Mittwoch, 13. März 2013

eineinhalb monate?

Liebe Lesende,

mittlerweile sind sechs Wochen vergangen, seitdem ich in den Bergen gelandet bin. Noch habe ich es nicht bereut. An viele Sachen habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Alles läuft mehr oder weniger seinen Gang, wenn auch einen anderen als zuhause. Nichts ist langweilig und man kann nie wissen, was als nächstes passieren wird. Leider ist es auch unmöglich etwas zu planen. Sobald man sich etwas vorgenommen hat, dauern andere Sachen, die vorher stattfanden ewig, oder es schieben sich neue Aktivitäten ein, weshalb es noch immer nicht geklappt hat, mich mit einem Hobby zu beschäftigen. Ich hoffe auf das nächste Wochenende, an dem noch nichts ansteht. Vielleicht wird es allerdings doch nichts, wenn ich mit meiner Familie zu einem Fest für handstandmachende Regenwürmer gehen sollte, man kann nie wissen. Diese Ungewissheit kann nervenaufreibend sein, von nervig ist sie jedoch noch weit entfernt. Das einzig nervige ist zurzeit die Arbeit, oder vielmehr dass jene keine ist. Mir wurde versprochen, dass das bald besser wird und die Hoffnung sollte man nicht aufgeben, allerdings ist es schon etwas frustrierend, die meiste Zeit im Büro ohne Aufgabe zu verbringen. Ansonsten fühle ich mittlerweile sehr wohl, mit der Familie verstehe ich mich sehr gut, die Wochenenden sind witzig und auch mit Spanisch läuft es immer besser.

Ich hoffe es geht euch allen gut und dass ihr die Sonnenstrahlen genießen konntet, bevor der Winter jetzt wieder zurück schlägt. Hier lassen die Gewitter übrigens gerade nach.

Liebe Grüße

Niklas


mittwoch, 6. märz

Heute hatte mein Gastbruder Geburtstag und nicht mal an seinem Ehrentag wurde er für seine Liebe zum Ausschlafen gelobt. Heute war es besonders eng, um noch rechtzeitig in die Schule zu kommen, weshalb ich nicht einmal Zeit hatte zu gratulieren. Gestern Abend sagte der Fahrer des Recyclemobils ab, weshalb es morgens wieder hieß, sich zum Büro zu begeben und dort zu beschäftigen. Nachmittags machte ich frei, da sowieso nichts zu tun war und ging nachhause, um beim Geburtstagsessen dabei zu sein. Ich hatte es mir etwas spektakulärer vorgestellt. Wir saßen lediglich gemütlich beisammen und aßen. Als Nachtisch gab es einen mit Feuerwerk dekorierten Kuchen aus Eis. Er musste dann Hausaufgaben machen und abends wurde zusammen ein Film geschaut. Wie gesagt relativ unspektakulär, wahrscheinlich setzt so langsam der Alltag ein.

