Dienstag, 19. Februar 2013

carnaval



donnerstag, 7. februar


Nach dem Spanischunterricht und dem Mittagessen hatte ich das erste Mal seit einer Woche wieder Internet. Das Telefonat mit zuhause musste ich allerdings abbrechen, da ich mit meiner Schwester ins Kino ging. Es kam mir mehr als unwirklich vor als wir im Megacenter ankamen. Es sah aus wie in einer amerikanischen Mall, zumindest stelle ich mir eine Mall so vor. Bis jetzt hatte ich hier nur kleine recht runtergekommene Ladenzeilen gesehen und stand jetzt in einem Ding mit Rolltreppen, Sonnenbrillenfenster, Autos, teuren Sandwhichläden, vollgestylten Chicas mit Lederleggins, Kino und Popcorn für das man auch mehrere Mittagessen bekommen kann. Das Kino und Popcorn kosten zwar einiges weniger als bei uns. Verglichen mit sonstigen bolivianischen Preisen ist es aber nicht gerade billig. Der Film war bis auf den Untertitel nicht einmal spanisch, sondern österreichisch und englisch, so konnte ich zwar nichts lernen aber wenigstens alles verstehen. Es gibt übrigens keine Platzkarten und man setzt sich dorthin, wo man möchte. Als wir wieder aus dem Kino raus gingen wurde mir erstmal schlecht, als ich im Grünstreifen gegenüber eine arme Familie sitzen sah. Auf der einen Seite ein Luxuspalast und auf der anderen Menschen auf Pappkarton. Wie man damit umgehen soll habe ich noch nicht herausgefunden. Vielmehr wie ich damit umgehen soll, den "man" ignoriert es oder redet es sich irgendwie schön. Meine Gastmutter meinte z.B., dass es keine armen Menschen in La Paz gäbe. Vielleicht gibt es hier ja andere Maßstäbe für Armut.
Meine Gastschwester wurde auf dem Weg zurück von einer Wasserbombe aus fahrenden Auto getroffen am Kopf getroffen, was schon einmal eine gute Einstimmung auf die bevorstehende Woche seien sollte.
In Bolivien ist es an Karneval Brauch, vor allem Mädchen mit Wasserbomben und Spritzpistolen zu benässen. Die ersten Male kann das noch ganz witzig sein, aber gerade als Gringo, wie ich einer bin, ist man gerne Opfer dieser Attacken. Spätestens nach der 5ten Attacke,
und völlig durchnässten Hose kann man mit diesem Jux nicht mehr ganz so viel anfangen.
Gerade wollte mich ins Auto setzen, mit dem wir abgeholt wurden, da schrieen Mutter und Bruder aus einem Hals: "Achtung, nicht setzen". Über zwei Sitze gestreckt lag eine Marienstatur. Verwundert nahm ich sie für den Rest der Fahrt auf meinen Schoß. Ich hatte mal wieder keine Ahnung, wohin wir unterwegs waren. Wir fuhren zu einem kleinen Aufenthaltsraum, in dem ein provisorischer Altar aufgebaut wurde. Hier kam also die Marienstatue zum Einsatz. Die Karnevalstruppe meiner Geschwister traf sich um für ein gutes und sicheres Karnevalswochenende zu beten. Es gab viele Ave Marias, Vater Unsers und persönliche Gebete, die von einer Pause für Sandwiches aus dem Sandwichmaker, Cola und ultrasüße Fanta unterbrochen wurden. Immer wieder gingen und kamen andere Mitglieder. Es wurde diskutiert wie man nach Oruro komme. Aus dem ganzen Land und Ausland werden Leute erwartet, die am 2. größten Karneval Südamerikas [sogar der Welt] teilnehmen oder zuschauen wollen, weshalb es nur begrenzte Transportmöglichkeiten gibt. 2 Tage vor einem Ereignis, bei dem man seit einem Jahr weis, dass man teilnehmen wird, wird also besprochen wie man selber dort hingelangt. Unmöglich bei uns, man nennt das wohl bolivianische Spontaneität. Als es dann nach 40min Diskussion keine Einigung gab, weiter gegangen und gekommen wurde und alle Sandwiches aufgegessen waren, sollte das Beten weiter gehen. Viele hatten allerdings keine Lust mehr und so kam es zu kleinen Unstimmigkeiten. Forsch aufzutreten gilt anscheinend als unhöflich und so ging wieder einige Zeit ins Land, bis die die keine Lust mehr hatten gegangen waren und der Rest weitere Ave Marias und Wechselverse beten konnte. Sogar ich durfte eine Gebetszeile vorlesen. Um elf war es dann endlich vorbei. Auf dem Weg nachhause regnete es wie aus Kübeln, die Straßen waren kleine Flüsse, Steine lagen auf der Straße und die wenigen Gullis wurden zu Springbrunnen.
Hier ist zurzeit Regenzeit, was bedeutet, dass es alle 2 bis 3 Stunden für ein einige Minuten regenet. Mit Nieseln hat das wenig zu tun, ganze Baggerseen könnten mit diesen Wassermassen gefüllt werden. Nur gibt es die nicht, so laufen eben die Straßen über.

