir wurde wieder
bewusst, wie viel Zeit ich schon in Staus zugebracht hatte.
So hieß erst einmal in der Kälte warten, da es auf der
Hochebene noch um einige Grade kälter ist. Nachts kann man sogar schon Frost
bestaunen.
Wir machten uns auf die Suche nach dem Aufklärungsmarkt auf
dem wir an einem Stand über Recycling aufklären sollten. Um Neun sollte dieser
beginnen, war aber an der uns gesagten Stelle nicht auzufinden. So irrten und
fragten wir eineinhalb Stunden herum nur am Ende zum Ausgangspunkt zurück zu
kehren, wo gerade begonnen wurde aufzubauen. Achja die Zeit. Zwei Stunden nach
Plan ging es tatsächlich mit Eröffnungsrede und Theaterstück los. Mütter und Schulklassen
stürmten zu unserem Stand und stellten Fragen auf Fragen, denen wir
bereitwillig Antwort gaben. Die mitgebrachten Broschüren gingen weg wie warme
Semmeln, jedoch nicht ohne diese vorher erläutert zu haben. Nach 2 Monaten im
Projekt hatte ich endlich das erste Mal die Ehre, den Hauptaufgabe FUNDAREs zu
erledigen. Aufklärung und Lehren über Recycling. Es machte richtig Spaß. Zum
allerersten Mal fühlte ich mich hilfreich. 2 Stunden lang erzählten und
erklärten wir und nicht wenige waren zu unserem Stand gekommen um einen Blick
auf den Blonden zu erhaschen. Sie blieben aber auch stehen und hörten zu. Wenn ich
so durch meine Auffälligkeit helfen kann, ist mir das angestarrt werden gerne
Recht. Dann war der erfreuliche Einsatz schon wieder vorbei, es wurden
abschließende Bilder mit den Veranstaltern gemacht. Als alle Leute verschwunden
waren wurde deutlich, dass noch viel über Recycling erklärt werden muss. Die
vorher saubere Straße, in der das Event stattgefunden hatte, war nun übersäht
von Müll. Die gleichen Leute, die soeben noch interessiert gelauscht hatten,
hatten Infomaterialien, Verpackungen des geschenkten Frühstücks und
Bananenschalen auf dem schnellsten Weg entsorgt. Etwas resigniert machten wir
uns auf den Heimweg. Sollten jedoch ein paar wenige Kinder und einige der
Frauen, die dies ihren Freundinnen erzählen würden unsere Botschaft verstanden
haben, war unser Einsatz erfolgreich gewesen. Und davon gehe ich aus.
Mittags war ich wieder zuhause, wo ich einige komische
Bitten meiner Gastmutter erfüllen sollte. Obwohl sie den ganzen Morgen zuhause
verbracht hatte, war sie nicht in der Lage gewesen dies selber zu erledigen und
war jetzt im Stress, weil in einer Stunde ihre alten Schulfreundinnen
eintreffen sollten. Irgendwie werde ich aus den Launen dieser Frau nicht so
wirklich Schlau.
Gegen Nachmittag durfte ich auch die Bekanntschaft mit ihren
Freundinnen machen, die sie seit 30 Jahren nicht gesehen hatte. Künstliches
Lachen und erheitert sein verhießen fünf Minuten Fremdscham. Das ist Niklas. Er
ist so lustig. Erzähl doch mal was Lustiges so wie neulich, weist du noch. Hahahahaha.
Zum Glück war der Spuk bald vorbei.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Spanisch lernen und
lesen.
So ging auch die dreizehnte Woche zu Ende und ich bin
erstaunt, wie schnell ein Viertel meiner Zeit vorbei gerauscht ist.