donnerstag, 7. märz

Der Donnerstag begann vielversprechend. Im Busch vor unserem Haus sah ich einen blauen Kolibri schweben und war begeistert. Das erste exotische Tier, noch dazu auf dieser Höhe. Keine fünf Minuten später wusste ich, woher der unbekannte Gestank der heute morgen durchs Viertel waberte, herkam. Mit dem Minibus fuhr ich an einer Menschenmenge samt Polizei und Feuerwehr vorbei, die auf ein umgeworfenes Auto blickten das mitten in der Straße brannte. Der zweite ungewohnte Anblick. Warum dieses Auto vor sich hin loderte konnte jedoch keiner sagen. Voller Hoffnung auf mehr solcher fantastischen Erlebnisse ging es ins Büro, wo ich leider enttäuscht wurde. Die alte
Leier. 
Nachmittags gab es wenigstens was zu tun: beim Recycling einer Urbanisation behilflich sein. Im Recyclingmaterial zu wühlen macht richtig Spaß. Und hier wurde fast alles weggeworfen. Spielzeug, dessen Verpackung, Papier, diverse Plastikflaschen, Dosen aller Art. Man kann sagen, dass man über Müll die Leute kennen lernt, die ihn wegwerfen. Welche Produkte werden gekauft, teure, billige, unnötige, Sachen für Kinder, welche Zeitung, welches Essen, wie viele Spülmittelverpackungen und so weiter. Als ich eine Flasche Erdinger und eine Flasche Spatenoktoberfestbier fand, war die Freude natürlich fast grenzenlos. Bei der Arbeit wurde ich die ganze Zeit von diesen netten Herrschaften begleitet und dies waren noch die kleineren. Es war so idyllisch, dass ich nur noch einen orangefarbenen Overall vermisse, der mich bei meiner Arbeit unterstützt.
Als wir alles sortiert hatten, kamen die Käufer unseres Recyclinggutes.
Bei FUNDARE läuft das folgendermaßen ab. Nach dem erfolgreichen Versuch eine Partei vom Recycling überzeugt zu haben, organisieren wir Personen die mit dem Kauf von Recycling ihr Geld verdienen und vermitteln diese an die Sammler. Wenn genug zusammen gekommen ist, helfen wir beim Abwiegen und Aufladen der Materialen auf das Gefährt der Käufer. Der Käufer zahlt daraufhin den marktüblichen Preis an die Sammler, wir vermerken die genaue Menge, z.B. 23kg PET-Flaschen. Für diese Menge bekommen die Sammler eine Gutschrift bei FUNDARE, die in Prämien umgewandelt werden kann. Es wird versucht eine eigenen Recyclingweg mit Sammlern und Käufern einzurichten, der nach mehreren Zwischenhändlern in der Wiederverwertung der Materialen mündet. FUNARE arbeitet hierbei größtenteils als Vermittler und Organisator dieses Weges.
Die Käufer unserer wertvollen Güter wählten dann noch penibel aus, welche Art von Materialen sie kaufen wollten, so blieben wir auf fast allen Flaschen sitzen, da diese keine gerade Unterfläche besaßen. Was das mit Wiederverwertung zu tun hat, verstanden wir alle bis auf den Käufer nicht.
Mit diesem Prozess wird die Recyclingmenge ermittelt, und beide Parteien sind ganz erpicht darauf, ja für die richtige Menge zu bezahlen oder bezahlt zu werden. Fein säuberlich werden die Ergebnisse vermerkt und dann an FUNDARE weitergegeben. Für monatelanges Sammeln und stundenlanges Sortieren sprangen dann 80 Bolivianos, ca. 8 € heraus. „Nicht gerade üppig.“ Die Enttäuschung war der Beauftragten der Urbanisation anzumerken. Wie bei den letzten Malen muss man den Leuten dann verdeutlichen, dass es zwar nicht viel Geld ist, welches man direkt auf die Hand bekommt, dass der Sinn dieses Projektes allerdings auch noch ein anderer ist. Umweltschutz. Nachhaltigkeit. Zukünftige Lebensverbesserung, was weit mehr wert ist als ein paar schrumplige Geldscheine in der Hand. Letztendlich wird dies irgendwie akzeptiert und eingesehen. Dann war der einzige „Arbeitstag“ der Woche auch schon wieder rum.