freitag, 8. februar

Freitags ging es nach dem Spanischkurs nur darum, wann es heute losgehen sollte und wie. Zuerst hieß es um 1600, zehn Minuten später dann 1630, weitere zwanzig Minuten später dachte man, dass 1700 ausreichen würde, auf einmal war auch 1730 in Ordnung. Letzendlich ging es dann um sieben los.


Durch Regen und über Straßen aus Schutt ging es Richtung Karnevalsfest. Alle Welt nahm die gleiche Strecke, weshalb wir auf der einer Spur, die außerdem von LKWs verstopft war nur sehr langsam voran kamen.Überall entlang der Straße hatten sich kleine Siedlungen angesammelt, eine nach den anderen lies einen erahnen, wo die Armut Boliviens zu finden war.


In einer dieser Siedlungen legten wir einen Zwischenstop ein um zu Abend zu Essen. Hühnchen, Kartoffeln und Mais lagen da auf einem Teller auf einer klebrigen Tischdecke. Es war lecker und auch mein Magen machte mit, die Hauptsache. Da wurde mir wieder bewusst, dass es einigen gar nicht bewusst war, dass es auch andere Orte in diesem Land gab. "Das Klo hat seinen Namen doch nicht verdient", hörte ich unsere Mitreisenden sagen. Tatsächlich war es eines der schlimmsten Wasserklosets, das ich bis jetzt gesehen hatte. Aber ich hatte gedacht, dass ich so etwas hier schon viel früher zu Gesicht bekommen würde. Es ging weiter wie zuvor, ich konnte nur noch schlafen.
Nach 7 Stunden hatten wir die ca. 230km Strecke zwischen zuhause und der Schule, in der wir schlafen sollten, bewältigt. Alle waren hundemüde.

mein gastvater testet das matratzenlager

samstag, 9. februar

Um 5.30 sollten wir aufstehen um den Start des Karnevals nicht zu verpassen. Ich war natürlich der Einzige der um diese Zeit wach war. In meiner Naivität hatte ich wirklich geglaubt, dass das ernst gemeint war. Abwegig war es auf jeden Fall nicht, da der Karneval um sechs beginnt und bis um drei in der Nacht geht. Zwei Tage hintereinander. Samstag und Sonntag. Aber eigentlich ist die ganze Stadt zwei Wochen von Karnevalsfesten belagert. Den Rest des Jahres herrscht allerdings tote Hose, weswegen Oruro von Leuten aus La Paz immer belächelt wird. Auf jeden Fall saßen wir statt 6 um 9 auf der viel zu engen Tribüne und ließen den Zug über uns ergehen. Zu Beginn war es relativ langweilig, jede Gruppe spielte das gleiche Lied und auch die Kostüme, waren bis auf die Farbvariationen die selben. Den Wahnsinn zu beschreiben fällt schwer, deswegen hier eine kleine Bildauswahl, obwohl auch die ungenügend sein wird, dieses Spektakel, das zum UNESCO-Erbe erklärt wurde, wiederzugeben.

