Liebe Lesende,
mittwoch, 6. märz
mittlerweile sind sechs Wochen
vergangen, seitdem ich in den Bergen gelandet bin. Noch habe ich es nicht
bereut. An viele Sachen habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Alles läuft mehr
oder weniger seinen Gang, wenn auch einen anderen als zuhause. Nichts ist
langweilig und man kann nie wissen, was als nächstes passieren wird. Leider ist
es auch unmöglich etwas zu planen. Sobald man sich etwas vorgenommen hat,
dauern andere Sachen, die vorher stattfanden ewig, oder es schieben sich neue
Aktivitäten ein, weshalb es noch immer nicht geklappt hat, mich mit einem Hobby
zu beschäftigen. Ich hoffe auf das nächste Wochenende, an dem noch nichts
ansteht. Vielleicht wird es allerdings doch nichts, wenn ich mit meiner Familie
zu einem Fest für handstandmachende Regenwürmer gehen sollte, man kann nie
wissen. Diese Ungewissheit kann nervenaufreibend sein, von nervig ist sie
jedoch noch weit entfernt. Das einzig nervige ist zurzeit die Arbeit, oder
vielmehr dass jene keine ist. Mir wurde versprochen, dass das bald besser wird
und die Hoffnung sollte man nicht aufgeben, allerdings ist es schon etwas
frustrierend, die meiste Zeit im Büro ohne Aufgabe zu verbringen. Ansonsten
fühle ich mittlerweile sehr wohl, mit der Familie verstehe ich mich sehr gut,
die Wochenenden sind witzig und auch mit Spanisch läuft es immer besser.
Ich hoffe es geht euch allen gut
und dass ihr die Sonnenstrahlen genießen konntet, bevor der Winter jetzt wieder
zurück schlägt. Hier lassen die Gewitter übrigens gerade nach.
Liebe Grüße
Niklas
mittwoch, 6. märz
Heute hatte mein Gastbruder
Geburtstag und nicht mal an seinem Ehrentag wurde er für seine Liebe zum
Ausschlafen gelobt. Heute war es besonders eng, um noch rechtzeitig in die
Schule zu kommen, weshalb ich nicht einmal Zeit hatte zu gratulieren. Gestern
Abend sagte der Fahrer des Recyclemobils ab, weshalb es morgens wieder hieß,
sich zum Büro zu begeben und dort zu beschäftigen. Nachmittags machte ich frei,
da sowieso nichts zu tun war und ging nachhause, um beim Geburtstagsessen dabei
zu sein. Ich hatte es mir etwas spektakulärer vorgestellt. Wir saßen lediglich
gemütlich beisammen und aßen. Als Nachtisch gab es einen mit Feuerwerk
dekorierten Kuchen aus Eis. Er musste dann Hausaufgaben machen und abends wurde
zusammen ein Film geschaut. Wie gesagt
relativ unspektakulär, wahrscheinlich setzt so langsam der Alltag ein.
donnerstag, 7. märz
Der Donnerstag begann vielversprechend. Im Busch vor unserem
Haus sah ich einen blauen Kolibri schweben und war begeistert. Das erste exotische
Tier, noch dazu auf dieser Höhe. Keine fünf Minuten später wusste ich, woher
der unbekannte Gestank der heute morgen durchs Viertel waberte, herkam. Mit dem
Minibus fuhr ich an einer Menschenmenge samt Polizei und Feuerwehr vorbei, die
auf ein umgeworfenes Auto blickten das mitten in der Straße brannte. Der zweite
ungewohnte Anblick. Warum dieses Auto vor sich hin loderte konnte jedoch keiner
sagen. Voller Hoffnung auf mehr solcher fantastischen Erlebnisse ging es ins
Büro, wo ich leider enttäuscht wurde. Die alte
Leier.
