mittwoch, 29.mai
Ich kann mich ans richtig faul sein gewöhnen.
donnerstag, 30. mai
Der Feiertag Corpus Christi bescherte mir keinen zusätzlichen
freien Tag, da ich sowieso frei hatte. Mein Gastvater deutete mein zuhause
bleiben der letzten Tage als Krankheit und warf mir vor, von jeder Reise
infiziert zurück zu kommen. Ich solle vor der nächsten Reise einen Arzt
aufsuchen, der mich durchchecken soll und nur mit dessen Einverständniserklärung
dürfte ich reisen. Ich erklärte, dass ich bereits morgen wieder aufbrechen
wolle, am Feiertag kein Arzt geöffnet hat, ich mich fit fühle, diese Woche
nicht arbeiten müsse. Ob das in Ordnung sei fragte ich, sobald ich am Montag
wieder in La Paz sein würde, würde ich mich durchchecken lassen. Kein Problem
meinte er.
Anschließend begannen wir den Garten und die Küche auf ein
Grillfest vorzubereiten.
Gegen 4 trudelten meine Gastoma und einige ihrer Freunde und
Innen ein. Gegen sieben war das Mittagessen soweit. Ich unterhielt mich noch
kurz mit den Gästen, half als es kälter wurde, Stühle und Tische in den sonst
unbenutzten Keller zu tragen und ging dann auf mein Zimmer. Im Keller legten
die mit Drinks nicht unterversorgten Herrschaften nun richtig los. Es wurde
getanzt und laut gejauchzt. Schön wenn man die ältere Generation fideler als so
manche jungen Paceñas sieht. Pünktlich um neun waren dann jedoch die letzten
Reserven aufgebraucht und es ging für alle nachhause. Ich hatte derweil mein
Zeug gepackt, denn morgen ging es los, meinen ersten 6000er zu besteigen.
freitag, 31. mai
Ich frühstückte, machte mich fertig, sagte am Schlafzimmer
meiner Gasteltern tschüss und ging um kurz vor acht aus dem Haus. Aufgestanden
war noch keiner, da im Winter, aufgrund zu kalter Klassenräume und
Erfrierungsgefahr auf dem Schulweg, die Schule erst eine Stunde später begann.
Was hier als Kälte empfunden wird, ist aber auch abenteuerlich. Zu keiner Zeit,
nicht einmal nachts, gab es bisher Temperaturen unter 5°C. Nach einigen Wochen
Vorfreude auf dieses Ereignis war ich total motiviert, zumal ich an jedem
Wochentag der letzten Wochen an Langeweile und Nutzlosigkeit gelitten hatte.
Das der Ausflug nicht ganz legal war, da wir AFS nicht
Bescheid gegeben hatten war zusätzlicher Nervenkitzel.
Im Büro des Reiseveranstalters angekommen, wurden Equipments
ausgegeben und ausprobiert. Ich hatte Glück etwas in meiner Größe zu ergattern.
Jacken, Hosen, Schuhe und Steigeisen machten zwar einen brauchbaren Eindruck
schienen aber noch aus der Anfangszeit Reinhold Messners zu stammen.
Als alles in den Minibus geladen war, ging es los.
Verpflegung würden wir noch billig unterwegs kaufen können, wurde uns
mitgeteilt. An besagtem Laden angekommen, wurde schnell deutlich, dass wohl
eine Kooperation zwischen Reiseveranstalter und Ladeninhaberin bestehen musste.
Jedes Produkt war mindestens 10% teurer als in sonstigen Läden. Egal,
Hauptsache es ging bald los.
Wir fuhren vorbei an der Berg- und Minenlandschaft, deren
ausgeflossenen Mineralien die anliegenden Lagunen in alle möglichen Farben
gefärbt hatten. Am ersten Basiscamp [auf ca. 5000m] stiegen wir aus. Vier
AFS-Leute und ein Kanadierin, die momentan auf Weltreise war, hatten das Ziel
am Sonntagmorgen zum Sonnenaufgang den 6088m hohen Huyna Potosi zu beklommen zu
haben.
Das Haus war trotz seiner sehr bodenständigen Einrichtung,
samt Matratzenlager, welches man wohl aus einem Kindergarten zusammen geklaut
hatte, sehr gemütlich.