letzte vorbereitungen


auf dem weg zum spektakel




mit pauken 

und trompeten



































alle generationen




























der himmel zu anfang bedeckt

einstudierte tänze














meine kamera blieb nicht verborgen

ab geht die party


















bären, die die unterwelt darstellen



man sprühte
oder wurde besprüht

diese touris

auch aus den hochhäusern wurde geguckt

auch dieser hund hat was abgekriegt












die großen augen, stellen die von staub und dunkelheit roten, großen augen der minenarbeiter da, wie mir mein nebensitzer erklärte

die großgrundbesitzer und gutsherren







die sklaverei war ein großes thema

angeketteter schwarzer sklave, der um erlösung bettelt



















aufwendige kosüme
mitglied der gruppe aus malmsheim, die wir am ersten tag im  flieger trafen
wiedersehen mit bekannten

die afrobolivianische gruppe heizte in pausen wieder ein




















pausen bis es weiterging
zeit für fotos, die den größenunterschied demonstrieren









kurze röcke
















wunderschöne präsentierwägen

geschmückt mit jungfrau














und silber

schuhwerk























































vortänzer



?

kein auge blieb trocken







der große auftritt meiner gastgeschwister


kämpfe

die freundlichen herren, die einen immer zum trinken einladen

auf die panflöten musste man lange warten

durchgehend wurden von allen seiten sachen angeboten





































unter der tribüne wurde im müll gekocht und es sah nicht mehr ganz so fröhlich aus
eng ging es zu [tribüne von unten]
abends dann ein halbstündiges gewitter, ich hatte zum glück einen unterstand, dass das einigermaßen reibungslos ablief wunderte mich



nach dem gewitter war die stimmung richtig ausgelassen, vielleicht lag es auch am vielen alkohol, der noch mehr als der regen in den straßen floss, hier setzt mir ein übermüdeter tänzer seinen winzigen hut auf

sonntag, 10. februar

Um fünf wurde ich von meinem Handy geweckt, ich zog mich schnell an, mit Bier in den Haaren und Schaum an den Klamotten ging es versifft zur Heimfahrt. Wo meine Gasteltern geschlafen haben, weis ich nicht, auf jeden Fall nicht in der Schule. Nach 2min fuhren wir fast in einen 3m hohen Maschendrahtzaun der einfach so über die Straße gespannt hatten, konnten aber noch bremsen. Aber das war erst der erste Aufreger. Es ging zurück über die kaputten Straßen und vorbei an armseligen Behausungen, die ich jetzt bei Tageslicht das erste Mal sah. Alle 20km gab es kleine Siedlungen mit Häusern aus Backstein und Wellblechdach. Alle Hunde die nicht überfahren auf der Straße lagen, tummelten sich hier. Frauen mit einem Tuch voller Sachen auf dem Rücken liefen neben dem "Asphalt". Hier wurden Schafe und Kühe auf Autos verladen. Dort spielten Kinder im Matsch mit Müll. Meine Gasteltern konnten es selber nicht glauben. Jetzt konnte man verstehen, warum Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist. Meine Reiselust und die Lust mehr über diese Menschen und das Land zu erfahren wurde nun erst recht geweckt. Wir hielten an um zu frühstücken. Ob ich Käse oder Huhn zu essen möchte, war leicht zu beantworten. Das "Restaurant" war noch etwas runtergekommener als das auf der Hinfahrt. In mir kam wieder die Frage auf, warum manche gerne mehrere 1000Bolivianos für ein Wochenende ausgeben können und andere, denen man auf demselben Weg begegnet, eben nicht. Ach das Geld.
Es ging aber weiter und man konnte eine etwas karge, dennoch grüne, hügelige Landschaft mit einigen Häuschen auf dem Weg nach La Paz sehen. Denn mit Straße hatte es an einigen Stellen nichts zu tun. Allerdings werden zurzeit vierspurige Autobahnen zwischen den größten Städten Boliviens gebaut. Auch auf dieser Strecke. Auf einmal tat es einen Schlag und wir fuhren von der Straße in die Pampa. Unser Vorderreifen war geplatzt. Es hieß aussteigen und herausfinden wie man ans Ersatzrad kommen konnte. Dass es bei einem "Geländewagen" 30min dauerte, das Reserverad aus seiner Vorrichtung zu lösen, hat mich mehr als verwundert. Außerdem war der Originalwagenheber viel zu klein für den hohen Radstand des Autos und auch das restliche Equipment war fragwürdig. Versifft und verärgert über die Ingenieure des Notfallsets, stand ich in der Kälte neben einer Straße auf deren 2 Spuren sich LKW Überholmanöver lieferten und entgegenkommenden auswichen. Mein Vater lag unterm Auto und versuchte mit Steinen die Höhe des Wagenhebers auszubauen. Ich half, wo ich konnte aber es war zwecklos. Irgendwann klappte es dann einigermaßen, der neue Reifen konnte aufgeschraubt werden. 2 Stunden dauerte der Spaß, immerhin, wir atmeten tief durch. Weitere 4 Stunden auf einen Abschleppdienst zu warten, wenn es sonntags einen geben sollte, wäre doch nicht unser Wunsch gewesen. Wenn man mal in einer gefährlichen Situation in der Wildnis sein sollte, was mit einem Geländewagen durchaus passieren könnte, muss man sich mit diesem Modell keine Sorgen machen.
heimfahrt