Nachmittags gab es wenigstens was zu tun: beim Recycling einer Urbanisation behilflich sein. Im Recyclingmaterial zu wühlen macht richtig Spaß. Und hier wurde fast alles weggeworfen. Spielzeug, dessen Verpackung, Papier, diverse Plastikflaschen, Dosen aller Art. Man kann sagen, dass man über Müll die Leute kennen lernt, die ihn wegwerfen. Welche Produkte werden gekauft, teure, billige, unnötige, Sachen für Kinder, welche Zeitung, welches Essen, wie viele Spülmittelverpackungen und so weiter. Als ich eine Flasche Erdinger und eine Flasche Spatenoktoberfestbier fand, war die Freude natürlich fast grenzenlos. Bei der Arbeit wurde ich die ganze Zeit von diesen netten Herrschaften begleitet und dies waren noch die kleineren. Es war so idyllisch, dass ich nur noch einen orangefarbenen Overall vermisse, der mich bei meiner Arbeit unterstützt.
Leier.
Nachmittags gab es wenigstens was zu tun: beim Recycling einer Urbanisation behilflich sein. Im Recyclingmaterial zu wühlen macht richtig Spaß. Und hier wurde fast alles weggeworfen. Spielzeug, dessen Verpackung, Papier, diverse Plastikflaschen, Dosen aller Art. Man kann sagen, dass man über Müll die Leute kennen lernt, die ihn wegwerfen. Welche Produkte werden gekauft, teure, billige, unnötige, Sachen für Kinder, welche Zeitung, welches Essen, wie viele Spülmittelverpackungen und so weiter. Als ich eine Flasche Erdinger und eine Flasche Spatenoktoberfestbier fand, war die Freude natürlich fast grenzenlos. Bei der Arbeit wurde ich die ganze Zeit von diesen netten Herrschaften begleitet und dies waren noch die kleineren. Es war so idyllisch, dass ich nur noch einen orangefarbenen Overall vermisse, der mich bei meiner Arbeit unterstützt.
Als wir alles sortiert
hatten, kamen die Käufer unseres Recyclinggutes.
Bei FUNDARE läuft das
folgendermaßen ab. Nach dem erfolgreichen Versuch eine Partei vom Recycling
überzeugt zu haben, organisieren wir Personen die mit dem Kauf von Recycling
ihr Geld verdienen und vermitteln diese an die Sammler. Wenn genug zusammen
gekommen ist, helfen wir beim Abwiegen und Aufladen der Materialen auf das
Gefährt der Käufer. Der Käufer zahlt daraufhin den marktüblichen Preis an die
Sammler, wir vermerken die genaue Menge, z.B. 23kg PET-Flaschen. Für diese
Menge bekommen die Sammler eine Gutschrift bei FUNDARE, die in Prämien
umgewandelt werden kann. Es wird versucht eine eigenen Recyclingweg mit
Sammlern und Käufern einzurichten, der nach mehreren Zwischenhändlern in der
Wiederverwertung der Materialen mündet. FUNARE arbeitet hierbei größtenteils
als Vermittler und Organisator dieses Weges.
Die Käufer unserer wertvollen
Güter wählten dann noch penibel aus, welche Art von Materialen sie kaufen
wollten, so blieben wir auf fast allen Flaschen sitzen, da diese keine gerade
Unterfläche besaßen. Was das mit Wiederverwertung zu tun hat, verstanden wir
alle bis auf den Käufer nicht.
