mittwoch, 27. märz
Eigentlich wollte ich diese Woche eine Lobeshymne auf meinen Magen und seine Resistenz gegen Lebensmittel aller Art dichten und veröffentlichen. Doch just im Augenblick dieses Gedanken gingen die Bauschmerzen nach dem Aufstehen los und ich vertröstete den Verdauungstrakt mit Tee und Trockengebäck. Trotzdem ging ich zur Arbeit, wo es irgendwann unerträglich wurde. Bevor die qualvolle Heimfahrt im rüttelnden Minibus begann, kaufte ich noch etwas Brot für mich, was zuhause mal wieder aus war. Zusammengekrümmt und mit den schlimmsten Magenschmerzen an die ich mich erinnern kann, kämpfte ich mich den Hügel zu unserem Haus und die Treppen zu meinem Zimmer hoch. Mit Tee und Brot verbrachte ich den Tag am einzig aushaltbaren Ort, im Bett. Gegen Abend kam dann auch mal jemand in mein Zimmer um zu sehen, was mit mir los war. Die Bestürzung war groß und ich bekam noch mehr Tee und Trockengebäck gebracht. Wir überlegten was der Grund für diese Krämpfe sein könnte. Eigentlich kam nur das Eis, welches ich gestern im Stadion gegessen hatte, in Frage. Mit einem seltsamen Gefühl schlief ich ein.
donnerstag, 28. märz
Auch heute ging es mir nicht besser und Essen und Trinken machten auch keinen Spaß. Der Arbeit sagte ich ab, da sitzen und stehen mehr als unangenehm waren. Gegen Nachmittag ging es mir besser, ich machte einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft. Die Sonne und Vogelstimmen taten mir gut. Dennoch konnte ich mit diesem Gründonnerstag nicht mehr allzu viel anzufangen. So verpasste ich den traditionellen Gang durch alle Kirchen der Stadt, der normalerweise in der Nacht vor Karfreitag in Bolivien begangen wird. Schade. Stattdessen brachte ich Oma ins Bett und hörte mir ihre Geschichten, die manchmal etwas wirr und widersprüchlich sind, an. Sie erzählte mir von ihren Leiden, und wie einsam Sie in ihrem Haus war, seit ihre Tochter samt Familie vor einem halben Jahr ausgezogen waren. Am meisten rührte mich, wie sie vor dem Einschlafen auf der Bettkante kauerte und in ihrem Nachtgebet für alle und jeden betete. Als sie für ihre Gesundheit und gegen ihre Schmerzen in der Schulter – anscheinend ein Tumor – betete, begann sie zu schluchzen und brach in Tränen aus. Ich stand daneben und betrachtete gerührt und ohne Idee, was ich machen sollte, diese eindrucksvolle Szene, die im gedämmten Licht noch geheimnisvoller erschien. In der Hoffnung aber ohne Gebet, dass mein Magen morgen wieder mitspielen würde und ich das besondere Karfreitagsmahl probieren könnte, legte auch ich mich anschließend schlafen.
freitag, 29. märz
Karfreitag ging es mir etwas besser und alle halfen beim Vorbereiten für das traditionell, vegetarische Mittagessen. Zutaten wie Algen, Krabben und andere Meeresfrüchte wurden in mehren Gängen verarbeitet. Jeder einzelne unglaublich lecker, erst Recht nach zwei Tagen magerer Kost. Die üblichen Verdächtigen, die Familie, Oma und Großonkel saßen zusammen und nach dem Essen wurde etwas Würfel - Kniffel mit einem Wurf – gespielt. Dazu gab es ein frisches, leckeres, alkoholisches Getränk, gefolgt von allgemeinen Mittagsschläfchen, die wirklich den ganzen Mittag dauerten. Wieder wach, wurden die Gäste verabschiedet und danach nahtlos zu weiterem Entspannen und Schlafen übergegangen.