freitag, 8. märz

Freitagvormittags war wieder gar nichts los, so ging es schon gegen 12 nachhause, weshalb es seit langem wieder zuhause zu Mittag gab. In der Fastenzeit wird freitags traditionell auf Fleisch verzichtet, weshalb das Mittagessen heute völlig ungewohnt fleischlos ausfiel. Meinen Glauben an vegetarisches Essen hatte ich eigentlich schon aufgegeben.
Nach dem Essen war es endlich Zeit, die unter der Woche aufgebaute und aufgestaute Energie beim Kicken abzubauen. Ich hatte den anderen Freiwilligen eingeladen mitzuspielen, damit er auch mal sehen konnte, wie der Freizeitkick der Arbeitskollegen meines Vaters, voller Späße so ablief. Wir spielten wieder auf dem Platz mit der tollen Aussicht, die ich diesmal sogar ab und an genießen konnte, da ich nicht mehr, wie bei den Malen davor, nur mit atmen beschäftigt war. 
Erschöpft und kraftlos ging es nach der Partie auf der Geländewagenladenfläche über die Hauptstraße nachhause. Während der Fahrt wurden von allen Seiten Blicke, auf die lachend auf der Wagen stehenden Gringos geworfen.
Abends ging es dann zu einer Freundin der Gastschwester des anderen Freiwilligen. Wir hatten Glück, überhaupt eine Transportmöglichkeit in die Stadt zu bekommen, da in meinem Viertel das gesamte Wochenende ein christliches Musikkonzert stattfand. Die einspurige Straße und ein paar Büschen konnten dem Besucheransturm letztendlich doch nicht her werden. Wir hatten es gerade noch geschafft uns in ein Transportmittel zu zwängen. Aufgrund der guten Organisation brauchten wir sogar nur eine halbe Stunde für das erste Teilstück, das man normalerweise in fünf Minuten abgefahren hat. Natürlich wurde uns erst einmal nicht gesagt, wo und wann man sich treffe und so wurde uns zunächst ein beliebter Treffpunkt genannt. Als wir fast dort waren wurden wir zu einem anderen Treffpunkt geordert, ein Ort an dem wir vor 10 min vorbei gefahren waren. So ist das in Bolivien, spontan muss man sein. Wir trafen uns in einer Hochhauswohnung, am Eingang der Hochhausfront, die das Stadtbild La Paz prägt. Durch die vollverglaste Außenwand hatte man einen atemberaubenden Blick über La Paz und konnte den gesamten nächtlichen Südteil sehen. Eine solche Wohnung wäre in Deutschland, an vergleichbarer Stelle, wahrscheinlich eher etwas für Leute mit Porsche in der Tiefgarage gewesen, hier wohnte eine Studentin. Vielleicht sollte ich mir doch noch einmal über meine Studienpläne Gedanken machen.
Bei den Plaudereien war ich überrascht, dass ich den Gesprächen der Anderen, sogar in etwas ausgelaugten Zustand einigermaßen folgen und ab und zu auch etwas beitragen konnte. Im Anschluss rundete das kleine Minikonzert, auf das wir zusammen gingen den ruhigen Abend ab. 