Mit diesem Prozess wird
die Recyclingmenge ermittelt, und beide Parteien sind ganz erpicht darauf, ja
für die richtige Menge zu bezahlen oder bezahlt zu werden. Fein säuberlich
werden die Ergebnisse vermerkt und dann an FUNDARE weitergegeben. Für
monatelanges Sammeln und stundenlanges Sortieren sprangen dann 80 Bolivianos,
ca. 8 € heraus. „Nicht gerade üppig.“ Die Enttäuschung war der Beauftragten der
Urbanisation anzumerken. Wie bei den letzten Malen muss man den Leuten dann
verdeutlichen, dass es zwar nicht viel Geld ist, welches man direkt auf die
Hand bekommt, dass der Sinn dieses Projektes allerdings auch noch ein anderer
ist. Umweltschutz. Nachhaltigkeit. Zukünftige Lebensverbesserung, was weit mehr
wert ist als ein paar schrumplige Geldscheine in der Hand. Letztendlich wird
dies irgendwie akzeptiert und eingesehen. Dann war der einzige „Arbeitstag“ der
Woche auch schon wieder rum.
freitag, 8. märz
Freitagvormittags war wieder gar nichts
los, so ging es schon gegen 12 nachhause, weshalb es seit langem wieder zuhause
zu Mittag gab. In der Fastenzeit wird freitags traditionell auf Fleisch
verzichtet, weshalb das Mittagessen heute völlig ungewohnt fleischlos ausfiel.
Meinen Glauben an vegetarisches Essen hatte ich eigentlich schon aufgegeben.
Nach dem Essen war es endlich Zeit,
die unter der Woche aufgebaute und aufgestaute Energie beim Kicken abzubauen.
Ich hatte den anderen Freiwilligen eingeladen mitzuspielen, damit er auch mal
sehen konnte, wie der Freizeitkick der Arbeitskollegen meines Vaters, voller
Späße so ablief. Wir spielten wieder auf dem Platz mit der tollen Aussicht, die
ich diesmal sogar ab und an genießen konnte, da ich nicht mehr, wie bei den
Malen davor, nur mit atmen beschäftigt war.
Erschöpft und kraftlos ging es nach der Partie auf der Geländewagenladenfläche über die Hauptstraße nachhause. Während der Fahrt wurden von allen Seiten Blicke, auf die lachend auf der Wagen stehenden Gringos geworfen.
Erschöpft und kraftlos ging es nach der Partie auf der Geländewagenladenfläche über die Hauptstraße nachhause. Während der Fahrt wurden von allen Seiten Blicke, auf die lachend auf der Wagen stehenden Gringos geworfen.
Abends ging es dann zu einer
Freundin der Gastschwester des anderen Freiwilligen. Wir hatten Glück,
überhaupt eine Transportmöglichkeit in die Stadt zu bekommen, da in meinem
Viertel das gesamte Wochenende ein christliches Musikkonzert stattfand. Die
einspurige Straße und ein paar Büschen konnten dem Besucheransturm letztendlich
doch nicht her werden. Wir hatten es gerade noch geschafft uns in ein
Transportmittel zu zwängen. Aufgrund der guten Organisation brauchten wir sogar
nur eine halbe Stunde für das erste Teilstück, das man normalerweise in fünf
Minuten abgefahren hat. Natürlich wurde uns erst einmal nicht gesagt, wo und
wann man sich treffe und so wurde uns zunächst ein beliebter Treffpunkt
genannt. Als wir fast dort waren wurden wir zu einem anderen Treffpunkt
geordert, ein Ort an dem wir vor 10 min vorbei gefahren waren. So ist das in
Bolivien, spontan muss man sein. Wir trafen uns in einer Hochhauswohnung, am
Eingang der Hochhausfront, die das Stadtbild La Paz prägt. Durch die
vollverglaste Außenwand hatte man einen atemberaubenden Blick über La Paz und
konnte den gesamten nächtlichen Südteil sehen. Eine solche Wohnung wäre in
Deutschland, an vergleichbarer Stelle, wahrscheinlich eher etwas für Leute mit
Porsche in der Tiefgarage gewesen, hier wohnte eine Studentin. Vielleicht
sollte ich mir doch noch einmal über meine Studienpläne Gedanken machen.