beim flicken zeit zu fotografieren

autobahn

Die Fahrt vorbei an Kartoffelfeldern, toten Hunden und Menschen die mit Fahrrädern die fertigen Straßenabschnitte befuhren ging weiter. Endlich in La Paz wurde dann noch rumgegurkt und verschiedene Sachen besorgt. Nach 7 Stunden waren wir dann wieder zuhause. Ich freute mich aufs Duschen, es musste allerdings schnell gehen um 1315 sollte es schon weitergehen.

Um eins saß ich also unten, und musste doch noch bis um 14.45 warten bis es losging. Dieses neue Zeitgefühl habe ich immer noch nicht verinnerlicht. Es ging zum Nationalstadion, wo etwas für die Aftercarnavalparty des Faschingsclubs meiner Eltern aufgebaut wurde, die sich dieses Jahr alle als Papageien verkleidet hatten.



Ich half, weil ich keine Lust hatte, einen erneuten Sprühregen, beim Karneval, der währenddessen stattfand, zu erleben. In La Paz ist es anscheinend besonders schlimm, wie mir meine Gasteltern versicherten, das wollte ich mir ersparen. So hieß es wieder warten bis alle Stühle, Zelte, Getränke usw. waren und das Essen [Hühnchen mit Kartoffeln und Mais] gekocht und in 70 Portionen in Styroporschachteln verpackt war. Während der Wartezeit lernte ich einen neunjährigen Straßenjungen kennen. Dass er über seine Eltern nichts erzählen wollte und er mit zerfetzten Schuhen hier alleine rumstreunte machte mich traurig. Aber es freute mich gleichzeitig ihn fröhlich zu sehen, als wir miteinander spielten und an welch einfachen Sachen, wie fast leeren Schaumdosen, die er auf aufgelesen hatte, er seinen Spaß hatte. Für den Abend wich er mir nicht mehr von der Seite.