Nach einem kleinen Mittagessen, zogen wir los um in
Ausrüstung zu trainieren. Nach einem kleinen Marsch kamen wir ans
Gletscherfeld. Zuerst kraxelten wir mit Steigeisen auf dem Gletscher herum. Wenig
später durften wir mit Eispickel bewaffnet unsere Künste als Eiskletterer
beweisen. Dann war unser Schnupperstündchen auch schon vorbei. Wie ich mich aus
einer Gletscherspalte befreien könnte oder bei anzunehmender Gefahr zu
verhalten hatte, wurde wohl nicht als lehrwürdig erachtet. Ohnehin bezweifelte
unser Guide, dass wir mehr als „amigos, vamos a la playa“ verstanden. Diese
fünf Worte hatte er schon so oft wiederholt, dass wir schon darüber
nachdachten, ihn bei abermaligem Erwähnen den Mund mit Coca zu stopfen. Wir
verwarfen den Gedanken jedoch wieder, weil man nie wissen konnte, wie viel des
Wunderblatts gegen die Höhenkrankheit wir selber benötigen würden.
Als wir an der playa, in diesem Fall Haus, angekommen waren,
tranken wir erst Tee und aßen anschließend zu Abend. Dann versuchten wir auf
unseren Winzlingsmatratzen mit Disneymotiven einzuschlafen, was aus zwei
Gründen jedoch schwer fiel. Erstens rumorte es in unseren Bäuchen, dass sogar der
ums Haus pfeifende Wind übertönt wurde. Und zweitens war es einfach nur kalt.
Die professionellen, minustemperaturentauglichen Schlafsäcke, die man uns
geliehen hatte, waren wohl dünner als das Fell eines geschorenen Lamas. Mit
allen Kleiderschichten eingepackt, war es auszuhalten.
Nachdem erst ein anderer AFS-Freiwilliger und dann ich
unseren Mageninhalt Pachamama serviert hatten, fanden wir letztlich unseren
Schlaf.
samstag, 1. juni
Das aus einem eingefrorenen Fluss bestehende Bad vertrieb
beim Hände- und Gesichtwaschen die letzte Müdigkeit aus den Gliedern und nach
einem mehr oder weniger stärkenden Frühstück ging es zum Aufstieg zum nächsten
Basispunkt. Auf dem Weg nach oben fühlten wir uns wie in den Alpen. Der Schwall
an europäischen Sprachen, Menschen und Moden, der uns entgegen rauschte, machte
es schwer zu glauben, dass wir uns etwas weiter südwestlich befanden.
Andererseits würde man nicht so vielen wandernden Hipstern auf dem Weg zur
Schrösenalm, oder anderer Alpenhütte begegnen.
Uns wurden zwei Schicksale mitgeteilt. Da gab es zum einen
die, die vor Stolz platzen, den Riesen gemeistert zu haben und die anderen, die
teils erst kurz vor dem Gipfel kotzend und höhenkrank umdrehen mussten. Unsere
nächtliche Gabe an Pachamama lies uns jedoch zuversichtlich, den Berg schon
genug überlassen zu haben, so dass er uns nun ohne weiteres passieren lassen
würde.
Die Sonne strahlte wie verrückt und mit dem Gepäck auf dem
Rücken waren wir froh, endlich verschwitzt an einem winzigen Häuschen
angekommen zu sein. Wir studierten die zahlreichen Wandbeschriftungen im
Innenraum des Hauses, die von vorherigen Besuchern angefertigt worden waren.
Die in allen Farben, Größen und Sprachen verfassten lyrischen Werke erzählten ehrfurchtsvoll
von der Kraft des Bergers oder deren Bezwingern, vom Meistern und Scheitern
oder von heftig wütenden Darmwinden.
Nachdem wir unser Nachtlager mit noch gewöhnungsbedürftigerem
Schlafmaterial als in der Vornacht hergerichtet hatten, aßen wir um 4 zu Abend.
Es war recht wenig, da es wohl einen Organisationsfehler gegeben hatte. Mit
fast leerem Magen legten wir uns in Mitten anderer Aufstiegswilliger schlafen.
Da der Aufstieg heute Nacht um halb 2 beginnen sollte, lagen wir schon um fünf
im Bett und das einschlafen fiel heute um einiges leichter.
sonntag, 2. juni
Um 12 wurde gefrühstückt, und um eins ging es los. Als der
Gletscher begann, wurde im Dunklen mit kalten Fingern die Ausrüstung angelegt.
Amigos, vamos a la playa. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf und in zwei
Seilschaften ging es den Berg hinauf. Es war völlig dunkel und nur die
Kopflampen waren einen kleinen Lichtschein auf den eingetrampelten Schneeweg.