Bei den Plaudereien war ich
überrascht, dass ich den Gesprächen der Anderen, sogar in etwas ausgelaugten
Zustand einigermaßen folgen und ab und zu auch etwas beitragen konnte. Im
Anschluss rundete das kleine Minikonzert, auf das wir zusammen gingen den
ruhigen Abend ab.
samstag, 9. märz
Morgens wurde ausgeschlafen und als ich in die Küche ging,
saßen dort eine Cholita und ihre ca. 17-jährige Tochter, die mit meiner Mutter
redeten. Erst dachte ich, es sei eine Freundin meiner Gastmutter. Bolivianisch
begrüßte ich mit Backenküsschen, doch beide Gäste waren dermaßen schüchtern und
wichen zurück, dass ich mich schämte sie überhaupt begrüßt zu haben. Keine
Freundin, sondern die lang erwartete Haushaltshilfe, saß nun also an unserem Küchentisch.
Hier ein kleiner Einschub. In Bolivien ist es vor allem in größeren, wohlhabenden
Haushalten Usus Angestellte zu haben, die im Haushalt helfen oder ihn sogar
ganz erledigen. Obwohl diese Arbeit gut bezahlt wird, wird es anscheinend immer
schwieriger so genannte „Empleadas“ zu finden. Dies hat mehrere Gründe. Zum
einen gibt es immer mehr Haushalte, die sich eine Haushaltshilfe leisten können
und wollen, aber zum anderen sind die jungen Mädchen auch immer besser
ausgebildet und wollen und müssen auch nicht mehr in diesem Bereich arbeiten.
Man wohnt nicht mehr zuhause, sondern in einem fremden Haus und ist die ganze
Zeit mit Arbeit beschäftigt. Man besitzt wenig bis keine Zeit für Hobbies und
ein selbstständiges Leben. Das schreckt mittlerweile immer mehr junge Frauen verständlicherweise
ab. Nach einer gewissen Zeit gehören die Angestellten aber zur Familie und
häufig bilden sich enge Freundschaften zwischen den Familienteilen und der
Empleada. Viele Empleadas arbeiten deshalb einige Jahre oder Jahrzehnte bei
einer Familie, sehen die Kinder größer werden und erleben auch sonst den ganzen
Alltag mit. Dadurch sind die „Angestellten“, die gute Arbeit verrichten und einer
Familie „treu“ bleiben, auch vom Markt. Ein weiterer Grund für den
„Empleadamangel“.
Nachdem die Cholita gegangen war, wurde das neue
Familienmitglied, ihre Tochter, sogleich in Putzarbeiten und Vorbereitungen,
für die kleine Geburtstagsparty meines Gastbruders, mit eingespannt.
Einige seiner Klassenkameraden trudelten langsam ein, und
meine Gastmutter war besorgt, dass nicht alles perfekt sein könnte, weshalb sie
jeden Handgriff noch einmal überprüfte.
Als am Geburtstagstisch alle satt waren, durften wir
[Gastmutter, -vater, -schwester, die italienische Freundin und der andere
Freiwillige, der freundlicherweise eingeladen wurde], auch anfangen unseren
Hunger zu stillen. In Bolivien wird meistens nicht gewartet bis alle am Tisch
sind, sondern sobald der Teller gefüllt ist, angefangen. Auch aufzustehen,
bevor alle fertig gegessen haben, gilt anscheinend nicht als unhöflich. Diese
kleinen Alltagsdetails lassen einen manchmal stutzen und man wundert sich, wie
stark man von ungeschriebenen Gesetzen beschränkt ist. Das freie Denken geht
seinen Weg in vorbeschrittenen Pfaden.