Der Becher Limonade, eine der Essensportionen und ein Bonbon ließen ihn erst recht strahlen. Völlig eingesaut waren mittlerweile auch die Papageien eingetroffen. Es wurde getrunken, getanzt und gegessen. Irgendwann war meine Mutter sehr aufgebracht und fing an ihren Cousin, der das Essen gekocht hatte, zu schelten. Wahrscheinlich weil es nicht genügend Essen für alle gab. Dennoch lag genug davon auf dem Boden. Wieder kam mir der Verschwendungsgedanke. Irgendwie fand ich den Karneval trotz all der guten Laune und dem Spaß zu diesem Zeitpunkt abartig. Aber das finde ich auch zuhause. Zur Musik einer Klischeesüdamerikaband mit Trommeln und Blasinstrumenten wurde ausgelassen getanzt. Plötzlich war Schluss, alle Papageien stiegen in einen Bus und fuhren zur Partyfortsetzung. Die Helfer, Angestellte meines Vaters und ein Cousin durften jetzt aufräumen. Eine Person kam vorbei, sammelte Essens- und Colareste auf. Wieder dieses Gefühl von 2 Welten. Alle Zelte, Stühle, Tische und Luftballons waren aufgeräumt. Der Müll blieb mitten auf einem öffentlichen Platz liegen, irgendjemand würde das wieder sauber machen. Aber es war ja Karneval. Anscheinend bin ich noch nicht gelassen genug. Ob ich mit zur Afterparty wollte. Na klar. Alle waren gut dabei, ich wurde eingesprüht, mit irgendwas eingestreut und eingeladen mit zu trinken. Von allen Seiten wurde ich umarmt und eine Person begrüßte mich freundlicherweise mit dem deutschen Gruß. Eine gut angetrunkene Frau wollte unbedingt mit mir tanzen. Nach dem mich ringsherum alle ermutigten gab ich schließlich nach, worauf ihr Ehemann nach 30s vorbei kam und mich zur Seite zog. Ich musste die ganze Zeit über innerlich grinsen. Es kam mir so unwirklich vor. Der ganze Tag, dass ich gerade in Bolivien bei einem Erwachsenenkarneval der einzige Nüchterne war und das mein Vater, selber etwas übermüdet auf Englisch versuchte mir zu erklären nichts zu trinken. "Now drink!". Ich war schon wieder völlig eingesaut alle Fenster waren beschlagen und ich schwitze, da ich meine Regenjacke aus Angst vor weiteren Attacken nicht ausziehen wollte. Trotzdem fühlte mich sehr gut, und hatte das Gefühl angekommen zu sein. Angekommen in Bolivien. Das Heimwehgefühl im Magen war zum ersten Mal nicht mehr vorhanden. Auch meine Handy war auf einmal nicht mehr vorhanden und meine Jackentasche offen. Ich hatte gar nichts bemerkt. War es der verärgerte Ehemann, der mich gerade eben komisch umarmt hatte? Ich war geschockt. Da merkte ich, dass ich es in der Innentasche verstaut hatte. Alles gut. Meine Eltern hatten sich gerade mit uneingeladenen Gästen angelegt und hatten die Lust aufs Feiern verloren. Wir gingen in eine Imbissbude gegenüber, weil sie schon wieder nichts vom Essen abbekommen hatten. Sie bestellten 4 Portionen eines undefinierbaren, frittierten Teils eines Huhns mit Beilagen, obwohl wir nur zu dritt waren. Mir wurde echt schlecht aber ich hatte übertriebenen Hunger, dieses etwas konnte schon nicht so schlimm sein, wurde ja genügend frittiert. Also rein da mit. Nach diesem Essen beschloss ich in Deutschland Vegetarier zu werden. Meine Gasteltern hatten die Lust auf Feiern nun gänzlich verloren, so ging es nach dem leckeren Mahl schon um 1100 nach Hause. Beide waren mittlerweile sehr übernächtigt und so wurde die Heimfahrt im eigenen Auto zum Abenteuer, es war das erste Mal, dass ich mich anschnallte. Zum Glück kamen wir heil zuhause an. Diesen Tag werde ich auch aufgrund der Heimreise nie vergessen.