samstag, 9. märz

Morgens wurde ausgeschlafen und als ich in die Küche ging, saßen dort eine Cholita und ihre ca. 17-jährige Tochter, die mit meiner Mutter redeten. Erst dachte ich, es sei eine Freundin meiner Gastmutter. Bolivianisch begrüßte ich mit Backenküsschen, doch beide Gäste waren dermaßen schüchtern und wichen zurück, dass ich mich schämte sie überhaupt begrüßt zu haben. Keine Freundin, sondern die lang erwartete Haushaltshilfe, saß nun also an unserem Küchentisch. Hier ein kleiner Einschub. In Bolivien ist es vor allem in größeren, wohlhabenden Haushalten Usus Angestellte zu haben, die im Haushalt helfen oder ihn sogar ganz erledigen. Obwohl diese Arbeit gut bezahlt wird, wird es anscheinend immer schwieriger so genannte „Empleadas“ zu finden. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es immer mehr Haushalte, die sich eine Haushaltshilfe leisten können und wollen, aber zum anderen sind die jungen Mädchen auch immer besser ausgebildet und wollen und müssen auch nicht mehr in diesem Bereich arbeiten. Man wohnt nicht mehr zuhause, sondern in einem fremden Haus und ist die ganze Zeit mit Arbeit beschäftigt. Man besitzt wenig bis keine Zeit für Hobbies und ein selbstständiges Leben. Das schreckt mittlerweile immer mehr junge Frauen verständlicherweise ab. Nach einer gewissen Zeit gehören die Angestellten aber zur Familie und häufig bilden sich enge Freundschaften zwischen den Familienteilen und der Empleada. Viele Empleadas arbeiten deshalb einige Jahre oder Jahrzehnte bei einer Familie, sehen die Kinder größer werden und erleben auch sonst den ganzen Alltag mit. Dadurch sind die „Angestellten“, die gute Arbeit verrichten und einer Familie „treu“ bleiben, auch vom Markt. Ein weiterer Grund für den „Empleadamangel“.
Nachdem die Cholita gegangen war, wurde das neue Familienmitglied, ihre Tochter, sogleich in Putzarbeiten und Vorbereitungen, für die kleine Geburtstagsparty meines Gastbruders, mit eingespannt.
Einige seiner Klassenkameraden trudelten langsam ein, und meine Gastmutter war besorgt, dass nicht alles perfekt sein könnte, weshalb sie jeden Handgriff noch einmal überprüfte.
Als am Geburtstagstisch alle satt waren, durften wir [Gastmutter, -vater, -schwester, die italienische Freundin und der andere Freiwillige, der freundlicherweise eingeladen wurde], auch anfangen unseren Hunger zu stillen. In Bolivien wird meistens nicht gewartet bis alle am Tisch sind, sondern sobald der Teller gefüllt ist, angefangen. Auch aufzustehen, bevor alle fertig gegessen haben, gilt anscheinend nicht als unhöflich. Diese kleinen Alltagsdetails lassen einen manchmal stutzen und man wundert sich, wie stark man von ungeschriebenen Gesetzen beschränkt ist. Das freie Denken geht seinen Weg in vorbeschrittenen Pfaden.
Genug des Nachdenkens, zu einem Geburtstag gehören, natürlich auch Spiele und während sich die Geburtstagsgesellschaft mit Tischtennis, Fernschauen und iPhones beschäftigte, wurde oben bei den Volljährigen ein astreines Gesellschaftsspiel begonnen. Ich hatte ja an Monopoly oder eines der anderen weltbekannten Spiele gedacht, die bei uns im Schrank vergilben. Aber mein Gastvater hatte einen anderen Plan. Ein Würfel, ein Becher, eine Flasche Sprite und eine Flasche Singani – ein bolivianischer Weinbrand, der übrigens sehr lecker ist – reichten aus. Die Regeln sind schnell erklärt. Der Reihe nach wird gewürfelt. Bei einer 1 müssen alle trinken, bei einer 2 darf der Würfler auswählen, wer trinken muss, bei einer 3 muss der rechte Nachbar trinken, bei einer 4 der linke, bei einer fünf darf wieder ausgewählt werden, bei einer 6 muss man selber ran, und zwar „seco“, also „auf Ex“. Das ganze ist sehr interaktiv, wird mit der Zeit immer lustiger und eignet sich hervorragend um einen ganzen Nachmittag zu „füllen“. Die Spielzeit ist beliebig ausdehnbar. Natürlich blieb es nicht bei einer Flasche und nach 3 Stunden, Spiel, Spaß, Spannung war ich froh, dass mir entgegen der allgemeinen Erwartung der Alkohol in der Höhe nicht so sehr zusetzt. Anderen anscheinend schon, aber da will ich jetzt nicht näher darauf eingehen.
Ohne die Gasteltern gingen wir dann noch zum Feiern bei einer Freundin meiner Gastschwester. Natürlich kam man auch hier nicht um das Trinken herum, wie überall in Bolivien, wenn es ums Feiern geht. Da die Bolivianer keine Kinder von Traurigkeit sind, wird auf Bier und Wein gerne verzichtet und stattdessen mit 40%plus, auch gerne pur ein Stimmungsgefühl erworben. Im Gegensatz zu Grundlebensmitteln ist Alkohol mindestens so teuer wie in Deutschland, was aber nicht davon abhält „genügend“ zu kaufen.
Gegen ein Uhr nachts ging es dann noch kurz entschlossen zum Tanzen, und dementsprechend spät nach Hause.