Genug des Nachdenkens, zu einem Geburtstag gehören,
natürlich auch Spiele und während sich die Geburtstagsgesellschaft mit
Tischtennis, Fernschauen und iPhones beschäftigte, wurde oben bei den
Volljährigen ein astreines Gesellschaftsspiel begonnen. Ich hatte ja an
Monopoly oder eines der anderen weltbekannten Spiele gedacht, die bei uns im
Schrank vergilben. Aber mein Gastvater hatte einen anderen Plan. Ein Würfel,
ein Becher, eine Flasche Sprite und eine Flasche Singani – ein bolivianischer
Weinbrand, der übrigens sehr lecker ist – reichten aus. Die Regeln sind schnell
erklärt. Der Reihe nach wird gewürfelt. Bei einer 1 müssen alle trinken, bei
einer 2 darf der Würfler auswählen, wer trinken muss, bei einer 3 muss der
rechte Nachbar trinken, bei einer 4 der linke, bei einer fünf darf wieder
ausgewählt werden, bei einer 6 muss man selber ran, und zwar „seco“, also „auf
Ex“. Das ganze ist sehr interaktiv, wird mit der Zeit immer lustiger und eignet
sich hervorragend um einen ganzen Nachmittag zu „füllen“. Die Spielzeit ist
beliebig ausdehnbar. Natürlich blieb es nicht bei einer Flasche und nach 3
Stunden, Spiel, Spaß, Spannung war ich froh, dass mir entgegen der allgemeinen
Erwartung der Alkohol in der Höhe nicht so sehr zusetzt. Anderen anscheinend
schon, aber da will ich jetzt nicht näher darauf eingehen.
Ohne die Gasteltern gingen wir dann noch zum Feiern bei einer
Freundin meiner Gastschwester. Natürlich kam man auch hier nicht um das Trinken
herum, wie überall in Bolivien, wenn es ums Feiern geht. Da die Bolivianer
keine Kinder von Traurigkeit sind, wird auf Bier und Wein gerne verzichtet und
stattdessen mit 40%plus, auch gerne pur ein Stimmungsgefühl erworben. Im
Gegensatz zu Grundlebensmitteln ist Alkohol mindestens so teuer wie in
Deutschland, was aber nicht davon abhält „genügend“ zu kaufen.
Gegen ein Uhr nachts ging es dann noch kurz entschlossen zum
Tanzen, und dementsprechend spät nach Hause.
sonntag, 10. märz
Heute sollte das große Schweinsbraten-mit-Knödel-kochen für
unsere Gastfamilien stattfinden. Zutaten kaufen war von der Familie erfolgreich
um eine halbe Woche verschoben worden, weshalb es heute morgens um Punkt sieben
losgehen sollte, damit samt Vorbereitungsgarzeit, das Essen um ein Uhr, wenn
die Gäste kommen sollten, fertig war. Ich war von vorneherein nicht mit diesem
optimistischen Zeitplan einverstanden gewesen, „aber das würde schon klappen“.
Nach 2 Stunden Schlaf, ich hatte um sechs noch mit meiner Familie telefoniert
ging es dann um „acht“ zum Einkaufen. Heute war allerdings auch Marathon in La
Paz und so ging es noch an die Strecke, um die ersten Läufer bei ihrem letzten
Kilometer zu unterstützen oder vielmehr zu betrachten. Da man in La Paz sehr
zurückhaltend ist, kam ich mir etwas blöd vor, als ich, als nahezu einziger der
vielen Schaulustigen, die Läufer mit Rufen anfeuerte. Ich finde die Leistung
mehr als beeindruckend, einen 42km-Kurs hoch und runter durch La Paz, auf einer
Höhe zwischen 3200-4000m zu bestehen, weshalb für mich alle Teilnehmer Gewinner
waren. Trotz aller Begeisterung, waren wir zum Einkaufen so früh losgefahren
und nach 2h an der Strecke war es dann auch so weit. Um 10.30 kamen wir am
Markt an, um 13.00 sollten die Gäste kommen, da der Schweinebraten 3h im Ofen
braucht, sobald alles vorbereitet ist, würde das mit der Zeit „auf jeden Fall“
hinhauen.