samstag, 30. märz
Heute war der Geburtstag meiner Gastmutter. Obwohl ein weiterer Freudentag anstand herrschte eine eigenartige Stimmung, meine Geburtstagswünsche wurden entgegen genommen, als wären sie etwas Lästiges. Dann wurde gefrühstückt, Salteñas - leckerste Maismehlteigtaschen gefüllt mit einer scharfen, gulaschartigen Füllung, mein absolutes, kulinarisches Highlight in Bolivien, dazu gab es einen Shake aus flüssigen Schaum - Eiern, Milch, massig Zucker - der mit dunklen Bier aufgefüllt wird. Salzig, scharf und süß, sehr gewagt wie ich finde. Zwar lecker aber auch sehr kalorienreich. Danach ging es wieder zum entspannen. Obwohl ihr Geburtstag war, standen keine weiteren Aktivitäten für heute an. Mein Mann hat sich keine Gedanken gemacht und außerdem müssen wir sparen war ihre Aussage. Irgendwie war sie angespannt, weswegen die gesamte Stimmung etwas litt, zum Glück bekam man davon nichts mit, weil alle bis zum Mittagessen auf ihren Zimmern waren. Da auch sonst nichts los war, beschreibe ich mal kurz das heutige Mittagessen. Geröstetes Schwein, in Handteller großen Stücken. Dazu Chuño, das sind schwarze Kartoffeln, die ihre Farbe vom vorherigen Einfrieren haben, eine Spezialität Boliviens, die nicht jedem Ausländer schmeckt, weil sie etwas modrig schmecken. Wie üblich gibt es immer zwei Beilagen, wobei Gemüse eine winzige bis keine Rolle spielt. Heute gab es z.B. zusätzlich eine weitere typische Beilage. Weißen Mais - ja der ist hier weiß, etwas süßer und gleichzeitig ein wenig mehliger, außerdem ist ein Korn riesig, etwa so groß wie ein 50cent Stück. Nach dem gestrigen Kochaufwand wollte sich heute verständlicherweise keiner hinter den Herd stellen, weshalb das Essen aus einem Mitnahmerestaurant kam. Wie ein Geburtstagsgeschenk muss man das Essen erst einmal auspacken. Tausend Tüten und sonstiger späterer Müll umschließen das Essen. Jede Soße wird einzeln in zwei verknoteten Tüten verpackt. Insgesamt ein Alptraum für jemanden, der gerade im Recyclinggeschäft tätig ist.
Statt vor dem Essen "Guten Appetit" zu wünschen, bedankt man sich nach dem Essen persönlich bei jeder Person am Tisch und bekommt anschließend Guten Appetit gewünscht. Oma erzählte dann wieder merkwürdige aber süße Geschichten und stellte verpeilte Fragen, wie z.B. "isst man Suppe in Deutschland?", oder "es gibt viele Sachen aus China, ist dieses Land eigentlich groß?"
Das war es dann auch schon vom heutigen Tage, weil erst einmal wieder den ganzen Nachmittag und Abend entspannt werden musste.
sonntag, 31. märz
Der heilige Ostersonntag ist schnell erklärt. Komischerweise kein Kirchgang. Kurzes Frühstück , jeder für sich, entspannen bis zum Mittagessen, bei dem bedrückende Stimmung herrschte, auch weil keiner etwas sagte, gefolgt von erneuten Entspannen. Mittlerweile war ich zu entspannt und sogar ungeduldig, weil ich jetzt schon seit mehreren Tagen das Haus nicht wirklich verlassen hatte. Gegen Mittag gab es dann ohne Suche lieblos ein Schokoei auf die Hand gedrückt, immerhin ein "Frohes Ostern" wurde noch ausgerichtet, auch wenn ich diese Fröhlichkeit nicht nicht greifen konnte. Vielleicht hatte sie sich in Luft aufgelöst, aber auch die Luft versprühte keine Wiederauferstehungsfreude. Die Atmosphäre im Haus, die jetzt schon Tage andauerte, machte mittlerweile selbst mich zum ersten Mal seit langen unglücklich, weswegen ich froh war, dass die komischen einsamen Tage endlich rum waren. Dass man am Karfreitag in schlechter Stimmung sein kann, kann ich als Christ ja verstehen aber spätestens einige Tage später muss doch wieder ein Umschwung stattfinden. Ich hoffte auf die neue Woche, neue Impulse, neue oder wieder gewinnbare Fröhlichkeit.
montag,
1. april
Voller
Tatendrang stand ich früh auf um meine Sachen zu waschen. Wir besitzen zwar
eine Waschmaschine, aber wegen hoher Energiekosten wird häufig von Hand
gespült, was auch ich heute vor der Arbeitausprobieren wollte, da meine
Klamotten so langsam zu Neige gingen. Obwohl ich schon vor 2 Wochen angefragt
hatte, ob wir meine Sachen nicht einer Reinigung unterziehen können, war das
bis jetzt nicht geschehen. So lag es eben an mir, das zu erledigen, womit ich
allerdings auch kein Problem habe.