Wir kamen nur langsam voran, da meine AFS-Mitwanderin nicht an die Höhenluft
gewohnt war und so ständig Atemluftprobleme bekam. Wir hielten an warteten kurz
und gingen dann weiter. Unsere Mitstreiter waren schneller unterwegs und schon
bald sahen wir noch das Licht ihrer Höhlenlampen im Schnee reflektieren. Andere
Gruppen, die später aufgebrochen waren, hatten uns schon überholt. Überhaupt
war zu dieser frühen Stunde viel los auf dem Berg. Die ganzen Lichtkegel erinnerten
an Glühwürmchen oder Pistenraupen, die sich in der Stille ihren Weg nach oben
bahnten. Es eiskalt und nur das rhythmische Knirschen der Steigeisen durchdrang
die Stille des ewigen Weiß. Als wir eine gewisse Höhe erreicht hatten, konnte
man zwischen den Bergen die Lichter El Altos durchschimmern sehen. Auch die
Sterne waren einen Anblick wert. Nachdem unsere Vorläufergruppe einige Male auf
uns hatte warten müssen und wir wegen all der Pausen im Zeitplan weit zurück
gefallen waren, keimten schon erste Aufgabegedanken in unserer Zweiergruppe
auf. Ihre Kraft und Ausdauer würde, je weiter oben wir uns befänden, es noch
schwieriger machen vorwärts zu kommen. Wir motivierten uns und sie kämpfte
tapfer weiter. Als wir nach 3 Stunden hochstapfen, ewigen überholt werden,
ihrem steigenden Kopfweh und ständigen Anhalten an ein Steilstück kamen, traf
sie die Entscheidung, die getroffen werden musste. Es ging nicht weiter und wir
mussten umkehren. Ich hatte Angst nicht zu meinem Gipfelerlebnis zu kommen, auf
das ich mich so gefreut hatte. Ich spürte im Gegensatz zu ihr noch keine
Höhenerscheinungen, was wahrscheinlich dem vielen Sport, den ich in La Paz und
El Alto trieb, geschuldet war.
Zum Glück setzte gerade eine weitere Gruppe zum überholen
an, die nach kurzen diskutieren bereit waren, mich bis zu den Vorreitern meiner
Gruppe mitzunehmen. Ihr Guide kam mir viel professioneller vor und erklärte
auch immer was wir zu tun hatten. Vor allem am ersten Steilstück, der einzigen
kleineren Schwierigkeitsprüfung war das mehr als hilfreich. Noch immer war es
dunkel und die kältesten Stunden begannen gerade zu wirken. Im Vergleich zum
vorherigen Tempo sprinteten wir nun den Berg hoch, weshalb wir nach wenigen
Minuten in Sichtweite mit den anderen kamen. Wir riefen, sie warteten und dann
hatten wir sie eingeholt. Erneut wechselte ich die Seilschaft und war endlich
mit den anderen AFSlern und der Kanadierin unterwegs. Wir waren mittlerweile so
weit oben, dass wir die umliegenden Bergspitzen überblicken konnten. Hinter den
sieben Bergen begannen die Nebel- und Regenwälder, auch La Paz und El Alto
konnte man jetzt fast gänzlich sehen. Beeindruckend.
Es dämmerte, viel weiter unten stieg Nebel auf, hier oben
war es wolkenlos und der Sternenhimmel verlor mit der Helligkeit seinen Glanz. Dieses
nicht enden wollende Trotten erinnerte an das tranceähnliche Laufen im
Dschungel, nur das dort die Luft eine angenehmere Temperatur besessen hatte.
Nach 5einhalb Stunden standen wir am letzten Kamm. Nun ging
es noch einmal steil hoch und breit war der Weg auch nicht mehr. Erstmals kam
der Eispickel gewinnbringend zum Einsatz. Beim Runterschauen könnte einem
mulmig werden. Von der Höhe spürte ich zu meiner Verwunderung noch immer kein Bisschen,
mein Kopf war voll einsatzfähig und auch die Lungen spielten noch voll mit.
Man konnte nun auch auf die andere Seite des Berges blicken.
Der Titikakasee schien gar nicht weit weg und die Fernsicht war beeindruckend.
Wir waren nach 6h eintönigem Laufen, endlich angekommen. Zum Jubeln war fast
keine Kraft vorhanden, und ausgelassene Freudensprünge sollte man auf dem
kleinen Plateau lieber unterlassen.