sonntag, 10. märz

Heute sollte das große Schweinsbraten-mit-Knödel-kochen für unsere Gastfamilien stattfinden. Zutaten kaufen war von der Familie erfolgreich um eine halbe Woche verschoben worden, weshalb es heute morgens um Punkt sieben losgehen sollte, damit samt Vorbereitungsgarzeit, das Essen um ein Uhr, wenn die Gäste kommen sollten, fertig war. Ich war von vorneherein nicht mit diesem optimistischen Zeitplan einverstanden gewesen, „aber das würde schon klappen“. Nach 2 Stunden Schlaf, ich hatte um sechs noch mit meiner Familie telefoniert ging es dann um „acht“ zum Einkaufen. Heute war allerdings auch Marathon in La Paz und so ging es noch an die Strecke, um die ersten Läufer bei ihrem letzten Kilometer zu unterstützen oder vielmehr zu betrachten. Da man in La Paz sehr zurückhaltend ist, kam ich mir etwas blöd vor, als ich, als nahezu einziger der vielen Schaulustigen, die Läufer mit Rufen anfeuerte. Ich finde die Leistung mehr als beeindruckend, einen 42km-Kurs hoch und runter durch La Paz, auf einer Höhe zwischen 3200-4000m zu bestehen, weshalb für mich alle Teilnehmer Gewinner waren. Trotz aller Begeisterung, waren wir zum Einkaufen so früh losgefahren und nach 2h an der Strecke war es dann auch so weit. Um 10.30 kamen wir am Markt an, um 13.00 sollten die Gäste kommen, da der Schweinebraten 3h im Ofen braucht, sobald alles vorbereitet ist, würde das mit der Zeit „auf jeden Fall“ hinhauen.
Irgendein ekelhafter Geruch war plötzlich in meine Nase gedrungen und mir wurde so schlecht, dass ich mich zum zweiten Mal in Bolivien von meinem Mageninhalt verabschiedete, das hatte ich vorher auch noch nie erlebt. Völlige ohne Vorwarnung. Auch danach spürte ich keine Art von Unwohlsein. Aber genug, eigentlich wollte ich vom Essen erzählen. Das Einkaufen dauerte noch eine Stunde, immerhin gab es alle Zutaten. Den Zeitplan hatte ich mittlerweile lieber verdrängt. Auch das Vorbereiten dauerte etwas länger als geplant, da 6kg Schweinebraten zuerst einmal gespickt werden mussten. Um halb eins standen wir vor dem nächsten Problem. Der große Ofen war anscheinend kaputt und nur ein mikrowellengroßer Zweitofen stand zum Braten bereit. Dumm nur, dass vielleicht gerade einmal ein Drittel der Fleischmenge dort drin Platz finden konnte. Man muss eben spontan sein. Ich musste an Mr.Bean denken, wie er im Zeitstress und ohne Ofen, einen ganzen Truthahn in die Mikrowelle stopft, wollte es aber nicht selber ausprobieren. http://www.youtube.com/watch?v=E_Rabq4muu0. Nach kleiner Reparatur funktionierte der große Ofen letztlich doch, und der Schweinebraten kam pünktlich um kurz vor vier samt Knödeln auf den Tisch.
Die völlig unterschiedlichen bolivianischen Familien lernten sich bei deutschem Kulturgut kennen und so wurde der Sonntag doch noch ein gelungener Tag der Völkerverständigung.

montag, 11. märz

Morgens ging es direkt zur Urbansation. Heute sollte die Umstellung des Einsammelmodus vorgestellt werden. Wurde sonst mehrmals die Woche von Haus zu Haus gegangen und nach wieder verwertbarem Material gefragt, soll dies in Zukunft wegen Zeitmangel nur noch montags geschehen. Das Abklappern jedes Hauses wird ebenfalls gestrichen, die Bewohner, oder vielmehr ihre Angestellten, sollen samt Recyclebaren zu bestimmten Zeiten an die jeweilige Straßenkreuzung kommen und uns dies dort übergeben. Mit kleinen Informationsblättern ausgestattet gingen wir also von Tür zu Tür und wo geöffnet wurde erklärten wir die neue Sachlage. Typischerweise konnte natürlich nicht alles glatt laufen und wir wunderten uns schon warum niemand öffnete. Schließlich wurde uns mitgeteilt, dass soeben Stromausfall sei, weshalb auch die Klingeln nicht funktionierten. Da jedes Haus von einer meterhohen Mauer umgeben ist, half auch alles Rufen nichts. Das Informationsblatt wurde dann in der Hoffnung, dass es gefunden wird irgendwo hingeklemmt, da es keine Briefkästen gibt. Vom Glück gesegnet fing es dann auch noch zu regnen an, was viele ungeschützte Infoblätter aufweichen lies. Über den Erfolg der Aktion werden wir nächste Woche mehr herausfinden, wenn wir ohne „Kunden“ an den Ecken warten. Etwas mehr Optimismus sollte ich schon besitzen. Meine Kollegin hatte auf einmal Zeitangst. Wir würden nicht rechtzeitig zu Mittagspausenbeginn im Büro sein, welches dann für zweieinhalb Stunden verschlossen sein würde. Auf einmal war Zeit also doch wichtig. Irgendwie seltsam, wir konnten doch froh sein, überhaupt etwas Sinnvolles zu tun haben. Und selbst wenn, im Zentrum kann man sich doch wunderbar beschäftigen, es gibt sogar Länden und Stände an denen man etwas zu Essen kaufen kann. Wir waren mit unseren Rundgang noch lange nicht fertig, und dieses „Rumgezicke“ war mir fast schon etwas peinlich. Was sollte die Verantwortliche des Viertels, die voller Eifer mit uns unterwegs war von uns denken? Zu zweit schafften wir es sie zu überzeugen, die Arbeit fertig zu machen und jemanden im Büro anzurufen, dass er die Tür geöffnet lassen solle.
Auf dem Weg in die Stadt, war ewiger Stau, den ich aber kaum mitbekam, da mich die Hitze und das sanfte Schaukeln des Minibuses in den Schlaf gewiegt hatten. Die Ursache für den Stau war eine Demo, die die ganze Hauptstraße verriegelte. Es knallte und wurde geschrieen und eine Sms meiner Gastschwester teilte mir mit ich solle ja im Büro bleiben und keine Fotos machen. Nach einer halben Ewigkeit – ich war mittlerweile wieder wach -  hatte der Bus das Ziel erreicht und wir das Büro, in dem bis auf die draußen vorbeilaufende Demo nichts mehr los war.