Irgendein ekelhafter Geruch war plötzlich in meine Nase
gedrungen und mir wurde so schlecht, dass ich mich zum zweiten Mal in Bolivien
von meinem Mageninhalt verabschiedete, das hatte ich vorher auch noch nie
erlebt. Völlige ohne Vorwarnung. Auch danach spürte ich keine Art von
Unwohlsein. Aber genug, eigentlich wollte ich vom Essen erzählen. Das Einkaufen
dauerte noch eine Stunde, immerhin gab es alle Zutaten. Den Zeitplan hatte ich
mittlerweile lieber verdrängt. Auch das Vorbereiten dauerte etwas länger als
geplant, da 6kg Schweinebraten zuerst einmal gespickt werden mussten. Um halb
eins standen wir vor dem nächsten Problem. Der große Ofen war anscheinend
kaputt und nur ein mikrowellengroßer Zweitofen stand zum Braten bereit. Dumm
nur, dass vielleicht gerade einmal ein Drittel der Fleischmenge dort drin Platz
finden konnte. Man muss eben spontan sein. Ich musste an Mr.Bean denken, wie er
im Zeitstress und ohne Ofen, einen ganzen Truthahn in die Mikrowelle stopft,
wollte es aber nicht selber ausprobieren. http://www.youtube.com/watch?v=E_Rabq4muu0.
Nach kleiner Reparatur funktionierte der große Ofen letztlich doch, und der
Schweinebraten kam pünktlich um kurz vor vier samt Knödeln auf den Tisch.
Die völlig unterschiedlichen bolivianischen Familien lernten
sich bei deutschem Kulturgut kennen und so wurde der Sonntag doch noch ein
gelungener Tag der Völkerverständigung.
montag, 11. märz
Morgens ging es direkt zur Urbansation. Heute sollte die
Umstellung des Einsammelmodus vorgestellt werden. Wurde sonst mehrmals die Woche
von Haus zu Haus gegangen und nach wieder verwertbarem Material gefragt, soll
dies in Zukunft wegen Zeitmangel nur noch montags geschehen. Das Abklappern
jedes Hauses wird ebenfalls gestrichen, die Bewohner, oder vielmehr ihre
Angestellten, sollen samt Recyclebaren zu bestimmten Zeiten an die jeweilige Straßenkreuzung
kommen und uns dies dort übergeben. Mit kleinen Informationsblättern
ausgestattet gingen wir also von Tür zu Tür und wo geöffnet wurde erklärten wir
die neue Sachlage. Typischerweise konnte natürlich nicht alles glatt laufen und
wir wunderten uns schon warum niemand öffnete. Schließlich wurde uns
mitgeteilt, dass soeben Stromausfall sei, weshalb auch die Klingeln nicht
funktionierten. Da jedes Haus von einer meterhohen Mauer umgeben ist, half auch
alles Rufen nichts. Das Informationsblatt wurde dann in der Hoffnung, dass es
gefunden wird irgendwo hingeklemmt, da es keine Briefkästen gibt. Vom Glück
gesegnet fing es dann auch noch zu regnen an, was viele ungeschützte
Infoblätter aufweichen lies. Über den Erfolg der Aktion werden wir nächste
Woche mehr herausfinden, wenn wir ohne „Kunden“ an den Ecken warten. Etwas mehr
Optimismus sollte ich schon besitzen. Meine Kollegin hatte auf einmal
Zeitangst. Wir würden nicht rechtzeitig zu Mittagspausenbeginn im Büro sein,
welches dann für zweieinhalb Stunden verschlossen sein würde. Auf einmal war
Zeit also doch wichtig. Irgendwie seltsam, wir konnten doch froh sein,
überhaupt etwas Sinnvolles zu tun haben. Und selbst wenn, im Zentrum kann man
sich doch wunderbar beschäftigen, es gibt sogar Länden und Stände an denen man
etwas zu Essen kaufen kann. Wir waren mit unseren Rundgang noch lange nicht
fertig, und dieses „Rumgezicke“ war mir fast schon etwas peinlich. Was sollte die
Verantwortliche des Viertels, die voller Eifer mit uns unterwegs war von uns
denken? Zu zweit schafften wir es sie zu überzeugen, die Arbeit fertig zu
machen und jemanden im Büro anzurufen, dass er die Tür geöffnet lassen solle.