Wir schossen Fotos, stärkten uns mit unserem
Siegerschokoriegel, bibberten in der Kälte und genossen die Rundumsicht, die
mehr als beeindruckend war. Da die aufgehende Sonne sich unter der Bergspitze
befand, warf der Berg einen unglaublich langen Schatten. Bis nach Peru
erstreckte sich ein schwarzes Schattendreieck auf dem hinter dem Berg
verlaufenden flachen Boden. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Wir waren die
letzten auf dem Berg und machten uns, nachdem wir uns satt gesehen hatten
zufrieden an den Abstieg. Durch die Sonnenstrahlung wurden Eis und Schnee immer
weicher und wir wussten jetzt warum man den Aufstieg nachts wagen musste. Es
ging zügig bergab. Nur kleine Pausen verzögerten die Ankunft an unserer
Berghütte.
6 Stunden Aufstieg standen am Ende zwei Stunden Abstieg
gegenüber. Glücklich angekommen zu sein, entledigten wir uns unserer
Spezialkleidung und packten unsere Sachen zusammen. Nach einem spärlichen
Mittagessen sollte es dann losgehen.
Allerdings verzögerte meine Sonnenbrille die Aufbruchzeit.
Ich hatte mich noch einmal auf der Plumpsklohütte eingefunden, die so
zerbrechlich wirkte, dass man froh sein konnte, dass die oben erwähnten,
häufigen Blähungen sie noch nicht in den Abgrund gepustet hatten. Als ich die
Aussicht auf dem Höhenörtchen festhalten wollte, machte sich meine Sonnenbrille
selbstständig und stürzte sich kopfüber in den gefrorenen Berg Touristenscheiße
unter mir. Mist. Ich musste sie irgendwie retten, da sie nicht gerade billig
gewesen war und ich sie nicht auf einem Plumpsklo in 5200m Höhe verloren wissen
wollte. Kopfüber in der Schüssel konnte ich sie nicht mal sehen. Als ich
darüber nachdachte über was sich mein Kopf gerade befand, musste ich mich fast
übergeben. Ich riss mich aber zusammen um meine Brille nicht weiterem gekautem
Material auszusetzen. Draußen erzählte ich von meinem Missgeschick und wurde
prompt ausgelacht. Auch ich konnte nicht anders, trotz meiner Not war die
Situation einfach zu seltsam.
Selbst mit Hilfe des Herbergsvaters schien die sonderbare
Art von Bergrettung zuerst aussichtslos. Es gab keinen Ein- oder Ausgang der Jauchegrube.
Ich wollte aber nicht aufgeben. Nach etwa 5min entdeckte ich eine Spitzhacke.
Mit ihr hebelten wir drei Bodendielen aus und die Schatzsuche nahm wieder Fahrt
auf. Im untersten Eck des Lochs hatte es sich meine Sonnenbrille bequem
gemacht. Noch nie war der Begriff Reichweite so passend gewesen. Ich legte mich
auf den Boden, beugte mich so weit es ging in braun-grünen Untergrund und
fischte mit meinen Fingern das noch braunere Gestell aus seiner Umgebung. Die
Rettung. Es konnte weiter gehen. Zum weiteren Abstieg verzichtete ich jedoch
mein geliebtes Accessoire aufzusetzen.
Ich raste förmlich den Berg herunter, da ich so schnell wie
möglich zuhause sein wollte. An der unteren Hütte angekommen gönnten wir uns
erst einmal ein Siegerbier.
Nun hieß es Abschied nehmen vom Wayna Potosi und seiner
Umgebung. Im kleinen Bus holperten wir über kleine Straßen in Richtung La Paz
und ließen die Erlebnisse noch einmal durch den Kopf gehen. Im Zentrum
angekommen musste ich eine weitere Stunde Fahrt auf mich nehmen um endlich
zuhause anzukommen.
Ich hatte alles ausgepackt, mich geduscht und wollte mich
gerade hinlegen um den verpassten Schlaf aufzuholen als jemand draußen meinen
Namen brüllte. Vor der Mauer stand mein AFS-Freund und winkte aufgeregt. Er war
normalerweise nie hier, weil er meine Gastfamilie hasste und das Haus vom
Zentrum ewig weit entfernt war. Ich war mehr als verwundert. Es musste also
etwas Ernstes sein, zumal wir uns erst vor wenigen Stunden noch gesehen hatten.
Ich öffnete die Tür. Niklas, Mann, wir sind aufgeflogen! Wie? Was? Aufgeflogen?
