Donnerstag, 25. Juli 2013

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mittwoch, 17. juli

Heute ging es normal zur Arbeit. Ausnahmsweise hatte ich ein längeres Gespräch mit meiner Mitfreiwilligen während der Arbeitszeit, es gab allerdings auch wenig zu tun. Wir überlegten uns, wie wir die nächsten Wochen gestalten wollten.

donnerstag, 18. juli

Um die Kinder auf der Busfahrt ruhig zu stellen, sangen wir wieder „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ und es funktionierte einwandfrei. Mittlerweile kannten sie den Text schon so gut, dass man nach der Ankunft in Achocalla den ganzen Tag jemanden „DRO CHONOSEN“ singen hören konnte. Heute hatte ich meine Bande das erste Mal richtig im Griff und als sie gingen überhaupt nicht ausgelaugt. Wenn man weis, was man erreichen will, und die Kinder dies spüren, fällt vieles leichter.
In der Mittagspause machte ich einen kleinen Spaziergang durch die Umgebung und blieb bei einem Haus mit riesigem Kakteengarten stehen. Eigentlich wollte ich ein paar Kaktusfeigen kaufen, doch die einzige Person die ich traf, war eine gebrechliche Frau, die nur Aymara sprach. Sie verstand mich ebenso wenig wie ich sie, nicht einmal Arme fuchteltn konnte weiter helfen, da sie nahezu blind war. Als ich gerade gehen wollte, kam ihr Sohn vorbei, der Spanisch sprach und mir eine Tüte der entstachelten Feigen verkaufte.
Nachmittags kamen 5 Kinder Achocallas ins Projekt und ich gab ihnen eine kleine Fußballtrainingsstunde. Nicht einmal die Grundtechniken des Fußballs wie passen, annehmen, zusammen spielen werden den Kindern im Sportunterricht beigebracht, der fast nur aus Fußball besteht.
Seit meinem Umzug fahre ich jeden Morgen und jeden Abend über El Alto zur Arbeit und nach Hause. Eigentlich ging das um ca. eine halbe Stunde schneller als über die Zona Sur und den Feierabendstau. Doch mittlerweile merkte ich, das das chaotische Fahr- und Straßensystem El Altos ebenfalls ständigen Stillstand produzierten. Heute dauerte der Nachhauseweg wieder ewig, was allerdings auch daran lag, dass ich in eine andere Busnummer eingestiegen war. Statt über die Hauptstraße zum Endpunkt CEJA zu gelangen, machte der Bus eine Rundfahrt durch El Alto. Da nahezu alles gleich aussieht, würde eine 10-minütige Rundfahrt völlig reichen. Meine endete, als der Bus nach eineinhalb Stunden durch die Hexengasse tuckerte.
Auf beiden Straßenseiten standen dicht aneinander gereiht, kleine Gestelle, die mit blauer Plane überzogen waren. Die blaue Plane ist ein nahezu sicheres Indiz, dass in dieser Unterkunft mit übernatürlichen Kräften gearbeitet wird. Hinter den Eingängen verstecken sich seltsame Zutaten, die man käuflich erwerben kann. Mumifizierte Lamaföten gehören hier noch zum Standardinventar. Man kann sich auf unterschiedliche Weisen, wie z.B. Kokablatt lesen, in die Zukunft schauen lassen. Es gibt jedoch auch Meister, die einem von Schwüren befreien oder neue legen können. Die Sonne war beinahe untergegangen. Vor jedem blauen Zelt loderten Feuerstellen in der Dämmerung. Das verbrennende Geruchsholz verbreitete einen seltsamen Duft. Kinder spielten auf der Straße und Hexenmeister baten mich bei ihnen einzutreten. Nur das Vorbeilaufen war bereits ein magisches Erlebnis. Ich fühlte mich ein wenig mulmig, was wohl auch daran lag, dass nahezu alle Augen auf mich gerichtet waren. Vielleicht sogar die, die hinter den blauen Planen in Gläsern eingelegt waren. Was ein Gringito in dieser Straße verloren hatte, konnten wohl selbst ihre Voraussagungen nicht erklären. Irgendwann hatte ich den seltsamen Ort hinter mir gelassen und stieg in den Bus Richtung Heimat. Zum Glück hatte ich mich nicht verlaufen, denn zur Dunkelheit konnte es als auffälliger Weißer in diesen Vierteln ein bisschen ungemütlich werden.