Auf dem Weg in die Stadt, war ewiger Stau, den ich aber kaum
mitbekam, da mich die Hitze und das sanfte Schaukeln des Minibuses in den
Schlaf gewiegt hatten. Die Ursache für den Stau war eine Demo, die die ganze
Hauptstraße verriegelte. Es knallte und wurde geschrieen und eine Sms meiner
Gastschwester teilte mir mit ich solle ja im Büro bleiben und keine Fotos
machen. Nach einer halben Ewigkeit – ich war mittlerweile wieder wach - hatte der Bus das Ziel erreicht und wir das
Büro, in dem bis auf die draußen vorbeilaufende Demo nichts mehr los war.
dienstag, 12. märz
Ab 0900 bis 1230 hieß es wieder Däumchen drehen und einer
neuen Demo, die draußen vorbei zog zu lauschen. Mittags spielte Barca gegen
Milan, was ich nicht verpassen wollte und da sowieso nichts los war, ging ich
mittags zum Haus des anderen Freiwilligen. Mit offenen Armen wurde ich von
seiner Familie empfangen und ich fühlte mich sofort wieder zuhause, obwohl es
erst das zweite oder dritte Mal in diesem Haus war. Nach leckeren Mittagessen
und etwas Basketball im Hinterhof wollten wir unser Projekt beginnen. Die
Dachterrasse mit Blick über La Paz zu säubern und schön herzurichten. Die
letzten Jahre hatte dieses Schmuckstück anscheinend als Müllabladefläche
gedient. Ohne Nachzudenken goss ich beim Ausmisten abgestandene Ekelbrühe vom
Dach, die unten leider nicht den Boden erreichte, sondern den anderen
Freiwilligen und seinen Gastvater die Klamotten benetzte. Auch eine Taube hatte
es sich in all dem Gerümpel bequem gemacht, leider zu bequem, denn wegfliegen
konnte sie schon lange nicht mehr. Kommen tote Tauben auch in den Himmel, und
wie? Blöde Frage. Auch ihre Nachkommen hatten es nicht mehr von der Terrasse
geschafft, was daran lag, dass sie noch nicht ausgebrütet waren. Zur
Aufheiterung versuchten wir uns im Taubeneierweitwurf und träumten von einer sauberen
Terrasse mit Sitzsäcken, in denen wir uns im Schatten schöner Pflanzen sonnten
und den Blick auf den schneebedeckten Gipfel des Illimani – den geheimen
Wahrzeichen La Paz – genossen. Dieser Traum soll irgendwann die nächsten Wochen
in Erfüllung gehen. Dann war auch schon Zeit Fußball zu schauen, schönen,
schnellen, den ich beim Anblick vom hiesigen Rumpelfußball schon vermisst hatte.
Sein Gastvater, der Karate und Tai-Chi-Lehrer war und diese Sportarten schon
seit mehr als 30 betreibt, gab uns danach eine Privatstunde im Hinterhof, der
diesen. Es machte einen solchen Spaß, dass ich beschloss mich die nächsten
Wochen für einen Kurs irgendwo in La Paz anzumelden. Die Offenheit und
Freundlichkeit dieser Familie hat mich nun endgültig überwältigt. Dieser
Nachmittag ließ meine Laune, die unter der wenigen Arbeit der letzten Woche
gelitten hatte, höher als die Dachterrasse steigen und schuf neue Motivation,
die ich für die kommende Woche mitnehmen möchte.
schreibst du bald mal noch was übers essen? gibt sicher lecker sachen, wenn auch keine rauchpeitsch ;)
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