Stand er noch unter Einfluss der Höhe. AFS hatte mitbekommen, dass wir ohne
deren Erlaubnis dieses Wochenende nicht zuhause verbracht hatten. Dies
bedeutete Ärger.
Jemand hatte uns verraten und es war auch schnell klar wer.
Irgendjemand aus meiner Gastfamilie hatte AFS Bescheid gesagt und verraten,
dass ich nicht alleine unterwegs war. Am Telefon hatte unsere Betreuerin wohl
sehr sauer geklungen und uns für Mittwoch ins Büro geladen. All die schönen
Eindrücke des Wochenendes waren auf einmal dahin. Ich blieb zwar ruhig, da sich
alles zum Guten entwickeln könnte, dennoch war ich von meiner Gastfamilie sehr
enttäuscht. Leider konnten wir sie nicht direkt zur Rede stellen, da sie die
Zeit schlafend im Bett verbrachten.
So fuhren wir in die Stadt, wo wir uns mit unseren
Mitbesteigern auf ein Bier verabredet hatten. Außerdem wollten wir die Zeit
nutzen, um unsere Ausreden mit den anderen Freiwilligen abzustimmen. Zumindest
das Abstimmen klappte, wohingegen das Biertrinken ausfiel, da Sonntagabends
wohl keine Bar geöffnet haben wollte. Frustriert und ungewiss ging ich nach
Hause.
Am Küchentisch saß meine Gastmutter und wir unterhielten uns
über das Wochenende. Auf die Frage, ob etwas Besonderes vorgefallen war,
antwortete sie mit nein. Ach AFS hatte angerufen, am Mittwoch sollte ich zu
einer Vorbesprechung zum anstehenden Halbjahrestreffen teilnehmen. Das am
Mittwoch keine normale Besprechung anstand war uns beiden klar, aber ich war
bereit das Spiel mitzuspielen. Wann würden sie mir mitteilen, dass sie
angerufen hatten und aus welchem Grund.
montag, 3. juni
Noch immer hatte ich keine neue Arbeitsstelle und so konnte
ich mich ganz darauf konzentrieren, wie das anstehende Gespräch wohl ablaufen
würde. So langsam wurde mir bewusst, wie sehr mich das Verhalten meiner
Gastfamilie doch annervte. Vor allem meine Gastmutter prieß ständig die Vorzüge
einer bolivianischen Familie an: Loyalität, helfen bei Problemen, Zusammenhalt,
direkte Kommunikation. Was sie im Gegensatz zu deutschen Familien zu sagen
hatte, die sie aller höchstens aus Nebensätzen ihrer Tochter, die sich in
Deutschland befand, heraus zu hören glaubte, möchte ich gar nicht wiederholen.
Dennoch verpasste meine Gastfamilie auch heute, mich über ihren Anruf und etwaige
Probleme, die sie wohl mit mir hatten, aufzuklären. Stattdessen zog meine
Gastmutter über die Unzuverlässigkeit der Deutschen, deren Ungastfreundlichkeit
und menschliche Kälte her, als hätte sie ihr halbes Leben dort verbracht. Es
ging um kleine Organisationsprobleme mit denen sich ihre beiden Töchter, die
eine gemeinsame Europareise geplant hatten, zurzeit herumschlugen. Selbst meine
Eltern, die ihre Hilfe bei Visumsangelegenheiten angeboten hatten, bekamen ein
ungenügendes Zeugnis ausgestellt. Vor zwei Wochen hatte sie sie noch in den
Himmel gelobt. Mit Deutschen habe sie abgeschlossen und wolle mit ihnen nichts
mehr zu tun haben, mit mir habe sie allerdings keine Probleme. Ich konnte ihr
Gemotze nur schwer verstehen und war wohl an meinem ersten kleinen
Kulturunterschied angekommen. Ob ihre Antipathie gegenüber Deutschen Anlass
war, mich und meinen Kumpel zu verpfeifen? Da man sowieso nicht direkt mit ihr
reden konnte, blieb dies nur ein Bauchgefühl. Nachdem ich mir weitere
verwirrende Gedankengänge angehört und mich weiterhin zurück gehalten war
endlich Bettzeit.
dienstag, 4. juni
Der Dienstag verlief wie der Montag, nur dass ich
nachmittags etwas unternahm. Um aus der bedrückenden Stimmung des Hauses
herauszukommen half ich einer Freundin bei der Appartementsuche.
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