dienstag, 12. märz

Ab 0900 bis 1230 hieß es wieder Däumchen drehen und einer neuen Demo, die draußen vorbei zog zu lauschen. Mittags spielte Barca gegen Milan, was ich nicht verpassen wollte und da sowieso nichts los war, ging ich mittags zum Haus des anderen Freiwilligen. Mit offenen Armen wurde ich von seiner Familie empfangen und ich fühlte mich sofort wieder zuhause, obwohl es erst das zweite oder dritte Mal in diesem Haus war. Nach leckeren Mittagessen und etwas Basketball im Hinterhof wollten wir unser Projekt beginnen. Die Dachterrasse mit Blick über La Paz zu säubern und schön herzurichten. Die letzten Jahre hatte dieses Schmuckstück anscheinend als Müllabladefläche gedient. Ohne Nachzudenken goss ich beim Ausmisten abgestandene Ekelbrühe vom Dach, die unten leider nicht den Boden erreichte, sondern den anderen Freiwilligen und seinen Gastvater die Klamotten benetzte. Auch eine Taube hatte es sich in all dem Gerümpel bequem gemacht, leider zu bequem, denn wegfliegen konnte sie schon lange nicht mehr. Kommen tote Tauben auch in den Himmel, und wie? Blöde Frage. Auch ihre Nachkommen hatten es nicht mehr von der Terrasse geschafft, was daran lag, dass sie noch nicht ausgebrütet waren. Zur Aufheiterung versuchten wir uns im Taubeneierweitwurf und träumten von einer sauberen Terrasse mit Sitzsäcken, in denen wir uns im Schatten schöner Pflanzen sonnten und den Blick auf den schneebedeckten Gipfel des Illimani – den geheimen Wahrzeichen La Paz – genossen. Dieser Traum soll irgendwann die nächsten Wochen in Erfüllung gehen. Dann war auch schon Zeit Fußball zu schauen, schönen, schnellen, den ich beim Anblick vom hiesigen Rumpelfußball schon vermisst hatte. Sein Gastvater, der Karate und Tai-Chi-Lehrer war und diese Sportarten schon seit mehr als 30 betreibt, gab uns danach eine Privatstunde im Hinterhof, der diesen. Es machte einen solchen Spaß, dass ich beschloss mich die nächsten Wochen für einen Kurs irgendwo in La Paz anzumelden. Die Offenheit und Freundlichkeit dieser Familie hat mich nun endgültig überwältigt. Dieser Nachmittag ließ meine Laune, die unter der wenigen Arbeit der letzten Woche gelitten hatte, höher als die Dachterrasse steigen und schuf neue Motivation, die ich für die kommende Woche mitnehmen möchte.

1 Kommentar:

  1. Der Fremdsprachenkorrespondent18. März 2013 um 16:01

    schreibst du bald mal noch was übers essen? gibt sicher lecker sachen, wenn auch keine rauchpeitsch ;)

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