montag, 11. februar

Am nächsten Tag wurde ausgeschlafen, direkt nach dem „Guten Morgen“ wurde ich von meiner Gastmutter dreist gefragt, ob ich gestern nicht ein wenig über den Durst getrunken hätte. Danach sollte es „kurz“ zu meiner Oma gehen. In ihrer kargen 2 Zimmer Wohnung wurde zu Mittag gegessen. Ausnahmsweise gab es Hühnchen mit Kartoffeln und Mais. Der Karneval war natürlich Hauptthema, auch meine Gastgeschwister waren wieder aus Oruro zurück.
Natürlich ging es nach dem Essen nicht nach Hause sondern mit meinen Gastgeschwistern in die Hölle schlechthin, die Hauptstraße. Schon auf dem Weg dorthin, mussten wir uns immer wieder in Hauseingängen, vor bis auf die Zähne bewaffneten Kindern, verstecken. Geländewagen, die auf der Ladefläche Jugendliche mit Riesengewehren und Eimern voll Munition geladen hatten, patrouillerten durch die Straßen. Nein, ich war nicht in einem Bürgerkrieg oder einem Revolutionsaufstand gelandet, es war Karneval. Die Gewehre waren gigantische Wasserpistolen und Wasserbomben fungierten als Handgranaten. An allen Ecken konnte man sich eindecken. Für einige Bolivianos schlugen auch wir zu. Es war sogar relativ teuer. €1.80 für eine kleine Sprühflasche voll Schaum. Ob es eine gute Idee war, selber Material zu besitzen? Ich glaube nicht. Man zeigte nur offensichtlich, dass man selber gewillt war aktiv teilzunehmen. Wir liefen an den Tribünen des Karnevalszugs vorbei, die zwar um einiges kleiner als die in Oruro, dafür umso schärfer bewaffnet waren. Das bekamen wir dann alle drei zu spüren. Wir sahen aus als wären wir gerade vom Barbier geflohen. Allerdings war nicht nur die Kinnpartie voll weißem Schaum, sondern das ganze Gesicht. Irgendein Bekannter der Familie, dessen Fahne schon heftig im Wind flatterte, bot mir auch immer wieder aus seiner Flasche an und zog mich mit in den Karnevalszug. Ich solle doch mit ihm tanzen. Das Angebot ausschlagen ging natürlich nicht und so schämte ich mich fast zu Tode. Nicht nur, weil ich nicht tanzen kann. Sondern vor allem, da alle Leute brav auf ihrem Tribünenplatz saßen und dem Zug zuschauten, in dem ein großer blonder Gringo mit Flasche in der Hand, ohne Rücksicht auf Traditionen, mit einer historischen Folkloregruppe mitstolperte. Diese besoffenen Touristen, furchtbar. Irgendwann hatten meine Gastgeschwister Mitleid, zogen mich aus dem Zug und erklärten ihrem Verwandten/Bekannten wir müssten zum Essen. Falls ein deutschsprachiger La Pazanese diesen Eintrag eines Tages lesen sollte, ich entschuldige mich für diesen Auftritt, den ich in keinster Art und Weise wollte. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, bitte erklären Sie das auch ihren Freunden und Freundesfreunden, danke.
Wir kämpften uns unter dem Einsatz der letzten Wasserbomben und Schaumvorräte mit nassen Hosen zum Kino. Wieder dieses unangenehme Gefühl als wir in diesem Konsumpalast angekommen waren. Im Kino fiel mittendrin der Film für zehn Minuten aus. Irgendwie kann hier echt immer alles passieren. Danach half mir meine Gastschwester, meine Gasteltern zu überzeugen, damit ich mit dem anderen Freiwilligen und seinen Schwestern abends weggehen konnte.
Mein erster Abend im Nachtleben konnte dann, für mich überraschender Weise, stattfinden. Seine Gastschwestern setzen sich für Sexualrechte in Bolivien ein, weshalb sie selber mit vielen Homosexuellen befreundet sind. Für Bolivien ist das glaube ich etwas sehr besonderes, da hier durchaus eine homophobe Meinung existiert. Welche Stimmung genau herrscht, kann ich allerdings nicht genau sagen. So gingen wir in einen Club, in dem am heutigen Abend, die Königin des Karnevals gekürt würde. Fast ausschließlich Männer und einige Frauen in Schönheitskönigenoutfit waren anwesend. Eine Cholita moderierte. Uns fiel auf, dass sowohl sie als auch die Anwärterinnen auffallend groß waren. Dann fielen uns auch bei einigen die improvisierten Implantate auf. Es handelte sich um eine Travestienwahl. Wir konnten es nicht glauben. Hier in La Paz? An so etwas hatten wir als letztes gedacht, als wir vor mehr als einer Woche in den Flieger stiegen. Das war etwas ganz besonderes. Wir bewunderten den Mut, der Cholita, die/der eigentlich ein Cholito war. Das traditionellste Frauenbild auf etwas völlig Konträres anzuwenden, Hut ab, oder in diesem Fall auf. Nach dem Catwalk gingen wir zum Tanzen in einen anderen Club und um eins war ich wieder zuhause.

erinnerung an einen verrückten abend

die player

dienstag, 12. februar

Auch heute war Feiertag, das hieß ausschlafen für alle. Bevor der Familienkarneval starten konnte, wurde von uns Kindern das Haus geputzt und der Garten mit Luftschlangen geschmückt. Dann wurde mit Tio und Abuelita bei schönen Wetter im Garten gegrillt.





Es folgten erneut Wasserspielchen aller Art, erst harmlos mit kleinen Schaumeinlagen, dann schlich sich meine Gastmutter in die Küche um "Nachtisch" zu holen. Den bekam mein Gastvater in Form einer Kann Wasser in den Nacken. Der Spaß hatte begonnen, es wurde sich gejagt, gejauchzt und gekreischt. Als dann der Gartenschlauch mit eingriff, verzog ich mich in die Küche.


Nass wurde Karten gespielt und ein Mittagsschläfchen gehalten.




Ein schöner Tag ging vorbei, ich ging ins Bett verabschiedete mich kurz darauf vom Karneval mit meiner ersten beidseitigen Magenreaktion. Das eklige Stück Fett, das ich als einziger vom Grill genommen hatte, war wohl der Auslöser.

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