Bevor
ich aus dem Haus gehe, fülle ich normalerweise meine Flasche mit Wasser aus
einem 20l Wasserspender, der in der Küche steht auf, da man das „Hahnenwasser“
nicht trinken sollte. Das hatte ich bis jetzt jeden Morgen getan und es hatte
auch nie Probleme gegeben. Höchstens wurde sich darüber lustig gemacht, wie
viel Wasser ich tränke. Heute allerdings setzte sich das komische Verhalten des
Wochenendes direkt fort. Erst dachte ich an einen Aprilscherz, der Tag an dem
Leute reingelegt werden, findet in Bolivien aber erst im November statt. Meine
Mutter verbot mir, während ich meine Flasche füllte, mehr als 1l pro Tag aus
dem Spender zu nutzen. Es sollte für die gesamte Familie, für die ganze Woche
reichen. Wasser ist ein Menschenrecht, dachte ich mir und musste an die
Trinkwasserdiskussion in Europa denken. Ich erklärte ihr, dass ich das Wasser
ja nicht aus Egoismus tränke, sondern ich gerade hier in der Höhe einiges an
Flüssigkeit pro Tag bräuchte. Ich wäre auch bereit, sobald der Wasserspende
leer ist, die Kosten für weitere 20l zu übernehmen. Man muss dazu wissen, dass
die neuen 20l-Behälter von einem Dienst gebracht werden, den man jederzeit
anrufen kann, welcher für umgerechnet 2€ die Behälter austauscht. Wenig Geld
und überhaupt kein Stress. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum ich auf
einmal weniger Wasser trinken sollte, zumal meine Gastfamilie kaum Gebrauch vom
Spender macht und lieber Säfte, Cola und andere Limonaden trinkt. Irgendwie
muss ich das die nächsten Tage klären. Ich soll mir alles Wasser, was ich mehr
trinken will, selber kaufen. Ich musste los und wusste nicht was ich weiter
antworten sollte. Ich beließ es bei einem einfachen Tschüss. Natürlich ist das
ein Einzelproblem und klar das Wasser ist für alle in der Familie da, aber es
ist so einfach, einen neuen Kanister zu bestellen, weswegen man eigentlich kein
[achtung Brüller] großes Fass deswegen aufmachen muss. Vielleicht bekomme ich
das ja irgendwie geregelt.
Dann
ging es erst mal zum Arbeiten in die Urbanisation, Einsammeln stand auf dem
Programm. Von mal zu mal kommen mehr Leute zu den vereinbarten Treffpunkten.
Statt wie zu Beginn, als manchmal nur 2 leere PET-Flaschen gebracht wurden, die
man gerade noch irgendwo aufgekratzt hatte, bringen die Leute auch immer mehr
Material. Erfreulich, das die Aktion so langsam Beachtung findet. Die Nachbarn
sind zudem immer sehr interessiert, was meine Rolle in dieser Aktion angeht und
wo ich her komme. Heute habe ich eine Dame kennen gelernt, deren Tochter in
Landau studiert, wie klein die Welt doch ist.
Wie
üblich ging es danach zum Haus, der für die Urbanisation verantwortlichen Dame.
Wobei mir auffiel, dass sie das genaue Gegenteil meiner Gastmutter, in der
Verfassung der letzten Woche, ist. Immer freundlich, hilfsbereit und
interessiert. So suchten wir z.B. heute nach Unterrichtstunden für Salteñas
[die gefüllten Teigtaschen] für mich. Außerdem bot sie mir an, dass ich für ein
paar Tage im Büro der Nachrichtenagentur Reuters vorbei schauen könnte, da ihr
Mann der Chef der bolivianischen Niederlassung ist. Mal schauen, wann ich das
in meinen von Arbeit voll gestopften Terminkalender einbauen kann.
Danach
ging es wieder kurz ins Büro, wo es nichts zu tun gab und gegen Nachmittag
wieder nachhause.
dienstag,
2. april
Morgens
gab es glücklicherweise keinen weiteren komischen Einfall meiner Gastmutter und
so konnte ich mich zu meiner einstündigen Reise zum Büro aufmachen.
Dort,
nichts los. Nachmittags ging ich zum Haus des anderen Freiwilligen, wo wir uns
zusammen der Terrasse und dem Bayernspiel annahmen. Wie immer wurde ich
freundlich von seiner Familie empfangen und im Gegensatz zur seltsamen Stimmung
bei mir zuhause, war das eine Wohltat. Wahrscheinlich sollte ich aufhören zu
vergleichen. Nur sucht man eben immer nach Sachen, die man selber momentan
nicht hat.
Abends
trafen wir uns mit seiner Gastschwester und ihrem Freund, der schon so viel,
z.B. das ganze Fußballspielen für uns organisiert hatte. Er hatte heute
Geburtstag und wir hatten zusammen ein Geschenk gekauft, danach gingen wir mit
seinen Freunden noch etwas trinken und Cacho, eine Kniffelvariante spielen.
Gegen 2Uhr war auch die neunte Woche schon wieder rum.
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