freitag, 19. juli

Meine Arbeit bestand heute im Lama, Alpakaversorgen. Das hieß Kot wegräumen, Wasserschalen putzen, Essen geben, allerdings auch die süße Eulalia mit Milch zu füttern. Sie sprang umher und rannte mit gesenktem Kopf durchs Gehege um ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren. Tierbabies könnte man stundenlang bei ihren unbeholfenen und trotteligen Bewegungen zuschauen, doch ich musste auch noch die Spielsachen in den Klassenzimmern sortieren. Auf einmal wurde mir schlecht und ich konnte es nur noch liegend auf dem Boden aushalten. Was hatte ich jetzt schon wieder Falsches gegessen? Den Nachmittagskindern war mein Unwohlsein egal, der Lehrer musste mitspielen, egal wie er sich am Boden krümmte.
Es war als hätte man mich all meiner Kräfte beraubt und ich schaffte es nach strapziöser Fahrt gerade noch nachhause ins Bett. War ich gestern in der Hexengasse in einen Fluch getreten?

samstag, 20. juli

Ich blieb ans Bett gefesselt.

sonntag, 21 juli

Meine Gastfamilie pflegte und hegte mich, doch aus dem Bett konnte ich noch immer nicht steigen.

montag, 22. juli

Mir ging es wieder besser und so ging es zur Arbeit, Tomatenstangen schnitzen und Ordnung ins Chaos der halbfunktionstüchtigen Spielzeuge bringen. Auch zuhause war die Ordnung ja ein großes Problem, weswegen mein Mitbewohner und ich entschieden eine große Mülltonne als Geburtstagsgeschenk für unsere Gastmutter zu kaufen. Kein besonders herzliches, dafür umso praktischer und dringend benötigtes Geschenk. Die Mülltüten, die sich im Hof stapelten und von unseren Hunden nach Essbaren durchsucht wurden, waren keine adäquate Innenhofverschönerung.

dienstag, 23. juli

Die Kinder hatte ich auch heute gut im Griff und so entschied ich, einen kleinen Spaziergang mit ihnen zu unternehmen. Zumal es nicht die Kleinen waren, die überall entwischen konnten, sondern die Großen, die schon ein wenig über die Folgen ihres Handelns nachdachten. Wir verfolgten den vertrockneten Flusslauf, ich erklärte ein wenig über Pflanzen und wie es kommen konnte, dass der Fluss gerade Urlaub machte. Überall entdeckten sie gespenstische Formen. Eine Wurzel war auf einmal das abgefallene Horn des Teufels und ein roter Stein ein Drachenei. Sie steigerten sich dermaßen in ihre Gruselgeschichten hinein, dass sie es an diesem seltsamen Ort mit der Angst zu tun bekamen. Als wir ein harmloses Loch passierten, sahen sie darin die Höhle eines Ungeheuers, erschreckten sich so stark, dass sie schnurstraks zurück zu Suma Qamaña rannten.
Dieses Faible für Horrorgeschichten stammt aus dem Gefängnis, wo Mütter und Geschwister ständig Geschichten über die Unterwelt zum Besten geben. Diese Schauermärchen hatten sich wohl schon so stark in Köpfen der Kinder eingebrannt, das sie manchmal ohne Grund Gespenster sahen. Ich hatte mich schon häufiger gewundert, warum sie im Projekt so häufig über Gespenster sahen oder nicht mehr kommen wollten, weil es hier spukte. Schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche war ich Zeuge des stark ausgeprägten Aberglaubens der bolivianischen Andenregion geworden.
Ich durfte früher gehen um zuhause am Geburtstagsessen meiner Gastmutter teilzuhaben.

Wir aßen, plauderten nett und genossen die Sonnenstrahlen im Hof.

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